Lutherbibel, Zitat Sirach 40, 11: “Alles, was aus der Erde kommt, muss wieder zu Erde werden, wie alle Wasser wieder ins Meer fließen.”
Die Evangelische Kirche in Deutschland ist auch in Sachen Bestattung Vorreiter: In der Stadt Mölln genehmigte die Nordkirche - die Landeskirche in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern – auf dem evangelischen Friedhof der Stadt erstmals die neue Bestattungsform Reerdigung. Die Landesregierung des zuständigen Bundeslandes Schleswig-Holstein erlaubte zuvor diese besondere Form der Erdbestattung als Pilotprojekt. Dabei wird ein Verstorbener unbekleidet in ein Substrat aus z.B. Stroh und Grünschnitt gebettet. Natürliche Mikroorganismen transformieren dann den Körper des Verstorbenen innerhalb von 40 Tagen zu Erde. Übrig gebliebene Knochen werden danach zermahlen und dieser Erde beigefügt. Bestatter bringen dann diese neue Erde ohne Sarg ca. 40 cm tief in den Friedhofsboden ein, Friedhofserde wird hinzugefügt. Diese neue Erde eignet sich hervorragend, um auf dem Grab z.B. einen Strauch oder einen kleinen Baum zu pflanzen. Entwickelt haben diese nachhaltigste aller Bestattungsformen die Unternehmer Pablo Metz und Max Huesch. Sie haben dafür in Berlin das Startup Circulum Vitae gegründet, das unter der Marke MEINE ERDE (MY EARTH) die Reerdigung seit Februar 2022 erstmals in Europa in Deutschland anbietet. Zusammen mit dem Evangelischen Friedhofsverband Berlin-Stadtmitte (EVFBS) möchte MEINE ERDE die Reerdigung nun auch auf den Friedhöfen des Kirchenkreises anbieten. In einer thelogisch-ethischen en Stellungnahme schreibt dazu Dr. Clemens W. Bethge vom Konsistorium der EKBO: “Unerwähnt bleiben soll schließlich nicht der ethische Aspekt der Klimaverträglichkeit der Bestattungsform ´Reerdigung´: Die immense CO2-Einsparung im Vergleich zur Feuerbestattung ist positiv hervozuheben und entspricht unserem Auftrag, die Ressourcen unserer Schöpfung schonend einzusetzen sowie den Reichtum unserer Schöpfung zu bewahren”. Noch prüfen die Behörden in Berlin, wann hier die Reerdigung zugelassen wird. Vermutlich wird das Bundesland Berlin dazu erst sein Bestattungsgesetz novellieren.
Immer mehr Bürger denken inzwischen über eine nachhaltige Bestattung nach: Laut einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov wollen die meisten Erwachsenen in Deutschland nicht mehr in einem Sarg begraben werden. Einer aktuellen, bundesweiten Studie des Forsa-Instituts im Auftrag der Verbraucherorganisation Aeternitas zu Folge, bezeichnen 60 % der Teilnehmer “das Thema Ökologie und Nachhaltigkeit bei der Bestattung als wichtig ein.”, davon 22 % sogar als “sehr wichtig”. In einer von MEINE ERDE im Mai 2022 in Auftrag gegebenen Befragung unter 56 - 80 Jährigen aus Berlin gaben 61 % an, “dass es sie stört, dass eine Kremation umweltschädlich ist”. Dennoch liegt der Anteil der Feuerbestattungen in Berlin bei 90 %. In der Altersgruppe der über 56 Jährigen werden die meisten Entscheidungen darüber getroffen, wie man selbst bzw. Angehörige bestattet werden sollen. Superintendent Dr. Bertold Höcker vom evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte meint dazu: “Ich kann mir die Reerdigung auch für mich gut vorstellen. Jeder Mensch muss sterben. Aber wir verdrängen die Tatsache, dass nicht jede Bestattungsform unserer Umwelt hilft. In den USA sind Reerdigungen längst möglich. Wir sollten darüber reden, dass auch die Bestattung nachhaltig sein kann.” In den USA ist bereits ein reger Wettbewerb um die Reerdigung entstanden: Mehrere Anbieter z.B. das Unternehmen “Recompose” in Seattle (Washington) bieten ähnliche Verfahren an. Sie nennen es Natural Organic Reduction (NOR). Es bleibt zu hoffen, dass der Senat von Berlin und das Berliner Abgeordnetenhaus rasch die nachhaltige Reerdigung auch in Berlin ermöglichen.
Über den Autor:
Jörg Litwinschuh-Barthel (54) ist Mitglied des Evangelischen Kirchenkreises Berlin Stadtmitte und festangestellter Mitarbeiter von Circulum Vitae. Dort kümmert sich der Medienwissenschaftler um die Beziehungen zu den Kirchen, den Friedhofsverwaltungen und in die Politik.