
Aus "Die Tagespost"
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Beim Sonntagsgottesdienst, das Sanctus ist gerade verklungen, richten sich plötzlich alle Blicke auf den knapp Zweijährigen, der vom Seitenschiff her kommend zielstrebig auf den Altar zuwackelt, während sein Vater hinter der vordersten Säule grübelt, ob ein Stoßgebet oder ein beherztes Eingreifen die peinliche Situation eleganter auflöst. Eltern mit Kindern sind zuweilen überfordert, genervt und manchmal sogar verzweifelt, weil ihr Nachwuchs in der Kirche unruhig wird.
Was tun, wenn das Baby während des Gottesdienstes gar zu schreien anfängt?
Zunächst dürfen wir uns an die Einladung Jesu erinnern: „Lasst die Kinder zu mir kommen" (Mt 10,14) Der Herr rügte jene Jünger, welche die Kleinen zurückwiesen.
Sollte die Generation Silberhaar nicht dankbar sein, wenn auch Menschen vor der Rente in die Kirche finden? Das Hüsteln eines alten Menschen darf uns ebenso wenig aus der Fassung bringen, wie das Lallen eines jungen Erdenbürgers. Psalm 8 zitierend bezeichnet Jesus das Brabbeln der Babys sogar als Gebet: „Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob." (Mt 21,16) Dieser Bibelvers kann alle Eltern ermutigen, trotz abschätziger Bemerkungen ihre Kinder mit in die Messe zu nehmen.
Liturgie im Mittelpunkt
Freilich darf niemand anders als Jesus im Mittelpunkt der Eucharistiefeier stehen:
Wenn Heranwachsende von ihm eingeladen sind und ihre Laute als Gotteslob gelten, dann geht es trotzdem um den Herrn. Christus und nicht den Kindern gebührt die Aufmerksamkeit. Seine Gegenwart ist es, um derentwillen wir die Kirche besuchen.
So sehr der Heiland die Kleinen liebt, dürfen sie keinesfalls das Augenmerk auf sich lenken. Wir können sie kurz streicheln, aber nicht mit ihnen spielen und sollten auch verhindern, dass Gläubige hinter uns mit ihnen Spaß machen. Um die Andacht anderer möglichst wenig zu beeinträchtigen, empfiehlt es sich, seinen Platz so auszusuchen, dass man mit seinem Baby ohne Umstände die Liturgie verlassen kann, sobald es sich nicht mehr besänftigen lässt. Am unkompliziertesten wäre, wenn die Eltern ausgeruht sind und der Säugling schläft. Anders herum wird es problematisch. Wo mehrere Gottesdienste angeboten werden, lassen sich die Schlafphasen des Kindes womöglich mit den Messzeiten synchronisieren.
Kranke oder Zahnende sind selbstverständlich von der Sonntagspflicht dispensiert. Dies gilt auch für den betreuenden Elternteil, wenn der Besuch einer zweiten Messe nicht möglich oder unzumutbar ist.
Wann immer man als Erwachsener in die Kirche geht, muss ein Kind merken, dass hier ein heiliger Raum betreten wird. Man wird still, nimmt in Erinnerung an seine Taufe das Weihwasser; bezeichnet sich mit dem Kreuz als Zeichen unserer Erlösung, macht eine Kniebeuge und begrüßt Jesus durch ein Gebet in der Bank. Warum nicht auch außerhalb des Gottesdienstes mit den Kindern eine Kirche besuchen? Schließlich ist sie das Haus Gottes, wo Jesus auf uns wartet. Wir nehmen die Kleinen an der Hand, gehen langsam, geben im Flüsterton Hinweise zu Christi Gegenwart im Altar-sakrament, sprechen mit Gott und über ihn, statt Belanglosigkeiten untereinander aus-zutauschen. Kinder merken genau, was die Eucharistie ihren Eltern bedeutet. Wem der Gottesdienst ein echtes Anliegen ist, der wird versuchen, frühzeitig zu kommen, um sich im Gebet auf die Liturgie vorzubereiten und sich nach der Kommunion um eine Zeit der Danksagung bemühen. Wäre es nicht eine beherzigenswerte Maxime, sonntags die besten Kleidungsstücke zu tragen?
