Einige Zeit, bevor Sr. Waltrudis und ihre Mitschwestern auf den Arenberg zurück kehrten, gewährte die damalige Oberin des Michendorfer Konvents Einblicke in ihren persönlichen Werdegang und in das Miteinander mit Mitschwestern und Gemeinde St. Cäcilia.
Schwester M. Waltrudis, Oberin des Konvents der Dominikanerinnen in Michendorf, hat sich Zeit genommen und sich zu einem ausführlichen Interview zur Verfügung gestellt.
Schwester M. Waltrudis, wir kennen Sie und Ihre Mitschwestern schlicht als „unsere“ Dominikanerinnen. Wie aber heißt Ihr Orden genau?
Schwester M. Waltrudis: Wir sind Arenberger Dominikanerinnen vom Dritten Orden des Heiligen Dominikus und Schwestern der heiligen Katharina von Siena. Der erste Orden ist der Männerorden, der zweite der beschauliche und der dritte, das sind wir, das ist der tätigbeschauliche Orden.
Tätig – Beschaulich: Wie darf ich mir das vorstellen?
Wir als tätig-beschauliche sind neben den betenden Aufgaben sozial tätig etwa in der Krankenpflege oder wie hier in Michendorf in der Fürsorge für Menschen mit Behinderungen. Und das ist eben der Spagat, das Gleichgewicht zu halten zwischen beschaulich- also betend- und tätig. Es gibt dafür auch Regeln, die den Tag strukturieren, aber jede Einzelne muss auch ihr Maß finden.
Wenn Ihnen das nun nicht zu persönlich wird, dann bin ich natürlich interessiert, warum Sie sich gerade für diesen Orden entschieden haben. Die erste Entscheidung ist ja, Nonne werden zu wollen, die weitere aber, zu sagen, ich fühle mich berufen gerade tätig-beschauliche Dominikanerin zu werden.
Da kann ich nur sagen: ich wusste überhaupt nicht, wo ich hin sollte. Ich wusste, ich muss Schwester werden. Irgendwie war da so das Gefühl, ich will Gott gehören. Aber wohin? Da habe ich mir keine Gedanken gemacht.
Fangen wir mal vorne an. Wie kommt man auf die Idee: „Ich will Gott gehören.“?
Ich stamme eigentlich aus keiner besonders frommen Familie, sonntäglicher Kirchgang, Tischgebet, das war es. Allerdings eine schöne katholische Jugendgemeinschaft, da waren wir immer um Kirche. Und irgendwann habe ich angefangen, nach meinen Diensten als Säuglingsschwester die Heilige Messe zu besuchen. Eines Tages habe ich plötzlich gewusst, das, was da verkündet wird, was da passiert, das stimmt alles, das ist Wahrheit. Das war für mich so ein Knackpunkt. Bald darauf wusste ich, ich will Gott gehören, ich will ins Kloster, diesen Gedanken habe ich ungefähr zwei Jahre in mir getragen. Ich war 21 Jahre alt, also durchaus in der Lage, die Reichweite dieser Entscheidung zu erfassen, als ich mich endgültig entschied. Das zog und lockte so, dass ich sagte, soll Gott mit mir machen, was er will. Aber die Frage, wohin genau? Und dann geschah etwas, was mich immer wieder bestärkte, der Weg war richtig. Ganz unvermittelt und spontan, für mich selbst überraschend, kündigte ich meine Arbeit auf der Säuglingsstation, ging nach Hause, meine Mutter war ganz entsetzt „Du weißt doch noch gar nicht, wohin!“, ich war aber ganz ruhig und voller Vertrauen, dass sich alles findet. Und am nächsten Tag berichtete die Kirchenzeitung: Gestern, also am Tag meiner spontanen Kündigung, war der Tag des Hl. Dominikus. Das war für mich der Anruf, ich wusste, da gehe ich hin.
Einfach angerufen und eingecheckt?
Meine Mutter respektierte zwar meine Wünsche. Damit ich aber merke, ob und wie ernst es mir ist, musste ich alle Schritte ganz alleine unternehmen, alleine Kontakt aufnehmen, alleine hierher nach Michendorf ins Noviziat fahren, mich vorstellen, eben alles alleine, was mir wirklich sehr schwer gefallen ist. Und weil das alles so lief, so gut ineinandergriff, wusste ich: Das ist richtig. Und doch kam immer wieder das Schaukeln, die Frage „Bist du richtig?“ Und dann habe ich gesagt: „Herr, wenn Du mich hier willst, dann halt mich fest und wenn Du mich nicht willst, dann schick mich wieder nach Hause.“ Hat er nicht gemacht.
