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Der lange Weg zur Gleichstellung im Pfarramt

# Themenschwerpunkt

Veröffentlicht am Dienstag, 1. August 2023 14:55
Der lange Weg zur Gleichstellung im Pfarramt

Von männlichen Anhängern Jesu, den Jüngern, wird im Neuen Testament viel und häufig geschrieben und gesprochen. So entsteht leicht der Eindruck, dass Frauen bei der Weitergabe des christlichen Glaubens keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Doch entgegen manchen Vorurteilen waren Frauen von Beginn an in der Jesusbewegung und den ersten christlichen Gemeinden aktiv (mehr dazu im Artikel von Katharina Friebe zu Jüngerinnen).

"Grüsst den Andronikus und die Junia (...) die berühmt sind unter den Aposteln."

Römer 16,7

Auch die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten geschah unter Mitwirkung von Frauen: wandernde Apostelinnen, Prophetinnen und Lehrerinnen. So geriet die Apostelin Junia wegen ihrer missionarischen Tätigkeiten in Gefangenschaft. Andere, wie Hanna, Elisabeth und Maria, die Töchter des Philippus, lehrten oder unterrichteten Taufbewerber und wirkten auch im Gottesdienst als Auslegerinnen der Heiligen Schrift mit. Bis ins 4. und 5. Jahrhundert lässt sich die Wirksamkeit von Prophetinnen und Lehrerinnen nachweisen. Und dennoch sollte es bis zum 20. Jahrhundert dauern, dass Frauen zu allen geistlichen Ämtern in der evangelischen Kirche zugelassen wurden.
Trotz der allgemeinen Tendenz, Frauen aus verantwortlichen Positionen in den Gemeinden zu verdrängen, lassen sich Frauen in kirchenleitenden Ämtern sogar bis ins siebte und achte Jahrhundert nachweisen. So wird die Mutter des Papstes Paschalis I.(817-824) auf einem Mosaikbild in der Zeno-Kapelle der Kirche Santa Praxedis als „Episcopa Theodora“ bezeichnet, was als Bischöfin übersetzt werden kann.

"Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nciht Sklave noch Freier, hier ist nciht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus"

Galater 3,28

Im Zuge der Reformation kam es zwar unter dem Stichwort „Priestertum aller Gläubigen“ zu einer grundlegenden Neubewertung der kirchlichen Ämter. Trotzdem blieb die „Ordination“ - die feierliche Einsetzung in ein geistliches Amt – Männern vorbehalten. Eine Ausnahme war die spätere Praxis der Herrnhuter Brüdergemeine, in der Priesterinnen, Presbyterinnen und Diakoninnen ordiniert wurden. Jedoch meldeten sich damals auch Frauen in der Öffentlichkeit zu Wort. Ein Beispiel dafür ist Katharina Zell, die in Straßburg als Laientheologin predigte, reformatorische Gedanken verteidigte und zahlreiche Schriften verfasste. Martin Luther selbst vertrat die Meinung, dass Frauen nur in Notfällen predigen oder taufen sollten. Das mag ein Grund dafür sein, dass bis heute Frauen in manchen lutherischen Kirchen für ihre Gleichstellung im geistlichen Amt kämpfen müssen. Auf der Internetseite www.frauen-und-reformation.de sind eine Vielzahl von öffentlich wirkenden Frauen versammelt, die christliche Gedanken verkündet und verbreitet haben. Die Frauen werden dort mit Kurzbiographien vorgestellt; dabei wird deutlich, welche Chancen sie ergriffen haben, aber auch mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert waren. Die ersten dort aufgeführten Frauen stammen bereits aus dem 15. Jahrhundert. Die Liste wird bis heute fortgeführt. Ein Blick lohnt sich!

Ein wesentlicher Impuls für die weitere Entwicklung wurde dann erst wieder durch die Frauenbewegung des frühen 20. Jahrhundert gegeben. So kam es nach dem 1. Weltkrieg zur Aufnahme theologisch ausgebildeter Frauen in die kirchliche Arbeitswelt. Als Meilenstein ist das „Vikarinnengesetz der Ev. Kirche der Altpreußischen Union“ von 1927 anzusehen. Demnach war die Einsegnung – nicht Ordination – zum Dienst an Frauen, Mädchen und Kindern vorgesehen. Zugleich wurde für Frauen im geistlichen Amt der Titel „Vikarin“ festgesetzt, und die Ehelosigkeit als Voraussetzung und Bedingung formuliert. Bei einer späteren Heirat musste die Theologin ihr Amt niederlegen. In der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich wurden hingegen bereits seit 1918 die ersten Frauen in der Schweiz zu Pfarrerinnen ordiniert.

Nach dem 2. Weltkrieg versuchten die Kirchenleitungen zunächst, die bestehenden Bestimmungen beizubehalten. Weil sich aber unter der Not der Kriegszeit etliche Theologinnen gerade auch im Pfarramt und in der Gemeindeleitung bewährt hatten, ließen sich die alten Regelungen nicht länger halten. Der gesamtgesellschaftliche Wandel der fünfziger und sechziger Jahre ging auch an den Kirchen nicht vorbei. Nicht zuletzt förderte der Pfarrermangel im geteilten Nachkriegsdeutschland ein Umdenken zugunsten der vollen Gleichstellung von Frauen im geistlichen Amt. Mit ihren Stellungnahmen und Anträgen bei den jeweiligen Landeskirchen erreichten viele regionale Theologinnenkonvente die stückweise Aufhebung aller Einschränkungen. Seit den 80er Jahren werden verstärkt Theologinnen als Dekanin, Superintendentin, Pröpstin, Regionalbischöfin oder Prälatin berufen oder gewählt. Mit Maria Jepsen wurde 1992 weltweit die erste lutherische Bischöfin für den Sprengel Hamburg der Nordelbischen Kirche gewählt. Angekommen im höchsten „Hirtinnenamt“, alltäglich geworden im Gemeindepfarramt, prägen Theologinnen inzwischen selbstverständlich das Gesicht der Kirchen mit. Standen 1958 400 „Vikarinnen“ im kirchlichen Dienst, waren es 2008 bundesweit schon 7.196 Theologinnen, was damals einer Quote von 32 % aller Pfarrstellen entsprach. In der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers sind aktuell 710 Pastorinnen beschäftigt, d.h. gut 40 % der Pfarrstellen werden zurzeit von Frauen besetzt.
Die bisher einzige nicht-protestantische Kirche, die Frauen zu Priesterinnen weiht, ist die Alt-Katholische Kirche. In Deutschland werden seit 1996 Priesterinnen geweiht. Professorin Dr. Angela Berlis, alt-katholische Priesterin, schreibt: „Mit der Einführung der Frauenordination ist … verdeutlicht, dass die Taufe tatsächlich die Grundvoraussetzung für den Empfang aller weiteren Sakramente ist.“ 

Hans Hartmann

Pastorinnen der lutherischen Gemeinden in Nordhorn

Pastorin Christiane Möhle 1997-2002

Pastorin Dr. Wiebke Köhler 2002-2004

Pastorin Christa Olearius 2004-2018

Pastorin Henrike Lüers 2018-2022

Pastorin Simone Schmidt-Becker 2020-2021

Pastorin Katharina Friebe seit 2022

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