In den Herzen der Gatower

# Predigt des Superintendenten

In den Herzen der Gatower

Mitte bis Ende der 90er Jahre lief eine Serie im Vorabendprogramm des Ersten Deutschen Fernsehens, die in Spandau spielte und sich großer Beliebtheit erfreute: „Der Havelkaiser“. Publikumsliebling Günter Pfitzmann in der Rolle des Werftbesitzers und Schiffahrtsunternehmers Richard Kaiser. In 11 Staffeln konnten die Zuschauer das wirtschaftliche Auf- und Ab der Werft, Streit und Versöhnung des Familenpatriarchen mit seinen Kindern und viele andere Geschichten erleben. Eine Serie für die ganze Familie.  

„Der Havelkaiser“ – mir scheint, dass ist auch der Name einer Serie, die 20 Jahre später in Gatow lief. 10 Staffeln oder 10 Jahre, in der Hauptrolle ebenfalls ein Publikumsliebling: Mathias Kaiser. Spielte nicht den Pfarrer, sondern war es mit Leib und Seele, Seelsorger für so viele, Initiator, Netzwerker, Tausendsassa…

Als die Landeskirche zum 1. November 2013 die Gatower Pfarrstelle mit Mathias Kaiser besetzte, war das ein Glücksfall für die Kirchengemeinde. Genau heute vor zehn Jahren waren in Gatow Ältestenwahlen. Eine gute Gelegenheit als künftiger Pfarrer die Gemeinde besser kennen zu lernen - hast du gedacht, lieber Mathias, und Gatow einen Besuch abgestattet. Das Gefühl hat sich verfestigt: „Hier ist gut sein, hier bin ich richtig.“ Eine, die an diesem Sonntag übrigens zum ersten Mal in den Gemeindekirchenrat gewählt wurde, war Heidi Wandrei. Da war noch nicht zu ahnen, dass sie später auch zur Vorsitzenden gewählt und mit Mathias Kaiser ein vertrauensvolles Leitungs-Duo bilden würde.  

Havelkaiser, Menschenfischer.

Wenn Mathias Kaiser eine Idee hat – und das geschieht oft – gelingt es ihm fröhlich, impulsiv und beharrlich, Menschen zu überzeugen und zur Mitarbeit zu gewinnen. Er packt aber auch selbst mit an, wo es nötig ist. Schwingt den Pinsel, wenn das Gemeindehaus gestrichen wird, oder kocht Suppe für die Helfer. Motto: „Wir improvisieren mit Freude.“ Begeistert und begeisternd – dieses Eigenschaftspaar fällt mir als erstes zu Mathias Kaiser ein. Im Tagesspiegel-Newsletter war von seiner „konsequent sozialen und konsequent quirligen Art“ die Rede. Stimmt auch!  

Die Kirche im Dorf lassen und als Mittelpunkt für die ganze Ortsgemeinschaft profilieren – das war dir immer ein Herzensanliegen, lieber Mathias. Ob kunsthandwerklicher Adventsmarkt rund um Kirche und Gemeindehaus, ein Fundraising-Projekt für den Kirchturm, bei dem hunderte von Kindern bemalte Pfingsttauben im Kirchenschiff schwebten, oder die Martins- und Krippenspiele, die du mit den Schülerinnen und Schülern deines Unterrichtsprojektes in Religion entwickelt hast. Immer wieder kamen Menschen neu oder zum ersten Mal in Berührung mit Kirche und erlebten einen lockeren, nahbaren Pfarrer und mitreißenden Prediger. Und an Weihnachten waren stets mehr Menschen in der Kirche als es Gemeindemitglieder gibt.

Kirche im Dorf ist eben für alle da. So hast du deinen Dienst verstanden. Kirchengemeinde und Soziale Gemeinde – wo fängt das eine an und wo hört das andere auf? Du hast dich gefreut, wenn das nicht so trennscharf zu beantworten war.

Havelkaiser, Dorfkümmerer. 

Als Pfarrer warst du auch Seismograph für das, was gerade vor Ort „dran“ ist. Als im Zuge der ersten Flüchtlingskrise eine Unterkunft im ehemaligen Altenpflegewohnheim am Breitehornweg eröffnet wurde und rechtsextreme Kräfte Proteste organisierten, gehörtest du zu den Gründern des Willkommensbündnis Gatow/Kladow, das dich später auch zu seinem Sprecher wählte. Den Gesprächsfaden mit den Anwohnern nicht abreißen zu lassen, zu informieren, für Verstehen zu werben – darum ging es dir und euch. Auch ganz konkret setzte sich die Kirchengemeinde für Geflüchtete ein, sammelte Hilfsgüter für ukrainische Schutzsuchende und begleitete sie und ihre Gastgeber.

Havelkaiser, Klimakaiser -  2019 initiierte Mathias Kaiser mit „Church for Future” ein Nachdenken über den Beitrag der Kirche zum Klimaschutz. Eine Aktionsgruppe entstand, die bei Freitagsdemos dabei war oder mit Zehntausenden Landwirten für die Agrarwende demonstrierte. Das fand auch mediale Aufmerksamkeit. Der SWR oder Domradio Köln klopften für Interviews an.

Havelkaiser, Jugendpfarrer

Besonders für die Arbeit mit Konfirmanden und Jugendlichen schlägt dein Herz, lieber Mathias. Als Kreisjugendpfarrer hast du viele Konfi-Camps geleitet und mit den Kolleginnen der AJAKS und aus dem Pfarrdienst Schüler-Projekttage zum Bußtag gestaltet, die ausstrahlten und auch die Bezirksstadträte zum Mitmachen motivierten. 

Und immer wieder Pilgerfahrten mit Jugendlichen: Nach Südfrankreich auf dem Jakobsweg, über die Alpen und in diesem Sommer nach Brüssel und in Großbritannien zum Thema Versöhnung.

Havelkaiser, Huth-Haus-Hüter.

In den letzten Jahren hat dich an der Seite von Heidi Wandrei und anderen Engagierten die Sanierung des historischen Fachwerkhauses in Atem gehalten. Bei der Einweihung dann hast du es öffentlich gemacht, dass du als Pfarrer nach Erfurt-Bischleben gehst. Viel Zuneigung und Abschiedsschmerz deiner Gemeinde lag da in der Luft – so wie heute. Du hattest ja immer schon gesagt: „Ich bin als Pfarrer 100% da, aber nicht für die Ewigkeit. Gatow ist kein Kaiserreich.“ Aber auch das hast du gesagt: „Gatow war für mich immer ein Freudeverstärker.“ Ich glaube, das beruhte auf Gegenseitigkeit.

Nun wird aus dem Havelkaiser ein Gerakaiser. 

Ja, denn die Gera ist der Fluss, der durch Erfurt fließt. Hätten Sie’s gewusst? Ich weiß jedenfalls: Die Kirchengemeinde Erfurt-Bischleben kann sich richtig freuen.  

Der Havelkaiser – dem Hauptdarsteller der beliebten Vorabendserie, Günter Pfitzmann zu Ehren, wurde in der Spandauer Wasserstadt 2006 eine Freifläche in „Havelkaiser-Platz“ getauft. Ob nach dem Gatower Havelkaiser auch einmal ein Platz benannt wird? Mal sehen …

Einen Platz in den Herzen der Gatower ist dir jedenfalls sicher, lieber Mathias. Hab Dank für dein segensreiches, quirliges, kreatives und begeisterndes Wirken in Gemeinde und Kirchenkreis!

Predigt von Superintendent Florian Kunz zur Verabschiedung von Mathias Kaiser

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