Also, ein Schaukeln gibt es auch für eine Schwester des Heiligen Dominikus. Ist es die Frage: „Bin ich richtig?“ oder ist es ein Schaukeln am Glauben?
Nein, am Glauben nicht. Einfach die Frage, ob es mein Weg ist. Wir haben aber viel Zeit, diese Frage zu bedenken: ich bin im Januar 1965 eingetreten und habe im September 1972 „ewig“ gemacht, also die Zeit hatte ich zur Entscheidungsfindung. Dann war ich 31 Jahre alt und gefestigt. Dann aber begann auch eine schwere Zeit. Ich wurde versetzt ins Kinderheim nach Oranienburg.
Hier kommen wir zu einer Sache, die mir wirklich Kopfzerbrechen macht. Sie sind ja gehorsam. Wie ist das mit diesem Gehorsam?
Der Gehorsam an und für sich fällt mir nicht so schwer, man kann immer nachfragen, man kann seine Bedenken äußern. Aber so eine Versetzung, das ist dann schon schwer. Doch auch in dieser Zeit habe ich Unterstützung erfahren von der ehemaligen Novizenmeisterin, vom Orden, von Mitschwestern. Und dann wurden es wunderbare Jahre in Oranienburg. Als wir weggingen, war ich älter und gewachsen an dieser Erfahrung, da habe ich wirklich ernsthaft sagen können, ich gehe dahin, wo ich hin soll, da war der Gehorsam nicht mehr schwer. Ich wusste nun, Gott mutet mir das zu, das ist mein Kreuz, meine Aufgabe. In schwierigen Situationen weiß ich: „Herr, Du hast mich nie im Stich gelassen, Du warst immer dabei.“ Und so habe ich die verschiedenen Aufgaben angenommen bis heute als Oberin unseres Konventes und Ratschwester des Ordens.
Konvent ist das Stichwort. Kehren wir zum Heute und zum Leben hier im Konvent zurück. Nachdem hier zeitweilig bis zu vierzig Schwestern gelebt haben, sind Sie heute noch zu sechst. Sie alle hier 16 sind inzwischen im Rentenalter und nicht mehr im pflegenden Dienst. Wie ist nun Ihr Tag strukturiert?
Übernommen von den Beschaulichen haben wir das Beten von Laudes, Mittagshore, Vesper, Komplet, Rosenkranz, Schriftlesung und Betrachtung. Dazu auch das Stillschweigen! Nicht mehr das Große Stillschweigen über den ganzen Tag, aber durchaus bei Tischzeiten und auch verschiedentlich im Tageslauf soll nicht gesprochen werden. Wo es aber nötig ist, um Dinge abzusprechen und zu klären, da kann gesprochen werden. Das hat sich im Laufe der Jahre gelockert. Nun, wir stehen früh auf, dann muss jeder seine Betrachtung halten. Ich nehme mir die Bibel oder ein anderes frommes Buch, ein Schriftstück und meditiere, betrachte. Was kann der Text für mich bedeuten? Diese Zeit am Morgen ist so schön, diese Ruhe und dann eine schöne Schriftstelle: Was sagt mir das, was kann ich damit anfangen, was kann ich davon lernen?
Können Sie heute nach so vielen Jahren Bibelstudium, nach so vielen Jahren in Gottes Dienst noch etwas lernen?
Oh ja. Da gibt es immer noch neue Impulse, plötzlich ein neuer Gedanke: Wie liebt Jesus mich? Setzen Sie doch mal bei 1 Kor. 13 an die Stelle von „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig …“ Jesus ein: Jesus ist langmütig, … Das eröffnet einen neuen Blickwinkel. Da gibt es viele Möglichkeiten, Neues zu lernen. Und dann sind da ja auch noch die Fehler, aus denen ich lernen kann. Es ist eben unser Auftrag zu reflektieren, nachzudenken über unser Handeln, uns zu hinter- 17 fragen in unseren Motiven. Wir müssen uns auch gegenseitig korrigieren, aber nicht beschämen, wir müssen uns auf dem Weg halten. Den richtigen Ton, das richtige Wort zu finden, dazu braucht es Reflektion und Nachdenken.
