„Nomen est Omen“

# Predigt des Superintendenten

„Nomen est Omen“

„Ich trage einen großen Namen“, so hieß eine Ratesendung, die seit 1977 in den dritten Programmen über die deutschen Mattscheiben flimmerte. Die Regeln? Denkbar einfach: Drei Prominente stellen einem Unbekannten im Sessel Fragen, um anhand von Ja- oder Nein-Antworten hinter den Namen seines berühmten Vorfahren zu kommen. Ein musikalischer Einspieler aus der Lebenszeit der gesuchten Person gibt Starthilfe.

„Glauben Sie, dem berühmten Vorfahren ähnlich zu sehen?“

„War Ihr Vorfahr Künstler?“

Ist das Rate-Trio auf dem Holzweg, lenkt ein Co-Moderator, der sogenannte „Lotse“ es mit Hinweisen wieder auf die richtige Spur. Bis schließlich die Identität der gesuchten Person aufgedeckt wird und klar ist - hier im Sessel sitzt ein Herr Luther, eine Frau Goethe, ein Herr Chruschtschow oder eine Frau Einstein. 

Nomen est Omen – ein Name ist ein Zeichen, ist Programm, mit Bedeutung aufgeladen, verweist auf seinen Träger, dessen Herkunft und Vorfahren, auf Familiengeschichte und Lebenswerk. Einen Namen macht man sich oder bekommt ihn geschenkt. Meistens beides.

Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt. Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich liebhabe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Nomen est Omen – ein Name ist ein Zeichen - das gilt auch für Israel. Versprengt im Exil, heimatlos in der Fremde, am Boden zerstört, hört das Volk hier seinen Namen, ja wird von Gott geradezu neu ins Leben gerufen. Du bist nicht tot und am Ende, verheißt Gott seinem Volk, du bist schon erlöst und wirst heimkehren, neu beginnen:  Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich liebhabe. 

Es ist die Sprache der Erwählung, so spricht ein Liebender und Liebe ist parteiisch. Dagegen haben Imperien mit klangvollem Namen und stolze Königreiche keine Chance. Selbst die Naturgewalten können Israel nichts anhaben. Gott geht mit den Seinen durch dick und dünn, Feuer und Wasser. Wie damals in Ägypten. Wisst ihr noch? Ein neuer Exodus klingt hier an. Raus aus Unfreiheit und Unterdrückung, hinein in die Freiheit der Kinder Gottes.

Nomen est Omen: „Israel“, das heißt „Gottesstreiter“ – diesen Namen erhält als erster Jakob, und gestritten hat der mit so ziemlich jedem, seine Geschichte ein Ringen um den Segen, ein Ringen mit Gott. Nicht im übertragenen Sinne, sondern ganz handfest legt Jakob sich mit Gott an, kämpft mit dem Geheimnisvollen in der Nacht am Fluss Jabbok, hält ihn fest: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ Und tatsächlich, Jakob wird gesegnet und erhält den Namen „Israel – Gottesstreiter“, eine Auszeichnung, ein Ehrentitel – nicht nur für sich, sondern für ein ganzes Volk. Sie tragen einen großen Namen. Durch alle Exile und Abbrüche hindurch verbürgt dieser Name Heimat, Identität und Gottes segnende Nähe.

Nomen est Omen – hat ihr Vorname eine besondere Bedeutung? Warum heißen Sie, wie Sie heißen? Manche von uns mögen ihren Namen, andere sind nicht so glücklich mit ihm. Wir bekamen ihn, weil schon Verwandte so hießen oder weil unsere Eltern ihn einfach schön fanden. Manch einer bekam einen englischen oder französischen Namen als kleine Freiheitshoffnung hinter Mauern, ein anderer wurde Björn genannt, vielleicht weil seine Eltern so gern nach Schweden fuhren. In München erlaubte das Oberlandesgericht 1983 einem Paar, seinem Kind den Namen Pumuckel zu geben.

Doch egal was unsere Eltern bei der Namensgebung im Sinn hatten, nicht seine Herkunft oder Bedeutung füllt ihn mit Leben, sondern wir selbst. Er ist Symbol für alles was uns ausmacht, und dennoch mehr als nur die Überschrift der Summe unserer Stärken und Schwächen. Unser Name - das ist unsere Identität, unser Name - das sind ganz und gar wir. Deshalb trifft es Kinder so, wenn ihr Name von Mitschülern verballhornt wird. Schon von klein auf sind wir Menschen auf einen guten Ruf bedacht, uns einen Namen zu machen.

