
Die AG Christen und Juden im Kirchenkreis Spandau hatte für den 21. Februar 2023 zu einem Podiumsgespräch von Rabbiner Dr. Andreas Nachama und Superintendent Florian Kunz eingeladen. Eine Premiere, der eine Fortsetzung zu wünschen ist – auch mit anderen Themen.
Rabbiner Nachama, seit Kurzem auch Leiter der liberalen Rabbinerausbildung im Abraham-Geiger-Kolleg, ging das Thema vorwiegend als studierter Historiker und ehemaliger Leiter der Stiftung Topographie des Terrors an.
Er leitete das Gespräch mit dem Jahr 1933 ein. Ein Jahr, in dem innerhalb von fünf Monaten demokratische Strukturen vollständig vernichtet wurden. 90 Jahre danach erinnern wir uns unter anderem an die Machtübergabe an Hitler am 30. Januar 1933, den Reichstagsbrand, das Ermächtigungsgesetz, den so genannten „Tag von Potsdam“ und der Mitwirkung daran durch den damaligen Generalsuperintendenten und späteren Nachkriegsbischof Otto Dibelius, den so genannten Judenboykott, die Zerschlagung der Gewerkschaften und Parteien und der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933.
Rabbiner Nachama verwies darauf, dass mit der Erinnerung an das Jahr 1933 der Wert demokratischer Spielregeln und der heute möglichen Kontrolle von Regierungshandeln durch den Rechtsstaat deutlich gemacht werden kann.
Superintendent Kunz verwies auf den Wert der Beschäftigung von Jugendlichen mit dem Schicksal einzelner Verfolgter und hob in diesem Zusammenhang die Stolpersteine als Erfolgsgeschichte und als – so wörtlich – „Demokratisierung der Erinnerungskultur“ hervor.
Auch von der Bedeutung von Erinnerung in den Religionen Judentum, Christentum und Islam war die Rede. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Zukunft.
Für die Gegenwart wurde besonders aus dem Publikum die Wichtigkeit von Begegnungen und Gesprächen zwischen jüdischen und christlichen Jugendlichen hervorgehoben. Rabbiner Nachama bot Gespräche mit VertreterInnen des „House of One“ an. Er berichtete von Erfahrungen mit Schulklassen im Gespräch mit ihm als Rabbiner, einem Pfarrer und einem Iman.
An das Projekt des Zentralrats der Juden in Deutschland „Meet a Jew“ wurde erinnert: Schulklassen und auch Konfirmandengruppen können Jüdinnen und Juden zum Gespräch einladen, denn – so heißt es auf der Website des Projekts –
„eine persönliche Begegnung bewirkt, was tausend Bücher nicht leisten können. Wer Jüdinnen und Juden schon mal persönlich getroffen hat, ist weniger anfällig für Stereotype und Vorurteile und weiß, dass es viel mehr Themen gibt, über die wir miteinander sprechen können als über Antisemitismus, die Shoah oder den Nahostkonflikt.“
In Gesprächen, zu denen sein Vater auch Christen einlud, lernte Nachama schon jung, dass es auch zwei Sichten und Wahrheiten geben kann, die von beiden akzeptiert wurden. Eine Erkenntnis, die im christlich-jüdischen Dialog für ein verständnisvolles Miteinander und Einheit in der Vielfalt sorgen kann.
Man hätte der Veranstaltung eine größere Resonanz aus den Gemeinden und dem Bezirk gewünscht.
Gudrun O’Daniel-Elmen
Beauftragte für Erinnerungskultur im Kirchenkreis Spandau