
Erwartungsvoll haben sich 12 Personen aus den Gemeinden Haselhorst und Siemensstadt (Region Ost) sowie dem Kirchenkreis versammelt. Nicht minder gespannt sind die drei Vertreterinnen vom Architektur- und Stadtforschungsbüro subsolar*, die das Pilotspiel Kirchland vorbereitet haben. Die Vertreter:innen der Weihnachtskirche sind trotz Gastgeberrolle in der Minderheit. Andere Regionen schaffen da hoffentlich eine bessere Verteilung, um die Interessen ausgewogen zu vertreten.

Auf dem Tisch ist ein Stadtplan mit den Umrissen der Gebäude, Straßen und Gewässer der Region Ost ausgebreitet. Kleine Pyramiden und Quader mit Fähnchen markieren die Standorte der Kirchen, Kitas und sonstiger Gemeindeorte. Daneben liegen Stapel farbiger Karten mit unterschiedlichen Symbolen.
Am Nachbartisch stehen Snacks und Getränke bereit. Alles sieht nach einem gemütlichen Spieleabend aus. Und das soll es sein: eine spielerische Annäherung an das schwierige Thema Immobilienentwicklung und die Frage, welche Zukunft die Gebäude der Gemeinden haben. Wie könnten die einzelnen Gebäude im Jahr 2035 genutzt sein? Für die Gemeinde, in Kooperation mit anderen kirchlichen Organisationen wie der Diakonie oder vielleicht auch gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Vereinen? Und was bedeuten solche Nutzungsideen konkret für weitere Gebäudeplanungen?
Um es vorweg zu nehmen: Die Teilnehmenden hatten Spaß und lobten neben einigen Kritikpunkten die leichte, spielerische Herangehensweise an ein komplexes Thema, die bei aller Leichtigkeit spannende, zukunftsweisende Ergebnisse möglich macht. „Es kommt etwas dabei raus“, wie es ein Teilnehmer am Ende zufrieden formulierte.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde geht es in die erste Runde: Jede und jeder bekommt die Aufgabe, sich mit einem Standort seiner bzw. ihrer Wahl zu beschäftigen. Sei es ein Blick in die Glaskugel: Was könnte hier in 10 Jahren passieren, wer geht dort ein und aus, was machen die Menschen dort? Andere dürfen sich von einer Fee etwas für ein Gebäude wünschen, unabhängig von Zeit und Geld. Und zwei Spielerinnen haben die Chance eine radikale Transformation, etwas völlig Neues für die gewählte Immobilie vorzuschlagen.
Beim Träumen werden Hindernisse überwunden und mutig Ideen produziert. Dabei ist es nicht für alle so einfach, sich innerlich von der Jetzt-Situation zu lösen und sich in eine entfernte Zukunft zu denken. Aber bei den kurzen Geschichten, die dann reihum erzählt werden, ist zu merken, vielfach passiert etwas in den Köpfen!
In der zweiten Runde wird es konkreter. Zweier-Gruppen, die jeweils aus Vertreter:innen beider Gemeinden bzw. dem Kirchenkreis bestehen, tauschen sich über einen zugeteilten Standort aus: Wie könnte eine konkrete Nutzung – inspiriert von Ideen der ersten Runde – aussehen? Auf Karten stehen mögliche Strategien zur Wahl: Kooperieren, Kombinieren, Spezialisieren, Verlagern, Umnutzen, Kultivieren. Für weitere Ideen gibt es eine Joker-Karte.
Intensiv wird debattiert, zum Beispiel mit wem ließe sich kooperieren, wie können Gebäude umgenutzt werden, welche Besonderheit sollte stärker zum Tragen kommen oder was funktioniert eigentlich schon ganz gut?
In der anschließenden Austauschrunde werden vielfältige Nutzungen vorgeschlagen. Für die beiden Kirchen wird hoffnungsvoll auf das Kultivieren des Bestehenden gesetzt: Die Weihnachtskirche als Gemeindezentrum sowie Café und die Christophoruskirche als Festkirche für Hochzeiten und Taufen. Das Jugendhaus Chris in Siemensstadt, so die Idee, ließe sich als aktives Mehrgenerationen-Haus umnutzen und mit Kooperationspartner:innen betreiben.
Der „Dritte Ort“ HeimatHavel wiederum ist bereits als Begegnungs- und Erprobungsraum angelegt. Und das seit Kurzem zu Siemensstadt gehörende Bootshaus soll sich gemäß den Wünschen der Erblasserin auf Angebote für Kinder und Jugendliche spezialisieren. Ein Sport- und Begegnungshaus würde dem Wunsch entsprechen.

