Jetzt malt Caspar gerade den Himmel ...

# Predigt des Superintendenten

Jetzt malt Caspar gerade den Himmel ...

In diesem Jahr hat nicht nur die EKBO ein besonderes Jubiläum, sondern auch der Maler Caspar David Friedrich. Am 5. September jährt sich dessen Geburtstag zum 250. Mal. 

In „Zauber der Stille“ erzählt Florian Illies hinreißend elegant und humorvoll vom Leben des Meisters der Romantik und seinen Werken. In einer Szene wollen angereiste Besucher dem Malergenie bei seiner Arbeit über die Schulter blicken. Doch Capar Davids Frau Line muss sie ausnahmsweise vertrösten. „Jetzt malt Caspar gerade den Himmel, da darf man ihn nicht stören. Himmelmalen ist für ihn wie Gottesdienst.“

Ehrfurcht vor der Erhabenheit der Natur

Caspar David Friedrich der Himmelsmaler. Und damit ist nicht nur das Firmament gemeint, das keiner so stimmungsvoll wie er in wechselnden Tageszeiten, Landschaften und Witterungen ins Bild zu setzen versteht. Himmelsmaler auch in dem Sinne, dass in seinen Bildern immer etwas durchscheint von der ganz anderen Wirklichkeit Gottes. 

Kirchenruine ohne Dach. Durch die Spitzbögen leuchtet die Abendsonne.

Wer seine Bilder betrachtet, den ergreift mehr als nur die Ehrfurcht vor der Erhabenheit der Natur, der bekommt einen „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“, wie Friedrichs Zeitgenosse Schleiermacher es ausgedrückt hat. Ein solches Bild des Himmelsmalers Caspar David Friedrich finden Sie hier abgebildet. Das Original, das in der Hamburger Kunsthalle hängt, ist auch recht klein. 

Eine Kirchenruine ist zu sehen, sie befindet sich gar nicht weit von hier, im Landkreis Görlitz im Zittauer Gebirge, auf dem Berg Oybin. Im Sommer 1810 hatte Friedrich mit einem Künstlerfreund den Berg bestiegen und die baulichen Überreste der Cölestiner-Klosterkirche hatten ihn sofort in den Bann gezogen. Noch an Ort und Stelle entstand eine aquarellierte Bleistiftzeichnung, zwei Jahre später das Ölgemälde. Die Überreste des gotischen Chors mit seinen Spitzbogenfenstern künden vom Glanz vergangener Zeiten, marode sieht das Mauerwerk aus, von Moos überwuchert und Efeu umrankt. Warm wirkt die Ruine, was vor allem am sonnengetönten Himmel liegt, der von orangegelb über zartrosa bis ins Bläuliche verläuft und Glanzlichter auf den Steinen hinterlässt.

Eine Ruine als Sinnbild für die Kirche?

Ich habe mich gefragt, ob das ein Sinnbild für die Kirche sein kann? Nicht die EKBO im Speziellen, sondern die Kirche im Allgemeinen. Wenn Kirche aktuell zur Sprache kommt, dann meist in Verfallsgeschichten. Manchmal erzählen wir uns diese Geschichten auch selbst. „Früher, ja früher …“ so beginnen diese Geschichten oft. Und beim Erzählen ist viel Trauer zu spüren. Weil eine Gestalt von Kirche und Gemeinde vergangen ist, an der man hängt. 

Transformation hat mit Sterben zu tun. Doch wenn es stimmt, dass die Kirche der Leib Christi ist, dann gehört das Sterben zu ihrem Wesen. Dann ist sie ein brüchiger Körper, der immer wieder stirbt, betrauert wird, aber auch die Kraft bekommt, neu zu werden aufzuerstehen. Gerate ich in die Gefahr theologischer Schönfärberei, so wie Caspar David Friedrich die Ruine romantisiert? Schon möglich. Und dennoch ist das für mich ein Hoffnungsbild. 

Keine Kirchendämmerung, sondern der Anbruch eines neuen Morgens. Es sind die kleinen Details im Bild, die dafür sprechen: Das Kruzifix, links im Bild, das von Rankenpflanzen umspielt, zum Lebensbaum wird. Die Marienfigur auf der rechten Seite, die ihr Neugeborenes auf dem Arm hält, vor sich eine Lilie. Und der Altar in der Mitte, den Engelfiguren tragen. Hier wächst Getreide, aus dem das Abendmahlsbrot gebacken wird. Ja, es ist eine österliche Szene, die Caspar David Friedrich hier gemalt hat. Ich sehe darauf eine Kirche, die in all ihrer Brüchigkeit den Blick nach oben freigibt und durchlässig ist für die Wirklichkeit Gottes, sein Morgenlicht. Eine Kirche in der Neues aufwächst und die darum weiß, dass sie Fragment ist, dass Gott sein Reich vollenden wird. „Früher, ja früher …“ beginnen die Verfallsgeschichten. Die Verheißungsgeschichten beginnen mit „Einst wird es sein …“.

Gottesdienst als Himmelmalen

Wissen Sie noch, wie die Frau des Malers die Besucher im Atelier Friedrich herauskomplimentiert hat? „Jetzt malt Caspar gerade den Himmel, da darf man ihn nicht stören. Himmelmalen ist für ihn wie Gottesdienst.“ Vielleicht stimmt das ja auch umgekehrt? Gottesdienst ist wie Himmelmalen. Ob im Gottesdienst der Liturgie oder im Alltag der Welt – es soll etwas sichtbar werden von dieser ganz anderen Wirklichkeit, die berührt, heilt und herausfordert. Keine einsame und ungestörte Malerexistenz setzt sie ins Bild, sondern wir alle mit unseren Farben.

Der Himmelsmaler Friedrich hat übrigens einen anderen Himmelsmaler inspiriert. Es gibt von Friedrich noch eine spätere Version der Kirchenruine auf dem Berg Oybin. Hier leuchten die Farben des Morgengrauens noch satter hinter den Fensteröffnungen der Ruine: Rot, Orange, Gelb, Blau. Der dänisch-finnische Künstler Olafur Eliasson hat mit ihnen die Chorfenster des Doms in Greifswald gestaltet. Am Sonntag nach Ostern sind sie eingeweiht worden. In der Stadt, in der Caspar David Friedrich vor 250 Jahren geboren wurde.

Florian Kunz, Superintendent Kirchenkreis Spandau

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