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"Man kann es nicht leugnen, liebe Gemeinde, das Fest der Liebe ist vorbei. Der Weihnachtsbaum und die Krippe stehen hier zwar noch, aber die Geschenke sind alle ausgepackt, die Weihnachtsmärkte sind abgebaut und die Rauchschleier von Silvester haben sich auch verzogen. Und dann das jetzt: "Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!"
Ach – Liebe dann doch für das ganze Jahr, nicht mal nur so ein paar Tage lang? Und dann auch noch ALLES in Liebe! Wie soll das denn gehen?
Paulus hat das aufgeschrieben – in seinem ziemlich langen ersten Brief an die Gemeinde in Korinth. Er kommt zum Schluss. In Korinth hatte wohl einiges im Argen gelegen. Unterschiedliche Auffassungen waren aufeinander geprallt. Paulus hatte das Interesse, aber auch einige Mühe, sie aus der Ferne wieder zusammenzubringen. Am Ende seines Briefes daher noch einmal ausdrücklich die Aufforderung: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!"
Einige Kapitel zuvor hatte sich der Apostel ja ausführlich über die Liebe geäußert. Das berühmte 13. Kapitel aus dem 1. Korintherbrief mit diesem schönen Genitiv ist vielen von Ihnen vertraut: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und am Ende dann: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Die LIEBE! Wohlgemerkt: Nicht der Glaube – hätte man bei Paulus ja auch denken können – gerecht allein aus Glauben – nicht aus Liebe – legt er ja an anderer Stelle dar. Aber nein, die Liebe ist die größte unter ihnen – größer als Glaube und Hoffnung! Musste den Christenmenschen in Korinth wohl gesagt sein! Und deshalb am Ende dieses Briefes noch einmal: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!
Was Paulus damit im Sinn hat, was für ihn in diesem vielfältigen Begriff „Liebe“ steckt, beschreibt der Apostel auch ganz schön in diesem 13. Kapitel:
Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Die Liebe eifert nicht für den eigenen Standpunkt, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach. Sie ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit. Alles, was ihr tut, geschehe in dieser Liebe!
Das ist nun schon ganz schön lange her, dass Paulus Briefe geschrieben hat; die Welt hat sich gedreht; die Verhältnisse haben sich ziemlich geändert, ändern sich andauernd. Ich habe überlegt, wie das heute klingen könnte, was Paulus meinte. Und das ist mir eingefallen:
„All you need is love“ – das ist nun auch schon bald 60 Jahre her – aber ich fand frappierende Ähnlichkeiten mit dem erheblich älteren Paulus:
Es gibt nichts, was du tun kannst, das nicht getan werden kann.
Es gibt niemanden, den du retten kannst, der nicht gerettet werden kann.
Es gibt nichts, was du wissen kannst, das nicht gewusst werden kann.
Es gibt nichts, was du sehen kannst, das nicht gesehen werden kann. Es ist einfach. It’s easy!
Alles, was du brauchst, ist Liebe. ... All you need is love! ...
Seit 10 Jahren versuchen wir das nun, liebe Gemeinde, im fusionierten Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf. Wie schon damals in Korinth treffen dabei immer wieder auch unterschiedliche Auffassungen aufeinander. Aber es ist uns nicht ergangen wie den Geschwistern in Korinth: Wir brauchten die Erinnerung des Gründungsapostels gar nicht; wir sind auch so ganz gut und im paulinischen Sinne „liebevoll“ auf den gemeinsamen Weg gekommen. Und wir sind ihn entschlossen weitergegangen.
Ein paar Daten und Fakten zur Erinnerung:
Gestartet sind wir nach guten zweijährigen Vorarbeiten mit dem Neujahrsgottesdienst am 1.1. 2014 in der Auenkirche gemeinsam mit der Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein (von der ich herzlich grüßen darf) – erster Kirchenkreis mit zwei Superintendenten als Doppelspitze! – und ich fand, das war ziemlich spitze! Die erste gemeinsam gebildete Kreissynode trat dann im März 2014 zusammen und wählte den ersten gemeinsamen Kreiskirchenrat.
Im Juni 2015 ging der eine Superintendent, Harald Grün-Rath, in den Ruhestand – ein Superintendent blieb übrig – erfreulicherweise mit einer engagierten Stellvertreterin und vielen anderen engagierten und unterstützenden haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden.
Im März 2017 stand dann die (Wieder-)Wahl des Superintendenten an. Die Kreissynode machte mich zum ersten gewählten (!) Superintendenten des fusionierten Kirchenkreises Charlottenburg-Wilmersdorf – meine zweite Amtszeit begann am 1.1.2018. Sie dürfen jetzt also noch vier Jahre lang mit mir rechnen.
Ab März 2020 gab es dann wegen der Corona-Pandemie einen eher holprigen Übergang zum 2. Kreiskirchenrat: der 1. Kreiskirchenrat ging in die Verlängerung – die Konstituierung der 2. Kreissynode mit der Wahl des 2. Kreiskirchenrats konnte erst im November 2020 stattfinden.
Mittlerweile ist nun weit über die Hälfte der Amtszeit des 2. Kreiskirchenrates vergangen – die nächste neue (3.) Kreissynode wird sich, so Gott will, im Frühjahr 2026 konstituieren und den 3. Kreiskirchenrat wählen – und wird dann im Frühjahr 2027 meine Nachfolge regeln müssen. Wie das aussehen wird, in welchen Strukturen wir dann Evangelische Kirche in Charlottenburg-Wilmersdorf sein werden, das wissen wir heute noch nicht. Aber wir arbeiten daran schon seit einiger Zeit und werden das in den kommenden Monaten intensiv weiter tun.