Während der Heiligen Messe achten wir in einer freundlichen aber bestimmten Weise darauf, dass unsere Kinder gesammelt sind. Barsche Zurechtweisungen, Drohungen oder Kneifen verbieten sich ebenso wie flehentliche Versprechungen, denn damit demonstrieren wir unsere Hilflosigkeit und geben dem Kind zu verstehen, dass es am längeren Hebel sitzt. Zielführender sind rechtzeitige Gewöhnung, gelassene Bestimmtheit verbunden mit einem authentischen Vorbild. Im Übrigen sollte Erziehung nicht in der Kirche, sondern Zuhause beginnen: Bedürfnisaufschub, Aufmerksamkeit schenken statt sie einzufordern und die Fähigkeit in sich ruhen zu können gehören zu den Basics, die nicht früh genug gelernt werden können.
Sobald ein Kind ruhig zu sein vermag, darf es gemeinsam mit den älteren Geschwistern und mindestens einem Elternteil vorne in der Kirche sitzen, damit es die Handlungen des Priesters beobachten kann. Die Hinführung zur Heiligen Messe beginnt idealerweise bereits im Mutterleib, wenn die Mama das Ungeborene bewusst mit in den Gottesdienst nimmt, für es betet und Jesus nach jeder Kommunion bittet, der erste und beste Freund für das Baby zu sein. Wenn die Tochter oder der Sohn das Säuglingsalter hinter sich gelassen hat, nimmt man sie oder ihn auf den Schoss und achtet darauf, dass der Blick auf den Altar gerichtet wird. Leise kann man Dinge erklä-ren: „Hörst Du die Glocken? Jetzt kommt Jesus." Man lädt zum Gebet ein und lässt sein Kind an der eigenen Kommunion teil-haben: „Der liebe Gott hat jetzt Wohnung in mir genommen. Du darfst jetzt Deinen Kopf auf mein Herz legen und bei Jesus sein."
Je mehr die Liturgie außerhalb des Gottesdienstes erklärt wird, desto innerlicher können Kinder während der Heiligen Messe dem Geschehen folgen. Weil Vorschulkinder in der Regel trotzdem überfordert sind, wenn sie eine ganze Stunde stillsitzen müssen, empfiehlt es sich ansprechend gestaltete, christliche Bilderbücher mitzunehmen, vielleicht sogar in einer besonderen Tasche, um klar zu machen: Diese Bücher sind nur für die Eucharistiefeier. Neben Kinderbibeln eignen sich dafür beispielsweise die Werke von Joëlle d'Abbadie, etwa „Der kleine Tarzisius" (Sabat Verlag) oder „Katechismus für Kinder" (Edition Canisi).
Es ist kein Problem, wenn die kleinen Leser ein Buch auf die Bank legen, um es dort bequem umzublättern. Herumturnen oder gar das Verlassen der Sitzreihe sind hingegen keine guten Optionen.
Unabdingbar ist natürlich, dass man einer Zelebration beiwohnt, in der das Sakrale er fahrbar wird. Machen die Handlungen des Priesters anschaulich, dass das Kreuzesop-fer am Altar auf unblutige Weise erneuert wird? Liturgie lässt sich mit allen Sinnen wahrnehmen. Es gibt viel zu entdecken: Die wechselnden Farben der Paramente, Weih-rauch, Fahnen, Blumenschmuck, den Festen angepasste Lieder, besondere Riten, lokale Bräuche und vieles mehr.
Warum eine Heilige Messe nicht bereits Zuhause vorbereiten, indem man gemeinsam das Sonntags-Evangelium liest? Vollziehen wir das Kirchenjahr als Familie bewusst mit. Wenn wir uns auf die Begegnung mit dem Gottmenschen einlassen, dann werden wir unsere Kinder in der rechten Weise an diesem Ereignis teilhaben lassen.
Sie müssen nicht bespaßt, sondern angeleitet werden, in der Gegenwart des Herrn zu leben. Die Heilige Messe ist das Geschenk unserer Erlösung, in welches Jesus die ganze Familie hineinnehmen möchte. Feiern wir die Kommunion als Gemeinschaft mit Gott, der zu uns spricht: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir." (Offb 3,20).