Spandauer Ehrennadel für drei Kirchenkreismitglieder

# Ehrenamt

Spandauer Ehrennadel für drei Kirchenkreismitglieder
Goldene Spandauer Ehrennadel

Die Spandauer Ehrennadel für herausragendes Engagement wurde am 23. November 2023 im Gotischen Saal der Zitadelle durch Bezirksbürgermeister Frank Bewig verliehen. Nach Laudationen und der Übergabe der goldenen Spandauer Ehrennadel verewigten sich die Preisträgerinnen und Preisträger im goldenen Buch Spandaus.

Drei der sieben Geehrten stammen aus dem Kirchenkreis Spandau: Michael Heyer gestaltet als Lektor Gottesdienste, ist im Gemeindekirchenrat Kladow und im Kreiskirchenrat engagiert. Margit Rehfeld und Klaus Will begleiten als ehrenamtliche Seelsorger Gefangene im offenen Vollzug.

Gratulation zu dieser höchst verdienten Auszeichnung und danke, dass ihr so ein Segen für unsere Kirche und den Bezirk seid!

Florian Kunz, Superintendent Kirchenkreis Spandau

Ein Ehrenamt ist nicht genug

Ein Gemeinwesen kann nur funktionieren, wenn Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Diese Erkenntnis führte mich zu unterschiedlichen ehrenamtlichen Aufgaben.

Nach unserem Umzug nach Kladow fand ich bald Aufgaben bei den Sportfreunden Kladow. Dieser Verein musste aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden. Ich war Vorstandsmitglied, übernahm später die Leitung der Fußballabteilung und einige Jahre später auch noch die Leitung der Tennisabteilung.

Unser damaliger Pfarrer Langner sprach mich 1995 an, ob ich nicht für den Gemeindekirchenrat (GKR) der evangelischen Kirchengemeinde Kladow kandidieren wolle. So bin ich inzwischen seit nunmehr 28 Jahren Mitglied des GKR.

2013/2014 nahm ich im Haus der Kirche an einem Lektorenkurs teil, der mich berechtigt, eigene Gottesdienste zu gestalten und zu leiten. Inzwischen sind es tatsächlich 30 Gottesdienste geworden. Dazu kommen zwei Trauerfeiern für ein Familienmitglied und für meinen ehemaligen Klassenlehrer auf dessen Wunsch.  Mein nächster Gottesdienst ist die Christvesper am Heiligen Abend um 18 Uhr in der Dorfkirche Kladow. Diese Aufgabe macht mir große Freude und erfüllt mich mit großer Demut.

Ich organisiere seit etlichen Jahren die jährliche Gemeindefahrt der beiden Kladower Gemeinden, die zum 1. Januar 2024 fusionieren werden. Zusätzlich wurde ich von der Kreissynode in den Kreiskirchenrat berufen.

Nach meinem Ruhestand im Jahre 2012 wurde ich für fünf Jahre Schöffe am Amtsgericht Moabit und Lesepate an der Grundschule am Amalienhof.         

Michael Heyer, Träger der Spandauer Ehrennadel 

Menschen am Rande begleiten 

Wir danken vor allem dem Bezirk für diese Ehrung, da auf diese Weise all die Menschen der Justizvollzugsanstalt mit ihren Lebensbrüchen ein wenig weg vom Rand unserer Gesellschaft in das Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt worden sind. 

Schwerpunkt unserer Arbeit in den Justizvollzugsanstalten (JVA) in der Kisselnallee und der Niederneuendorfer Allee bilden die Einzelgespräche mit den inhaftierten Menschen. Besonders in den ersten 12 bis 14 Wochen nach dem Haftantritt ist ihr Gesprächsbedarf immens.

Jeder Gefangene weiß, dass er eine „Probezeit“ absolvieren muss, in der entschieden wird, ob er im Offenen Vollzug bleiben darf oder in den geschlossenen Regelvollzug nach Tegel bzw. Heidering, der Haftanstalt in Brandenburg, gehen muss. Per Formblatt wird ihm mitgeteilt, dass diese Entscheidung innerhalb der nächsten 14 Tage gefällt werden wird. In der Praxis jedoch dauert dieser Vorgang üblicherweise etwa 12 bis 14 Wochen.

Diese Zeit der Ungewissheit wird verständlicherweise als sehr belastend von den inhaftierten Männern und ihren Angehörigen empfunden. Lange Gespräche, viel zuhören oder einfach nur da sein kann für die so stark verunsicherten Menschen eine große Hilfe sein, diese kritischen Wochen zu überstehen.

Oft ziehen in zwei Stunden Gespräch ein ganzes Leben mit seinen vielen Brüchen und mehr oder weniger gelingenden Versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, an uns vorbei. Dafür bieten wir jeden Mittwoch in einem eigens für uns von der Leitung der JVA des Offenen Vollzuges Berlin Hakenfelde zur Verfügung gestellten Raum Einzelgespräche an. Zusätzlich stehen wir nach vorheriger Vereinbarung auch an jedem anderen Wochentag für Gespräche zur Verfügung.

