Predigt zum Nachlesen vom 28.04.2024 Pastorin Heike Jakubeit

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Predigt zum Nachlesen vom 28.04.2024 Pastorin Heike Jakubeit

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

 

Vollmondnächte rauben manchen Menschen den Schlaf. Andere - so scheint es - lässt das Mondlicht wild träumen. Vollmond war bei uns am vergangenen Mittwoch. Durch mein Fenster schienen die Strahlen des Mondes hell wie die Sonne.

Durch das Buch der Offenbarung ziehen sich unabhängig von irgendwelchen Himmelskörpern zahllose Träume – heftig, widersprüchlich, rätselhaft.

Die vielen Bilder dieser Phantasien kreisen um das, was erhofft und ersehnt wird. Menschen, die dem Christentum angehören, wünschen sich Ruhe und Frieden. Gott soll regieren – und nicht die Herrscherinnen und Herrscher dieser Welt. Denn dann, endlich, wird es gerecht zugehen auf dieser Erde. Dann werden die Wüsten blühen, die Lahmen gehen und kein Krieg wird mehr sein.

Dom Helder Camara, ein schon vor einigen Jahren verstorbener Bischof der katholischen Kirche in Brasilien, hat einmal gesagt: „Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, so ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit.“

Was für ein Träumer! Überall ziehen Menschen über die Straßen und Plätze ihrer Dörfer und Städte, um auf Missstände aufmerksam zu machen: Klimakrise, Steuerverschwendung, Gefährdung der Demokratie, für Menschenfreundlichkeit und Toleranz, gegen den Krieg.

Manche kleben sich sogar auf die Straße, weil das Gefühl da ist: Alle wissen, wie es schlimm es ist, aber keiner macht was. Wie dramatisch muss eine Lage eigentlich sein, damit Menschen sich Zeit nehmen und zuhören, bereit sind, etwas zu verändern?

Die neue Jugendstudie macht deutlich, wie schlecht die Jüngeren ihre Zukunft einschätzen. Sie sorgen sich um ihre eigene wirtschaftliche Lage, befürchten Altersarmut und sehen sich der Weltlage gegenüber hilflos.

Diejenigen Generationen, die unter uns noch persönlich von Kriegserfahrungen betroffen sind, macht das Kriegsgeschehen näher und in der Ferne Angst. Es rührt an traumatischen Erfahrungen.

All das lässt sich nicht einfach „wegträumen“. Neue Wirklichkeit? Woher soll die kommen? Können Visionen – eigene und gemeinsame - tatsächlich eine neue Wirklichkeit schaffen?

 

Derjenige, von dessen Träumen wir im Buch der Offenbarung etwas erfahren, hat dieses Neue konkret im Blick. Es geht um Gott. Gottes Macht und Herrlichkeit. Dass Gott Gerechtigkeit schafft.

 

Es ist fast so, als könnten wir das alles mit diesem Visionär aus der Bibel gemeinsam vor unseren Augen sehen. Gott wie ein König auf einem Thron. Und alle Völker kommen, um sich vor diesem König in den Staub zu werfen.

Für mich ein schreckliches Bild. Eigentlich will ich es mir gar nicht ansehen. Denn immer da, wo Menschen auf Erden in Gottes Namen regieren, in Gottes Namen sprechen, geht das schief. Gottesstaaten lehne ich ab. Kleidungsvorschriften, Strafen, Glaubensgerichte im Namen Gottes?

 

Und ich lehne mich innerlich dagegen auf, dass alle religiös gleichgeschaltet werden sollen. Ein Gott für alle? Ist nicht die Vielfalt der Religionen auf der Welt auch ein Schatz? Muss es – wie in der Menschenwelt – auch in der Welt der Religionen eine höchste Macht geben? Braucht das Christentum solch ein Überlegenheitsgefühl? Unser Gott ist der richtige und allein wahre, ihr werdet es schon sehen…

Christliche Missionare und Missionarinnen sind vor gut zweihundert Jahren in diesem Bewusstsein von Europa aus in die Welt gezogen – auch schon davor und auch noch heute – um anderen genau das zu erzählen. Sprache, Kultur, Gesellschaftsstrukturen wurden aus diesem religiösen Überlegenheitsgefühl heraus zerstört.

