
Liebe Gemeinde,
das raten Sie nie und nimmer! Schauen Sie mal auf dieses Bild!

Das Foto habe ich aus meinem Urlaub in Frankreich mitgebracht. Es zeigt die Glasfenster im Kirchenschiff der wunderbaren Kathedrale von Reims in der französischen Champagne gelegen. Fällt Ihnen was auf? Auf der rechten Seite sind die Fenster als Klarglasfenster ausgeführt, links daneben bunt in wunderbar leuchtenden starken Farben. Das war nicht immer so. Denn dort, wo jetzt die Klarglasfenster sind, waren vorher auch bunte Fenster. Der Umbau geschah kurz nach der Einführung der Gesangbücher im Gottesdienst. Es war mit all den bunten Fenstern zum Lesen der Gesangbücher einfach zu dunkel. Und damit Menschen lesen und mitsingen konnten, hat man kurzerhand die bunten Fenster ausgebaut und klare Fenster eingebaut.
Kirche ist im Wandel. Das ist ein gutes Beispiel: Das innere Leben der Gemeinde hat sich geändert. Menschen wollten und sollten sich beteiligen, laut mitsprechen und singen, das war wichtiger als bunter schöner Schein. „Form follows function“ - die Form folgt der Funktion.
Solche Beispiele gibt es auch bei uns in der Matthäuskirche. In der Corona-Zeit haben wir die Stühle neu angeordnet um einen neuen Altar in der Mitte der Kirche. Eine Tonschale mit Sand und dünnen Kerzen gibt Menschen die Möglichkeit ihr persönliches Gebet vor Gott zu bringen. Wir staunen immer wieder, wie viele Menschen dieses Angebot nutzen. Auch weil der Altar als Zeichen der Nähe Gottes, seiner Liebe, seinem Wort und Brot und Wein nicht erhöht und weit weg steht, sondern in der Mitte der Gemeinde. Nicht hoch erhaben, sondern nah und erreichbar. GOTT ist mitten unter UNS. Das Ritual mit den Kerzen und den Altar in der Mitte haben wir lieb gewonnen. Beides sind ein Herzstück und Kennzeichen unserer Gottesdienste geworden.
Nach den Veränderungen durch die Corona-Zeit stehen gegenwärtig auch große Veränderungen in unserer Landeskirche an:
Unter dem Stichwort „ekhn2030“ überlegt unsere Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, wie die Kirche über das Jahr 2030 hinaus handlungsfähig bleibt. Die Zahl der Kirchenmitglieder wird bis dahin noch viel stärker abnehmen. Viel weniger Pfarrerinnen und Pfarrer und andere Hauptamtliche werden ihren Dienst tun. Viele der Gemeinden, die in Nachkriegszeiten gegründet wurden, sind nun zu klein. Wir tun uns zu Nachbarschaftsräumen zusammen, verdichten Gemeindebüros. Wir vernetzen die Arbeit. Von vielen Gebäuden müssen wir Abschied nehmen. Uns steht ein wirklicher Wandel, ein Epochenwechsel bevor.
Wir als Hoffnungsgemeinde sind seit unserer Gründung vor 20 Jahren schon viele Schritte auf diesem Weg gegangen und nicht alles davon war leicht. Der Zauber, der jedem Anfang innewohnt, und die Hoffnung auf „leichtes Gepäck“ sind oft schmerzhafter umzusetzen, als man denkt. Wir brauchen eine andere, eine geistliche Basis für diesen Weg des Wandels. Kirche ist nicht für sich selbst da. Nicht für den Erhalt ihrer Gemeindehäuser, Kathedralen, Orgeln und Stellen, sondern für den Auftrag: die Frohe Botschaft zu verkünden. Im Petrusbrief heißt es:
„Lasst euch auch selbst als lebendige Steine zur Gemeinde aufbauen. Sie ist das Haus, in dem Gottes Geist gegenwärtig ist.“
1. Petrus 2,5 (BB)

Menschen, die sich aufmachen, ihre persönlichen Gaben zu entdecken. Lebendige Steine: Das sind Menschen, die sich aufmachen und ihre persönlichen Gaben entfalten. Menschen, die gern singen, erzählen, kochen, predigen, mit Kindern über die Liebe Gottes staunen, ein Seniorencafé betreiben, die einladen und sich einladen lassen oder einfach Gemeindebriefe austragen und dabei mit Menschen auf der Straße ins Gespräch kommen. Kirche im Wandel wartet nicht auf den Zauberer, der sie schmerzfrei verwandelt, sondern geht selbst los. Sie hält sich fest an Gottes unwandelbarer Liebe und Treue und ist neu verwandlungsfähig.
Wir freuen uns, wenn Sie mitkommen auf dem Weg!
Ihr Pfarrer Andreas Klein