Dann gilt es, sich mit der baulichen Umsetzung zu beschäftigen. Wieder regen verschiedene Strategien an: Ertüchtigen, reparieren, sanieren, anbauen, umbauen, teilen, verwerten. Ist es mit einer Sanierung getan oder braucht es einen Umbau? Lassen sich Räume vermieten oder teilen? Bei dieser Runde ist vorhandenes Fachwissen zu den einzelnen Gebäuden wichtig. Die vorherige Versendung oder das Bereitlegen entsprechender Unterlagen hätte geholfen – eine Erkenntnis, die es bei weiteren Workshops in anderen Regionen zu beherzigen gilt.
Dank der Spezialist:innen aus den Gemeinden gelingt es die Aufgabe zu meistern: Die Löcher im Dach des Gemeindesaals der Weihnachtskirche und eine Solaranlage sind ein Reparatur- bzw. Sanierungsfall. In der Christophoruskirche müsste eine Teilung zum Wohn- bzw. Gemeindegebäude erfolgen. Das Jugendhaus würde einen Anbau erhalten und müsste saniert werden. Dem Bootshaus samt dem Gelände stünde ein großer Umbau bevor, ehe hier Jugendgruppen übernachten können. Um die Gemeinde nicht zu überfordern braucht es dazu vermutlich eine Kooperation mit einer anderen starken Organisation wie etwa dem Sportbund. Der angemietete Laden HeimatHavel dagegen ist schon fast fertig und bedarf keiner großen Investitionen.

Wurden in den ersten beiden Runden alle Standorte für sich betrachtet wird in der dritten Runde klar, dass nicht alle Pläne sofort und parallel umsetzbar sind. Die Ressourcen sind begrenzt. Per Abstimmung schätzen alle Teilnehmenden den Umfang an benötigten Geld, Zeit und Wissen pro Standort ein.
Am Ende des Prozesses müssen sich die einzelnen Ideen in die Regionenbildung einfügen: „Was könnte es heißen, Kirche hier in der Region zu sein?“ Das konnte mit diesem ersten Aufschlag nicht erreicht werden. Den Prozess in Stufen durchzugehen ist dennoch hilfreich, um sich erst mal einen Überblick zu verschaffen: „Denn oft fehlt ein Gesamtblick. Was es jetzt noch bräuchte sind Kriterien, nach denen Entscheidungen getroffen und Prioritäten gesetzt werden.“
Die Einsicht, die Region im Kleinen und Großen mitzudenken, ist bei den Teilnehmenden da. Dadurch lösen sich die Herausforderungen, etwa die Entfernung zwischen den Gemeinden oder eine Reduzierung des klassischen Angebots, um Kapazitäten für Anderes zu gewinnen, nicht in Luft auf - aber es ist deutlich, dass dafür ein gemeinsames Vorgehen sinnvoll ist. So lauten Äußerungen aus der Gruppe: „Differenziert nicht nach Zielgruppen, sondern nach Themen und Inhalten. Spielt also nicht die Seniorenarbeit gegen Jugendliche aus, sondern macht Angebote, die für beide attraktiv sind.“ „Jetzt haben wir die Chance etwas Neues zu schaffen – solange es Ressourcen gibt – und nicht in Schönheit zu sterben.“ „Bei Themen, die in beiden Gemeinden vorkommen, können wir Synergien schaffen.“
Dazu muss es weitergehen. Nur wie? Es bräuchte eine kleine Steuerungsgruppe, zusammengesetzt aus Interessierten beider Gemeinden, um den begonnenen Weg kreativ und kraftvoll weiter zu gehen. Hier bekunden die meisten Teilnehmenden ernüchtert, dass sie dafür bei sich selber zurzeit keine Kapazitäten sehen.
An dieser Stelle bietet der Kirchenkreis Unterstützung an: Gemeinsam mit der Gemeindeberaterin Kerstin Engelhardt zu überlegen, wo lassen sich gegenwärtig Aufgaben vereinfachen, reduzieren, zusammenlegen oder für eine begrenzte Zeit aussetzen? Sodass Zeit und Ressourcen für ein Engagement in der Steuerungsgruppe frei werden.
Darüber hinaus könnten die Gemeinden einen zweiten Workshop mit Subsolar* durchführen, um die Gebäudefragen weiter zu konkretisieren; auch unter dem Aspekt, bei welchem Gebäude dringender Handlungsbedarf besteht, beispielsweise aufgrund von Schäden oder weil die bestehende Nutzung zu teuer geworden ist – für solch einen Folgeworkshop müssten die Gemeinden die Kosten allerdings selber tragen bzw. könnten sich einen finanziellen Zuschuss über die EKBO besorgen. Weitergehen wird es jedenfalls.
Bettina Kammer war als Beobachterin gekommen und am Ende voll involviert in die Bootshausgestaltung. Ein Hinweis: Die genannten Beispiele wurden von der Autorin willkürlich aus der Vielzahl der geäußerten Ideen gewählt.
Auf der Kreissynode im Herbst 2023 hat der Kreiskirchenrat vorgeschlagen, im Jahr 2024 Zukunftswerkstätten in den Regionen durchzuführen. Diese Workshops fördert der Kirchenkreis mit bis zu 2.000 Euro pro Region. Am Ende soll jeweils ein regionales Gebäudeentwicklungskonzept mit einem konkreten Maßnahmenkatalog entstehen.