Fragen, die häufiger zur Sprache kommen, sind: Wie gehe ich mit meiner Schuld um? Was kann ich tun, um mit dieser Schuld zu leben? Wie erkläre ich meinen Kindern meinen Gefängnisaufenthalt? Gibt es für mich eine straffreie Zukunft? Was kann ich dafür tun? Immer bedeutsamer werden zudem religiöse Aspekte: Was sagt die Bibel oder der Koran zu meinem bisherigen Schuld behafteten Leben?

Auch ganz profane Ereignisse, wie Regelverstöße gegen die Hausordnung des Gefängnisses und die daraus folgenden Sanktionen, sind häufig Gegenstand unserer Gespräche. In solchen Fällen kann bei den Männern der Eindruck der Willkür und Ungerechtigkeit seitens der sie begleitenden Sozialarbeiter entstehen. Sie lösen schnell Resignation, Frust oder auch Aggressionen bei den Betroffenen aus. Waren sie es doch bisher gewöhnt, ihre Dinge selbständig zu entscheiden und zu regeln. Mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Fremdbestimmtheit müssen sie lernen umzugehen. Mit Informationen in oft langen Gesprächen versuchen wir zu helfen, indem wir bei ihnen um Verständnis für die neue Situation werben.

Mehr als Seelsorge und Zuhören

Häufig werden wir gebeten, abgebrochene oder schwierig gewordene Kontakte zu Familienangehörigen wiederherzustellen oder gar erst aufzunehmen. Selbstverständlich begleiten wir die inhaftierten Männer auf Wunsch zu Terminen, wie Gerichtsverhandlungen oder zu Terminen mit anderen Behörden.

Darüber hinaus suchen und pflegen wir den Kontakt mit den Vollzugsbeamten und den Beamten der sozialen Dienste in der JVA Hakenfelde. An dieser Stelle danken wir für die große Unterstützung unserer Arbeit durch die Leitung der Berliner Anstalten im Offenen Vollzug.

Unterstützt wird unsere Arbeit außerhalb des Gefängnisses von der Wichern-Radeland-Gemeinde. Sie beschäftigt nicht nur Männer der JVA mit der Pflege von Gebäuden und Gartenanlage, sie nimmt sie bei Interesse auch gern in ihren Gruppen auf und freut sich über sie als Gottesdienstbesucher.

Leider können wir nur dreimal im Jahr Gottesdienste für die Männer in der Anstalt anbieten, einen nachösterlichen, einen am zweiten Weihnachtsfeiertag für alle, die über die Weihnachtszeit in der Haftanstalt bleiben müssen. Für sie halten wir auch kleine Geschenke bereit, die die Wichern-Radeland-Gemeinde dankenswerterweise finanziert. Der dritte Gottesdienst findet unter Mitwirkung inhaftierter Männer meist im Oktober in der Kirche der Wichern-Radeland-Gemeinde statt.

An jedem letzten Mittwoch im Monat bieten wir zudem ein Kirchencafé mit Kaffee und Kuchen für alle anwesenden Männer an. Hier können sie untereinander oder auch mit uns zwanglose Gespräche führen, die nicht selten in tiefgehenden Seelsorgegespräche münden.

Mit einem lachenden Auge können wir sagen, dass wir uns sehr freuen, dass unsere Angebote in der Justizvollzuganstalt so gut angenommen werden. Mit einem weinenden Auge müssen wir dagegen feststellen, dass unsere Kapazitätsgrenzen inzwischen erreicht sind. Bestätigt fühlen wir uns in unserer Arbeit ebenso darin, dass Gefängnisleitung, Sozialarbeiter und Vollzugsbeamte unsere Tätigkeit dringend wünschen.

Letztlich können wir aber nicht zufrieden sein, denn wir müssten eigentlich mehr

  • Begleitung anbieten,
  • Kontakte mit den Angehörigen pflegen,
  • Gruppenangebote für Anstaltsbewohner machen,
  • Gottesdienste anbieten,
  • Kontakte zu Sozialarbeitern und Vollzugsbeamten pflegen 
  • und noch Vieles mehr.
Ein Wunsch für die Zukunft

Zu guter Letzt haben wir noch einen Wunsch an die Menschen im Kirchenkreis: Bitte betrachten Sie diese Seelsorgetätigkeit nicht als ein Privatissimum einiger Mitglieder in der Wichern-Radeland-Gemeinde. Sehen Sie diese Arbeit viel mehr als eine Aufgabe des gesamten Kirchenkreises ähnlich der Krankenseelsorge.

Da der Altersdurchschnitt der Seelsorgegruppe inzwischen eine kritische Höhe erreicht hat, wünschen wir uns, dass die Arbeit langfristig gesichert ist. Wir können uns vorstellen, dass künftig ehren- und hauptamtliche Seelsorger/innen gemeinsam in den beiden Haftanstalten unseres Kirchenkreises wirken, um in enger Verbindung mit dem Landespfarrer für Gefängnisseelsorge die Betreuung der Insassen zu gestalten.

Sollten wir Ihr Interesse oder Ihre Lust geweckt haben und Sie Zeit für dieses Engagement finden: Wir werden Sie mit weit geöffneten Armen begrüßen.

Klaus Will und Margit Rehfeldt

Auf der Seite vom Bezirksamt können Sie die unterhaltsamen Vorstellungen aller Geehrten nachlesen: www.berlin.de/ba-spandau/ueber-den-bezirk

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