
Eigentlich wollten wir schon wieder gehen. Aber dann las ich noch ein bisschen bei Wikipedia über die gotische Kathedrale in Amiens und ihr Labyrinth in der Mitte des Kirchenraums. Dort standen wir gerade auf unserer Rückreise aus dem Frankreichurlaub. Draußen prasselte der Regen auf das Kirchendach und vor uns eröffnete sich plötzlich ein besonderer Weg. Mit einem Durchmesser von zirka zwölf Metern bilden die schwarzen und weißen Steine des Fußbodens ein großes Labyrinth. Das war genau der richtige Zeitvertreib, bis es hoffentlich aufhört zu regnen, so dachte ich.
Als ich dann begann es abzugehen, merkte ich schnell, dass es mir mehr bedeutete, auf diesem besonderen Weg, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ein Labyrinth betritt man von außen. Man geht vorsichtig den ersten Schritt hinein und folgt den vorgegebenen Linien, so lange bis man das Ziel, die Mitte erreicht. Auf ganz verschlungenen Pfaden geht es voran. Mal ging ich in die eine Richtung und war schon fast in der Mitte angelangt. Dann wieder machte ich kehrt und mein Weg führte mich vom Ziel weg.
Ich musste gut aufpassen, um auf der richtigen Linie zu bleiben. Und ich spürte im Gehen, wie ich immer mehr auch mit meinen Gedanken unterwegs war.
Wie hat eigentlich mein Weg begonnen? Was war da am Anfang und mit welchem Ziel bin ich einmal aufgebrochen? Welche Wendungen hat mein Leben genommen? Wo ging es geradeaus? Wo musste ich umkehren? Wo kam es mir so vor, dass ich mich im Kreis drehe oder dass ich mich von einem Ziel ganz weit entferne? Berührend für mich war, zu spüren: Das Labyrinth ist kein Irrgarten. Ich kann mich nicht darin verlaufen. Im Labyrinth wird man geführt, so wie Menschen es erleben auf ihrem Weg von Gott geführt zu werden. Als glaubender Mensch hat mir dieses Labyrinth in der schönen großen Kirche also auch etwas über meinen Weg mit Gott erzählt. Ich habe an meinen Taufspruch gedacht:
Du zeigst mir den Weg zum Leben! Bei dir ist Freude in Fülle. (Psalm 16,11)
Natürlich war bei uns allen die Freude groß, als wir die Mitte des Labyrinths, das Ziel erreicht hatten. Eine große runde Fläche mit dem Kreuz von Jesus Christus auf dem Boden. Dort anzukommen, zu stehen und innezuhalten, hat gut getan.
Nicht nur mir, sondern vielen Menschen, die in diesem Moment mit in dem Labyrinth unterwegs waren. Und dann hatte der Regen aufgehört. Und wir sind wieder aufgebrochen. Schritt für Schritt nach draußen.
Inzwischen hat nicht nur bei mir der Alltag längst wieder begonnen. Auch Sie und ihr seid bestimmt wieder viel unterwegs, z.B. auf Arbeits- und Schulwegen oder in der Gemeinde.
Vielleicht tut es uns gut auf allen – auch den mühsamen Wegen – ab und zu innezuhalten und zu vertrauen, es gibt ein Ziel für uns. Gott wartet auf uns. Jesus ist an unserer Seite und andere Menschen sind mit uns auf dem Weg durch Regentage oder in der Herbstsonne.
Auf unsere gemeinsamen Wege durch die nächsten Monate in der Gemeinde freue ich mich.
Pfarrerin Cornelia Roßner