
Ein Gedicht der Lyrikerin Rose Ausländer beginnt mit den Worten: „Vergesset nicht Freunde, wir reisen gemeinsam …“
Nur gemeinsam geht’s – ob auf der persönlichen Lebensreise oder im Zusammenleben in unserem Bezirk. Wir reisen gemeinsam. Die Strategie von Rassisten ist es das Gemeinsame auszuhöhlen, zu spalten, Hass zu säen, Verfeindung zu betreiben: Wir und die anderen – das ist ihr Motto.
Da überlegten Rechtsradikale in einer Villa in Potsdam, wer deutsch genug ist um hier zu bleiben und wer abgeschoben wird, sollten sie an die Macht kommen …
Da wurden nach dem 8. Oktober die Haustüren und Klingelschilder jüdischer Menschen mit Davidsternen „markiert“.
Immer wieder wurden Gedenkorte jüdischen Lebens in unserem Bezirk beschmiert.
Immer wieder wurden Menschen muslimischen Glaubens in unserer Stadt auf offener Straße angepöbelt, bedroht, bespuckt.
Und immer wieder kommen Menschen mit den kleinen, unterschwelligen Formen des Rassismus in Berührung, den verdeckten gemeinen Techniken der Ausgrenzung bei der Wohnungssuche, bei der Bewerbung, im Sportverein, im Restaurant …
All das ist Realität in unserer Stadt und das ist unerträglich. Aber auch das ist Realität – und das macht mir Mut – in den vergangenen Monaten sind so viele Menschen auf die Straße gegangen, wie schon lange nicht mehr, haben ein starkes Zeichen gesetzt gegen Rassismus und für Vielfalt und Demokratie. Brandmauern – ob vor dem Bundestag oder in Kladow. Und mir macht Mut, dass wir eine starke Zivilgesellschaft in Spandau haben, ein breit aufgestelltes Netzwerk für Demokratie, einen Schulterschluss aller demokratischen Parteien und Religionen. Wir sind mehr, wir sind bunt, wir reisen gemeinsam.
Diese Sichtbarkeit ist so wichtig, aber sie reicht noch nicht. Wir müssen auch mit denen im Gespräch bleiben, die sich abgehängt fühlen und anfällig sind für die einfachen Antworten und Schuldzuweisungen, die ihnen Rassisten anbieten. Wir müssen reden – in der Familie im Verein, in der Gemeinde. Und wir müssen denen beistehen, die bedroht werden, weil sie vermeintlich anders aussehen, anders denken, anders glauben oder anders lieben. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Hass Räume, Sprache und Debatten besetzt. Das wichtigste Mittel dabei: Mitmenschlichkeit, oder religiös gesprochen „Nächstenliebe“, sich nicht vereinzeln lassen, sondern zusammenstehen. Denn:
Vergesst nicht Freunde, wir reisen gemeinsam
besteigen Berge, pflücken Himbeeren
lassen uns tragen, von den vier Winden
Vergesset nicht, es ist unsre gemeinsame Welt
die ungeteilte, ach die geteilte
die uns aufblühen lässt, die uns vernichtet
diese zerrissene, ungeteilte Erde
auf der wir, gemeinsam reisen”
Also: Vergesst nicht Freunde, Nie wieder ist jetzt, Hass hat keine Zukunft, Spandau bleibt bunt, wir reisen gemeinsam.
Florian Kunz, Superintendent Kirchenkreis Spandau
Die Rede hielt Kunz auf der Kundgebung zum Internationalen Tag gegen Rassismus „Menschenrechte für alle!“ am 21. März 2024 vor dem Spandauer Rathaus.
In der Einladung hieß es:
Auch mehr als 75 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist ihre Einhaltung nicht selbstverständlich. Am Internationalen Tag gegen Rassismus wollen wir gemeinsam ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt setzen. Lasst uns den Blick auf das werfen, das uns vereint!
Gemeinsam mit Netzwerkpartnern lädt die Stabsstelle Integration des Bezirksamts Spandau dazu ein, gemeinsam gegen Rassismus einzutreten. Mit politisch Aktiven, Initiativen, Projekten und Engagierten aus Spandau stehen wir 100 Prozent für „Menschenrechte für alle!“.
Aktive greifen an diesem Tag zum Mikrofon und zeigen Haltung. Gemeinsam treten wir ein für die Überwindung von rassistischer Diskriminierung.
Kommt vorbei und bekennt Farbe für Menschenrechte! Spandau ist bunt, Spandau ist vielfältig – nicht nur am 21.03.2024!