Nomen est Omen – im Wasser der Taufe kommen die Namen zusammen, werden vermengt – der Name des Täuflings und der Name des dreieinigen Gottes: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Eigentlich heißt es auf griechich: „Ich taufe dich in den Namen …“ Es ist ein Eintauchen in den Namen Gottes, in seinen Machtbereich des Guten, da tut sich ein Segensraum auf. Und zugleich das Versprechen: Noch bevor du dir einen Namen machen kannst, Mensch, hat dein Name schon einen ungemein guten Klang, weil Gott ihn ruft: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!  

Dieser Ruf endet nie. Selbst dann, wenn wir unseren Namen nicht mehr wissen und keiner mehr da ist, der sich an uns erinnert, geht unsere Identität nicht verloren, wir sind sein. Er kennt und ruft uns – sogar aus dem Todesdunkel in sein Licht.

Nomen est Omen – „Names“ also „Namen“ heißt ein Gedicht der britischen Lyrikerin Wendy Cope. Ich habe versucht es zu übersetzen:

Sie hieß Maria – wenige Wochen nur
als sie ein Baby war
Maria Luise. Bald nannte sie jeder Lu
Später war sie Fräulein Schöller in der Bäckerei
Und dann “meine Liebste”, “mein Schatz”, Mutter
Verwitwet mit 30 ging sie wieder arbeiten
Als Frau Hartmann. Ihre Tochter wurde erwachsen,
heiratete und bekam ein Kind
Nun war sie Oma. “Jeder nennt mich Oma“ erzählte sie Besuchern
Und das taten sie –  Freunde, Bekannte, der Doktor
Auf der geriatrischen Station sprachen sie die Patienten mit Vornamen an
“Lu” sagten wir oder “Oma“
Aber das stand nicht in ihrer Akte
Und in ihren letzten umnachteten Wochen
hieß sie noch einmal Maria

Nomen est Omen – Philipp Melanchthon, Nathan Söderblom, Weinberg – drei Gemeinden, drei Namen mit Bedeutung: Philipp Melanchthon erinnert uns, dass der Glaube Bildung braucht, und die Kirche Theologie. Ja und die Visitation ist auch seine Erfindung. Von Nathan Söderblom lernen wir das Eintreten für Frieden und Versöhnung und, dass die Zukunft der Christenheit in der Ökumene liegt. Und der Weinberg ist ein Bild für die Liebe Gottes zu den Seinen, steht für Arbeit und Fest, für den Kelch der Freude und das Dranbleiben an Jesus, wie Reben am Weinstock.

Manchmal ist ein Gemeindename Programm, doch meist wird das Wesen einer Gemeinde von den Menschen bestimmt, die sich vor Ort engagieren. Sie alle sind das, die Sie ehren- und hauptamtlich der Kirche Ihr Gesicht geben und Menschen zum Glauben einladen. Haben Sie herzlichen Dank dafür!

„Ich trage einen großen Namen“ so hieß eine Ratesendung, die seit 1977 in den dritten Programmen über die deutschen Mattscheiben flimmerte. In diesem Februar wurde sie nach 45 Jahren eingestellt. Schade, wie ich finde. Doch der Titel der Sendung scheint mir für uns alle, die wir hier sind, zu stimmen: Wir tragen einen großen Namen. „Ach so?“, werden Sie vielleicht fragen. „Das wusste ich ja noch gar nicht“. Aber vertrauen Sie mir, wir alle haben diesen einen berühmten Vorfahren. Nein, nicht Karl der Große, sondern viel weiter zurück. Tausende von Generationen liegen zwischen uns und trotzdem ist er unser Bruder.

„Glauben Sie, dem berühmten Vorfahren ähnlich zu sehen?“, will der Moderator wissen. „Naja, vielleicht nicht von den Gesichtszügen her, sondern eher vom Tun, die Art, wie wir leben und mit den Menschen und der Schöpfung umgehen … ich hoffe schon, dass da jemand denkt: Das sieht ihm ähnlich! Auf jeden Fall würde es mich freuen, wenn unschwer zu erraten wäre, dass wir den Namen „Christen“ tragen.

 Amen.

Superintendent Florian Kunz
Predigt am 16.7.2023 über Jesaja 43,1-7 zum Abschluss der Visitation der Region Mitte-Süd in der Melanchthonkirche

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