Nie wieder ist jetzt!

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Nie wieder ist jetzt!

Rede von Propst Dirk Süssenbach, Kirchenkreis Ostholstein; Propstei Oldenburg in Holstein auf der Veranstaltung: „Nie wieder ist jetzt – Rechtsextremismus stoppen – Demokratie verteidigen“ am 08.06.2024 auf dem Marktplatz in Burg a. F. 

Guten Morgen alle zusammen!

80 Jahre nach dem D-day, der Invasion in der Normandie, die das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und vor allem die Befreiung Europas gebracht hat, stehen wir hier heute alle vereint auf dieser Bühne, um der Wiederauferstehung der bösen Geister unserer deutschen Vergangenheit nicht widerstandslos zuzusehen, denn die Masken der Feinde unserer Demokratie, liebe Fehmaraner und Fehmaranerinnen und liebe Gäste, liebe Ostholsteiner und Ostholsteinerinnen, die Masken sind mit der Geheimkonferenz von Potsdam gefallen, und wir müssen darauf reagieren. Eine andere Wahl haben wir nicht.

Wie gut, dass die Zahl von solchen Veranstaltungen und Demonstrationen wie heute hier, ob nun in ganz kleinen Dörfern oder in Großstädten wie Hamburg, seitdem nicht abreißt, und so viele Menschen ein Zeichen für Demokratie, für Vielfalt für Solidarität und für die Menschenwürde setzen!

Das Projekt eines vereinten Europas, das aus ehemaligen Feinden durch den Preis der Versöhnung Freunde gemacht hat und eine in der Geschichte noch nie dagewesene Zeit des Friedens und des Wohlstandes für so viele Nationen in Europa mit sich gebracht hat, das darf durch die neu aufkommende Gefahr eines Nationalismus, sei es bei uns und anderswo, nicht scheitern!

Die wichtigen Herausforderungen der Zukunft, der Umgang mit dem Klimawandel, die Sicherung des Friedens, der Umgang mit Migrationsbewegungen angesichts eines immer größer werdenden Fachkräftemangels in vielen Bereichen unserer Wirtschaft, diese Probleme lassen sich nur gemeinsam und also nur europäisch lösen. 

Als Propst im Kirchenkreis Ostholstein, das ist sozusagen der leitende geistliche Dienst für die 37 Kirchengemeinden, spreche ich heute Morgen sozusagen nicht nur für vier Kirchengemeinden dieser Insel, nein, ich spreche hier für die 90.000 Christinnen und Christen in Ostholstein, die tiefbesorgt sind über aktuelle populistische, fremdenfeindliche und völkische Äußerungen am rechten Rand des politischen Spektrums in unserem Land, die erschüttert sind über eine Spaltung der Gesellschaft und die zunehmende Verrohung der Sprache, die in diesem Wahlkampf an vielen Orten in ganz reale Gewalt umgeschlagen ist.

Dem gilt es rechtzeitig und eindeutig in einem breiten Bündnis von Parteien, Institutionen und Verbänden aus der Mitte der Gesellschaft entgegenzutreten. Und genau das tun wir hier heute Morgen.

Völkisch nationale Gesinnungen sowie menschenverachtende Haltungen und Äußerungen, die sind mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in keiner Weise vereinbar. Und auch wenn sie es vielleicht nicht so mit Religion und mit Kirche haben, so erlaube ich mir doch, einmal zu sagen: ob nun katholisch oder evangelisch oder freikirchlich, die Christinnen und Christen in diesem Land bilden immer noch 50 Prozent unserer Gesellschaft. Und das sind Mitgliedszahlen, von denen die Volksparteien und der ADAC nur träumen.

Ich danke daher der amtierenden Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland unserer hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, die sich bereits im Februar sehr eindeutig positioniert und hinter die Warnung der katholischen Bischofskonferenz gestellt hat mit den folgenden Worten:

„... in diesen Zeiten, in denen Rechtsextremisten die Grundwerte unseres Zusammenlebens infrage stellen, ist eine klare und gemeinsame Haltung der Kirchen wichtig. Wir ziehen daraus die gemeinsame Konsequenz, Katholiken und Protestanten, vor der Wahl rechtsextremer Parteien einschließlich der AFD zu warnen, weil sie Minderheiten ausgrenzen und die Demokratie gefährden ...“

Und so fordere ich auch sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf, dass sie morgen ausschließlich demokratischen Parteien ihre Stimme geben, die sich für eine offene Gesellschaft der Vielfalt, für ein gerechtes, demokratisches Gemeinwesen überall in Europa einsetzen. Danke!

Sehr starker Applaus und Beifallspfiffe

Gerade aufgrund der Erfahrungen aus der deutschen NS-Geschichte sehen wir als Kirchenkreis Ostholstein nicht weg, wenn die Freiheit und das Leben anderer bedroht werden. Und wir stehen denen tätig bei, die als Flüchtlinge Schutz vor Verfolgung und Diskriminierung bei uns suchen. 

Im geschichtlichen Rückblick haben sich leider auch die Vorgängerkirchen unserer Nordkirche zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Manche Pastoren und Pastorinnen waren glühende Hitler-Verehrer. Und gerade weil wir dieser Schuld uns stellen, dieser Schuld, die auch auf der Kirche lastet, sehen wir heute um so klarer, wo man damals entschiedener hätte widerstand leisten müssen, um Menschenleben zu retten und sich als Kirche nicht mit schuldig zu machen.

Und darum erhebe ich gerne, und erheben wir alle gemeinsam gerne, unsere Stimme zu einem Weckruf. Gemeinsam mit allen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung in diesem Land einstehen wollen, und sich für Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt einsetzen, und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schützen und verteidigen wollen! Demokratie ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern sie braucht unseren Einsatz und eine klare Haltung an jedem Tag und vor allem von jedem von uns!

Jede Form des Extremismus, sei er politisch motiviert am rechten oder auch am linken Rand unseres politischen Spektrums, oder ob er auch in religiöser Form daher kommt, ob er nun als Islamismus oder auch als christlicher Fundamentalismus sich zeigt, der am rechten Rand unheilige Allianzen eingeht, jede Form von Extremismus muss gerade auch von den Kirchen hinterfragt, kritisiert, und durch immer neue Gesprächsversuche entkräftet werden. 

Gerade die Religionsfreiheit als universales Menschenrecht fordert von uns allen dass wir Juden und Muslimen, Christen und Menschen anderer Religionen wertschätzend begegnen und ihr Leben in diesem Land als eine Bereicherung unserer kulturellen Vielfalt und Identität verstehen.

In dieser Weise ist auch jede Form eines neu aufkommenden Antisemitismus oder Rassismus aus Sicht der evangelischen Kirche abzulehnen.

Und auch wenn der Weg nicht einfach ist, müssen gerade wir Religionsgemeinschaften uns für Aussöhnung und ein friedliches Miteinander zum Wohle der Menschen, denen wir in Gottes Namen dienen sollen, in unserem Land und in der Welt, einsetzen. Es gibt keine Alternative zum interreligiösen Dialog.

Es ist etwas ins Rutschen geraten in unserem Land und wir, die wir heute hier sind, sind verbunden in dem Bemühen, ein Abrutschen wie es sich 1933 ereignet hat, zu verhindern.

Nie wieder ist JETZT!

Vielen Dank


Weitere Redner waren die Lehrerin Svenja Nielsen, Fehmarns Bürgermeister Jörg Weber, die Vorsitzende des Seniorenbeirates Fehmarn, Francesca Caci Jahn, die Schüler Jule und Tashi der Inselschule sowie Bürgervorsteher Holger Micheel-Sprenger

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