Der Gottesdienst
Der reformierte Gottesdienst ist einfach und schlicht. Im Unterschied zur lutherischen Messfeier gibt es keinen Wechselgesang zu Beginn, keine übernommenen Liturgiestücke, die man irgendwann einmal gelernt haben muss, um sie zu verstehen. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Predigt, denn im reformierten Gottesdienst dreht sich alles um die Verkündigung des Evangeliums, welches uns in den Texten des Alten und Neuen Testaments begegnet.
Taufe und Abendmahl
Reformierte Christen verstehen die Sakramente Taufe und Abendmahl als "Wahrzeichen und Siegel" Gottes. In ihnen vergewissert sich die Gemeinde der Gemeinschaft mit Gott und der Gemeinschaft untereinander. "Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst" (2. Korinther 5,19). Dieser Gedanke wird beim Abendmahl noch einmal ganz anders spürbar als während der Predigt. Die Gemeinde wird zeichenhaft und symbolisch daran erinnert, dass Gott sich in Jesus Christus den Menschen schenkt. Calvin konnte das Abendmahl deshalb auch als "göttliche Pädagogik" beschreiben, weil es einfach andere Sinne anspricht als das Wort. Im Hintergrund steht zum einen die Befreiungsgeschichte des Volkes Israel, die im Judentum mit dem Pessachfest begangen wird, und im Hintergrund steht zum anderen die Befreiungs- und Versöhnungsgeschichte Jesu, die den Menschen wieder neu ins Recht setzt.
Der Kirchraum
In reformierten Kirchen gibt es keine Bilder, meistens keine Kreuze und Kerzen. Außerdem steht dort statt eines Altars nur ein einfacher Tisch. Die Begründung hierfür liegt im 2. Gebot, "Du sollst dir kein Bildnis von Gott machen." Das bedeutet auch, dass kein Bild, das sich Menschen von Gott machen, ihn vollständig und letztgültig beschreiben könnte. Mit Gott ist man nie fertig, Gott hält nicht still. Die Gotteserkenntnis ist ein Prozess, der ein ganzes Glaubensleben dauert und immer in Bewegung ist.
Einen Altar gibt es nicht, weil die Opfertradition mit Jesus Christus an ihr Ende gekommen ist. Gott gibt sich selbst hin in diesem einen Menschen. Wir können und brauchen keine Opfer mehr zu leisten. Deswegen ist auch kein Altar notwendig, der für eine bestimmte Opfertradition steht, sondern nur ein Tisch, der Gemeinschaft stiftet.
Die Anordnung der Stühle in reformierten Kirchen beschreibt ebenfalls ein theologisches Prinzip. Deshalb stehen auch bei uns die Stühle um den Abendmahlstisch herum, auf dem die offene Bibel liegt. Man versammelt sich als Gemeinde um das Wort Gottes herum. Und man sieht immer die Gemeinde. Die Menschen als Ebenbilder und als Bundespartner Gottes sind das Heilige, das reformierte Kirchen zu bieten haben.
Reformiertes Bekenntnis
Das Bekenntnis der Reformierten steht immer unter dem Vorbehalt, dass es von der Bibel her erneuert oder konkretisiert werden muss. Die Reformierten bekennen ihren Glauben mit den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen wie die Lutheraner auch. Hinzu kommt neben dem "reformierten" Heidelberger Katechismus von 1563 auch die Barmer Theologische Erklärung von 1934. In der ersten Frage des Heidelberger Katechismus wird beschrieben, dass Jesus Christus für uns Menschen eingetreten ist, dass wir zu ihm gehören und von ihm getröstet werden. Das Besondere am Heidelberger Katechismus ist die Dreiteilung, die mit dem großen dritten Teil "Von der Dankbarkeit" schließt. Damit antwortet der Katechismus, wie wir Menschen als von Gott Erlöste und Befreite unser Leben führen können, nämlich in großer Dankbarkeit.
Glaube und Weltverantwortung
Reformierte Christen sehen sich verantwortlich für die Welt, in der sie leben. "Suchet der Stadt Bestes" (Jeremia 29,7) ist dabei ein guter Impulsgeber für das tägliche Leben. Das gilt auch für politische wie für soziale Bereiche. Christen haben das Recht und die Pflicht, sich als Christen in alles einzumischen, was sie und andere betrifft. Jesus Christus ist nicht nur "Zuspruch der Vergebung" Gottes, sondern auch "ein kräftiger Anspruch auf das ganze Leben" (Barmen II).
Kirchenverständnis
Die versammelte Gemeinde repräsentiert die Weltkirche. Es gibt nicht eine übergeordnete Institution, deren Unterordnung oder Vertretungen die Gemeinden wären. Jede Gemeinde ist Kirche im vollkommenen Sinn. Deshalb haben die reformierten Kirchen auch keine Bischöfe. Die Kirche baut sich von unten her auf und wird vom Presbyterium (Kirchenvorstand oder Kirchenrat) geleitet.
In der Evangelischen Kirche von Westfalen sind die Kirchenkreise Wittgenstein, Siegen und Tecklenburg reformiert geprägt. Außerhalb der westfälischen Kirche sind Lippe, die Grafschaft Bentheim, Ostfriesland und der Niederrhein überwiegend reformiert. Die Schweiz, die Niederlande, Ungarn, Schottland, die USA, Kanada, Südafrika u. a. haben einen hohen reformierten Bevölkerungsanteil.
Kufstein: Wir sind für Reformierte und Lutheraner gleichsam Heimat
Wir sind eine evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. Das bedeutet, dass wir dem Augsburger (=lutherischen) und dem Helvetischen (=reformierten) Bekenntnis verbunden sind. Darum heißen wir sowohl lutherische als auch reformierte Gläubige herzlich willkommen und bieten ihnen eine geistliche Heimat. Obwohl wir dem lutherischen Kirchenregiment angehören und unsere Pfarrer den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften verpflichtet sind sowie der evangelisch-lutherischen Kirchenverwaltung, sind wir zugleich offen für reformierte Gläubige. Unsere Pfarrgemeinde ist Teil der lutherischen Gremien wie der Synode und folgt liturgisch der lutherischen Tradition. Dennoch ermöglicht unsere A.u.H.B.-Zugehörigkeit es reformierten Menschen in Kufstein, sich taufen zu lassen und hier eine geistliche Heimat zu finden. Diese Offenheit zeigt unsere inklusive Haltung gegenüber den verschiedenen Strömungen innerhalb der evangelischen Kirche.
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