Wie geht es nach der Betrachtung nun weiter?
Um 7 Uhr kommt die Laudes, das Morgengebet in Gemeinschaft in der kleinen Kapelle hier im Haus. Schwester Elisabeth leitet als Kantorin an. Anschließend folgt die Heilige Messe; heutzutage fahren wir dazu schon auch nach Wilhelmshorst. Eigentlich sollen wir ja täglich die Heilige Messe feiern. Erst nach der Heiligen Messe ist Zeit für das gemeinschaftliche Frühstück. Freitags aber ist Ausschlaftag, die Gemeinschaft beginnt erst mit dem Mittagessen und wir besuchen die Abendmesse in Babelsberg. Zum Frühstück ist meist Lesung bei Tisch, Schwester Ute hat das übernommen; manchmal hören wir auch Musik oder Predigten. Meist ist Schweigen, das kann die Oberin aber brechen und Gespräch erlauben. Und auch zum Mittagessen oder Abendbrot ist Schweigen, so im Wechsel. Nach dem Frühstück erledigen wir die Hausarbeit und das Tagesgeschäft. Um 11:15 Uhr beten wir dann die Mittags-Hore, die drei möglichen Horen Terz, Sext und Non beten wir im Wechsel immer nur mittags. Auch der Nachmittag ist ausgefüllt mit Hausarbeit, Besuchen, Einkäufen, Arztbesuchen. Wir kümmern uns ja auch selbst um alle Mahlzeiten außer Mittagessen. Um 18 Uhr ist Vesper, nach dem Abendbrot die Komplet.
Sie, der ganze Konvent, sind fester Bestandteil des Gemeindelebens hier in St. Cäcilia. Ist das typisch für Arenberger Dominikanerinnen oder typisch für Sie?
Das ist so gewachsen durch die räumliche Situation, weil wir halt hier mitten in der Gemeinde sind. Erst war St. Josef ja die Schwesternkapelle und die Leute mussten nach Beelitz, da war die Pfarrei. Und dann haben die Leute gefragt, ob sie hier in die Messe kommen dürfen. Da hat die Oberin gesagt, ja, wenn sie die Schwestern nicht beim Beten stören. Und heute feiern wir alle Feste, alle Feiertage gemeinsam. Das ist ebenso unser Leben. Wir gehören ja ganz und gar dazu. Das dürfen wir. Das kann auch anders sein, aber wir gehören einfach mit dazu. Wir wissen ja, irgendwann gehen wir. Wahrscheinlich 2020, dann braucht das Norberthaus den Platz, denen sitzen die Behörden im Nacken. Ja, es tut weh. Aber wir wissen, dass es hier in St. Cäcilia weiterlaufen wird. Wir hinterlassen ja nichts, was nicht ohne uns auskommt. Die Gemeinde ist eigentlich so toll, so selbständig mit allem Drum und Dran, da können wir ruhig gehen, das ist nicht so schlimm. Ja, es wird schwer werden auch für uns. Aber wir müssen uns damit abfinden, wir haben es ja einmal versprochen, dass wir dahin gehen, wo wir hingestellt werden.
Für St. Cäcilia sind Sie also zuversichtlich. Sie nehmen aktiven Anteil auch an der Kirche auf dem Pastoralen Weg „Wo Glauben Raum gewinnt“. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Nun, es geht ja nicht anders. Der Priestermangel erfordert Maßnahmen. Wir als Orden müssen Häuser schließen; Gemeinden kann man nicht schließen, da muss man sich eben was einfallen lassen. In Zukunft sieht vielleicht alles anders aus, als wir es bisher gewohnt sind; aber eins weiß ich bestimmt: Gott lässt sich seine Kirche nicht aus der Hand nehmen.
Schwester M. Waltrudis, bei allen Pflichten, Aufgaben, bei all der Reflektion und Nachdenklichkeit; Sie kommen einem immer fröhlich entgegen.
Ja, ich bin der grundfröhliche Typ. Das ist einfach ein Geschenk. Und ich bin im Grunde genommen eben total glücklich. Das ist das Schönste an dem ganzen Laden. Das ist wunderbar.
Das ganze Interview auch mit Bildern finden Sie auch hier: https://api2.churchdesk.com/fi...