
„Mach`s wie Gott, werde Mensch“, so lautet der Titel eines Buches des früheren Bischofs von Limburg, Franz Kamphaus. Auch in Weihnachtspredigten hört man das immer mal wieder: „Mach`s wie Gott, werde Mensch.“
Mich erinnerten jetzt Worte der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer an diesen Satz. In diesem Jahr am 26.01. war in den Tagesthemen ein Interview mit der inzwischen 102-Jährigen zu sehen. Angesprochen auf den weltweit zunehmenden Antisemitismus sagte sie dort:
„Ihr braucht zu viele Worte dafür – braucht weniger Worte. Meine Mission ist: Ich sage, seid Menschen. Wir sind alle gleich. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Alles ist gleich. Wenn ihr Menschen seid, dann werdet ihr wissen, dass ein Mensch so was nicht machen würde.“*
Die Botschaft ist klar: Hass und Hetze, Gewalt und Grausamkeiten entmenschlichen – und zwar zuerst und besonders jene, die solche schrecklichen Taten begehen.
Wer andere entwürdigt, sie quält und ermordet, der beraubt sich selbst seiner Würde, seines eigenen Mensch-Seins.
Was es demgegenüber bedeutet, ein Mensch zu sein, das zeigt uns Gott, indem er uns in dem Menschen Jesus begegnet.
„Genauso, wie ihr behandelt werden wollt, behandelt auch die anderen!“ (Mt 7,12) So fasst Jesus zusammen, was Menschsein meint. Den anderen als gleichwertig ansehen und sich in ihn hineinversetzen. Sich selbst in ihm wiederfinden und sich ihm mitfühlend und helfend zuwenden. Jesus, der Rabbi aus Nazareth, hat dies gelebt. Damit ist er zur Zielscheibe derjenigen geworden, die über Leichen gehen, wenn es um Macht und Geld geht.
So endet er schließlich auf Golgatha am Kreuz. Zu Unrecht verfolgt und verurteilt. Verleumdet und verhöhnt. Misshandelt und zu Tode gemartert. Zurückblickend mag es verwundern, dass es so lange gedauert hat, bis es dazu kam. Schon kurz nach seiner Geburt will der König Herodes bereits seinen Tod. Aus dem Stall von Bethlehem retten seine Eltern sich mit ihm nach Ägypten, wo sie für einige Zeit als Flüchtlinge leben.
Auch das gehört zum Menschsein, gefährdet und verletzlich zu sein. Mit begrenzten Möglichkeiten und einem endlichen Dasein. Ebenso gehört es zum Menschsein, zu lieben und zu vertrauen.
Weil sie ihr Kind liebten und Gott vertrauten, konnten Maria und Josef Jesus vor dem Tod retten. Weil Jesus die Menschen liebte und sein Schicksal Gott anvertraute, wurde sein Ende zu einem Neubeginn. Gott erweckte ihn an Ostern zu einem neuen, einem unvergänglichen Leben.
Das ist der Weg zum Leben, für den Gott sich entschieden hat: In das hilflose Kind in der Krippe legte er seine Liebe. In dem verletzlichen Mann Jesus stellte er sich an unsere Seite. So kam Gott uns ganz nahe. Teilte unser Menschsein.
Anstelle die Welt mit Gewalt zu verändern, vertraute Gott uns seine Liebe an. Deshalb können und sollen wir Menschen sein. Menschen, die ihr Bestes geben, für die Liebe. Die eintreten für ein Leben für alle in Würde und Freiheit. Wohlwissend, dass unser Bestes immer nur bruchstückhaft sein kann - und auch sein darf.
Denn Gott sei Dank sorgt Gott immer wieder selbst dafür, dass die Liebe das Böse überwindet und das Leben über den Tod siegt.
Ihre Pfarrerin
Sonja Spenner-Feistauer