Christliche Missionarinnen und Missionare haben sich anderen Wirklichkeiten gegenüber verschlossen. Sind nicht ins Gespräch mit anderen gegangen. Sie haben Setzungen vorgenommen und diese als absolut betrachtet – ihren Gott und ihre Kultur.

 

Es ist gut, dass wir uns biblische Bilder auch kritisch ansehen. Sie hinterfragen. Wie Gott auch immer ist: Warum sollte Gott so kleinlich wie wir Menschen sein? Brauche ich das persönlich, dass mein Gott stärker ist als Gott in anderen Religionen?

Persönlich brauche ich, dass mich nichts trennt von der Liebe Gottes. Dass ich mit meinem Gott über Mauern springen kann. Gott ist die Liebe. Das ist für mich genug.

Das bedeutet nicht, dass Gott und ich nicht auch einmal miteinander im Widerstreit liegen können. Ich glaube und ich zweifle, verzweifle. Trotzdem vertraue ich darauf, dass meine Wege nicht ins Leere laufen, wie schwer sie auch manchmal zu gehen sind. Im Hebräerbrief heißt es im 11. Kapitel im 1. Vers: Der Glaube ist ein Festhalten an dem, worauf man hofft – ein Überzeugtsein von Dingen, die nicht sichtbar sind.

 

Und doch brauchen wir Menschen dann und wann Zeichen. Wenn Gerechtigkeit herrscht, ist das für mich wie eine göttliche Botschaft. Menschen haben begriffen, worum es Gott geht. Sich einsetzen für die Kleinen, die Ausgegrenzten, diejenigen, die keine Stimme haben.

Es wäre schön, wenn alle Völker daran Anteil haben könnten. Wenn alle Gerechtigkeit tun. Die ganze Welt hat etwas davon, wenn Menschen vor der Gerechtigkeit einen Kniefall machten.

 

Denn dann würde geschehen, was Bischof Camara so beschrieben hat. Wir können das Reich Gottes auf Erden nicht selbst errichten, aber durch das, was wir an Gutem und Gerechtem tun, können wir „wie eine schlichte Wasserpfütze den Himmel spiegeln“ („wie eine schlichte Wasserlache den Himmel zu spiegeln“) So könnte ich mit dem Visionär aus dem Buch der Offenbarung mitträumen. Und wenn viele auf diese Weise gemeinsam mitträumen, dann kann tatsächlich jetzt schon eine neue Wirklichkeit beginnen. Wir spiegeln einfach den Himmel auf Erden, befinden uns wie im Reich Gottes.

 

Vielleicht könnten wir dann auch die Lieder mitsingen, die vom Visionär genannt werden: Das Lied des Mose und das Lied des Lammes. Angesichts der Weltlage würden uns die Worte nicht im Hals stecken bleiben. Krieg und Gewalt würden uns nicht die Stimme rauben. Denn das Kleine, das wir tun können, können wir immer tun. Eine Hand reichen. Ein Stück Brot teilen. Das ermutigt. Schenkt uns Spielraum. Ermächtigt uns.

 

Beim Lied des Mose und dem Lied des Lammes handelt es sich um zwei sehr unterschiedliche Melodien und Texte aus den zwei Testamenten unserer Bibel. Und doch besingen sie beide die Tiefe des Lebens. Sie erzählen vom Leben, Sterben, Errettet-Werden, Niederlage und Zweifel, Sieg über den Tod und Ewigkeit, Vertrauen und Hoffnung, Freiheit, dass am Ende die Gerechtigkeit siegt.

 

Kantate – Singet - dieser Sonntag erinnert uns an die Melodie des Lebens, die nicht immer gerade, aber tief und tragend ist, wenn wir sie schwingen lassen.

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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