Auch anderes hat es in den zehn Jahren gegeben: zwei Gemeindefusionen; die Gründung eines Kita-Verbandes; eine neue Struktur im Kirchlichen Verwaltungsamt mit der Gründung eines Immobilienwerkes – beides gemeinsam mit den Geschwistern in der Tempelhof-Schöneberger Nachbarschaft – aktuelle Fragen von Kirchenmitgliedschaft und Immobilienerhalt beschäftigen und zu allen Zeiten.
Mir liegt es am Herzen, diese Gelegenheit zu nutzen, um allen sehr herzlich Dank zu sagen, die in den zurückliegenden zehn Jahren das Werden der Evangelischen Kirche in Charlottenburg-Wilmersdorf mitgestaltet haben – durch berufliche Tätigkeit in den verschiedenen Arbeitsbereichen oder durch ehrenamtliches Engagement für den Kirchenkreis und seine Gemeinden und Einrichtungen.
Ich kann die alle gar nicht aufzählen – das würde jeden Rahmen sprengen – wir sind ja nur so geworden, weil so viele so engagiert und liebevoll mitgetan haben. Ohne sie alle wäre das Projekt Evangelische Kirche in Charlottenburg-Wilmersdorf nicht so gut geworden, wie es heute ist. Und wenn es nicht irgendwie komisch wäre, müssten Sie sich jetzt alle einmal kräftig dafür applaudieren! Ich sage jedenfalls: Herzlichen Dank!
Aber auch nach 10 Jahren bleibt noch einiges zu tun, um Kirche in Charlottenburg-Wilmersdorf zukunftsfähig zu machen. Da möchte der Hinweis von Paulus – übersetzt von den Beatles – eine gute Maßgabe sein. Alles, was wir dazu brauchen, ist Liebe. Liebe zu Gott, Liebe zu den Menschen – manchmal auch ein wenig Liebe zu den Strukturen und auf jeden Fall auch Liebe zu den Veränderungen!
Es ist ganz einfach – it’s easy! Wir müssen es einfach nur machen – also uns diese Haltung weiter zu eigen machen:
Alles, was du brauchst, ist Liebe!
Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Die Liebe eifert nicht für den eigenen Standpunkt, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. ... Sie ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit.
It’s easy! So einfach ist es:
In allen Diskussionen und Entscheidungen, die anstehen:
Es gibt nichts, was du tun kannst, das nicht getan werden kann.
Einfach mal machen – kann ja gut werden!
Nicht schadenfroh, wenn mal was nicht gleich gelingt oder auch richtig schief geht – auch Fehler machen gehört mit dazu auf der Suche nach der Wahrheit.
Und das Ende der Kirche ist entgegen allen Unkenrufen noch nicht gekommen und wird auch nicht kommen – das glaube ich fest – und an der Zukunft der Kirche (zumindest in Charlottenburg-Wilmersdorf) werden wir weiter mitarbeiten.
Gestartet waren wir ja – Sie erinnern sich gewiss – mit der Jahreslosung 2014 aus Psalm 73 „Gott nahe zu sein ist mein Glück!“. In kreativ-liebevollem Wegesuchen sind wir einander und Gott nahegekommen, sind immer mehr davon überzeugt, dass Gott auch unter uns in Charlottenburg-Wilmersdorf wohnt und wohnen bleibt – und dass wir Gott an ganz unterschiedlichen Stellen entdecken können.
Dafür können wir gar nichts machen. Gott ist einfach da – mitten unter uns, als Mensch unter Menschen – das haben wir ja gerade an Weihnachten, diesem Fest der Liebe, gefeiert. Und immer deutlicher wird dabei, dass Gott gar nicht nur an den Orten wohnt, die wir so lange gewohnt sind: in Kirchen, Gemeindehäusern, Jugendkellern oder Seniorencafés... Es gibt so viele Orte, an denen Gott wohnt, weil dort die Liebe wohnt, weil Menschen dort im Sinne von Paulus (oder der Beatles) Gott liebevoll ein Zuhause geben – durch Geduld und Freundlichkeit, durch Kompromissbereitschaft und Freude an der Wahrheit – und mit der Überzeugung: Es gibt nichts, was du tun kannst, das nicht getan werden kann!
Das wird weitergehen, liebe Gemeinde, auch in all den Herausforderungen, die nicht kleiner werden. Dessen bin ich mir ja sicher: Dass die Herausforderungen nicht kleiner werden und, dass das Engagement für Kirche in Charlottenburg-Wilmersdorf in einem guten Miteinander der Verantwortung Tragenden weitergehen wird. Immer alles in Liebe, gewiss – denn wo die Liebe wohnt, da ist Gott zuhause. Das ist unser Glück – und sicher werden wir Gott auch in den nächsten Jahren gerne weiter ein gutes Zuhause in Charlottenburg-Wilmersdorf bieten: an ganz unterschiedlichen kirchlichen Orten – in Kirchen und Gemeindehäusern, in Schulen, in Kitas, in diakonische Einrichtungen, auf der Wilmersdorfer Straße, am Ku-Damm, auf Wochenmärkten und Straßenfesten, mit dem Weihnachtsbus unterwegs im Bezirk und an vielen anderen Orten mehr. Denn wo die Liebe wohnt, da ist unser Gott!
Und für die, die nun gar nicht so viel mit dem Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf verbindet, hätte ich zum Schluss noch meinen Lieblingssatz des vergangenen Jahres als Motto für das neue Jahr. Margot Friedländer hat ihn gesagt, nach dem 7. Oktober, die 102-jährige Holocaustüberlebende und Berliner Ehrenbürgerin:
„Es gibt kein christliches, muslimisches, jüdisches Blut. (...) Wir sind Menschen, nichts anderes. Seid doch Menschen!“
So sei es! Amen."
Superintendent Carsten Bolz
1. Januar 2024