Kurz vor zwölf Uhr mittags geht es sehr geschäftig zu vorm Eingang der Hochmeisterkirche. Es ist noch eine Lieferung Obst und Gemüse gekommen, die nun aus dem Kleinbus geladen wird. Männer und Frauen in roten Schürzen nehmen Kisten voller Bananen und Salatköpfe in Empfang, tragen sie in die Kirche. Dort wird alles sortiert und neben Orangen, Kürbissen und Kohlköpfen angeordnet; es sieht bunt und appetitlich aus wie an einem Marktstand. Im Foyer trinken derweil die ersten Kunden schon einen Kaffee; es dauert noch eine halbe Stunde, bis sie herein kommen und mit ihrem Einkauf beginnen können. Rund sechzig bedürftige Familien sind mittlerweile hier registriert, die sich für einen symbolischen Euro mit Lebensmitteln versorgen können. Laib und Seele ist eine Aktion der Berliner Tafel, des rbb und der Kirchen; die Hochmeisterkirche die 46. Ausgabestelle. Nach dem Start mit dem Erntedankfest und der offiziellen Eröffnung am 4. Oktober ist schon eine gewisse Routine eingekehrt. Alle kennen ihre Aufgaben, und alle haben sich auch untereinander besser kennengelernt. Alle tragen ein Namensschild an der Schürze, man nennt sich beim Vornamen. Die ersten waren schon morgens um acht im Einsatz, Großmarkt und Geschäfte anfahren, andere haben in dieser Zeit den Kirchraum zum Verkaufsraum umgebaut, die Ausgabetische aufgestellt. Die nächsten Freiwilligen sichten die gespendeten Lebensmittel, sortieren, bauen die Auslage auf. Joghurt, abgepackter Käse oder Wurstwaren werden in Kühlboxen gelagert.
Mit dem Mittagsläuten um zwölf ruft Dagmar Hoppe, eine der beiden Leiterinnen, das gesamte Team noch einmal zusammen, um Informationen weiterzugeben und Organisatorisches zu klären. Vor der Tür hat sich inzwischen eine Schlange gebildet. „Ach, das ist so nett, wenn man jetzt schon die ersten Kunden kennt!“, findet Inge Sommer; sie hat den Vater mit seinen Kindern an der Tür gesehen, der sich beim letzten Mal so sehr gefreut hat, als sie ihm für jedes Kind zwei Bananen mitgeben konnte. Bis jetzt, sagt auch Hannelore Burdach an ihrem Verkaufsstand, gibt es nur gute Erfahrungen mit den Kunden, „man kommt auch oft ins Gespräch und erfährt etwas über den anderen.“ Heide Scheidsteger hört interessiert zu; sie ist zum ersten Mal dabei, nachdem sie in der Hochmeisterzeitung von der Aktion erfahren hatte. Gut dreißig Freiwillige sind es insgesamt, die sich die verschiedenen Aufgaben teilen, viele sind Gemeindemitglieder, wie Inge Sommer oder Dieter Neumann, der „Junge für alles“, der dabei ist, wo er gerade gebraucht wird, ob als Beifahrer, beim Auf-und Abbau oder an der Ausgabe. Andere, wie Rosi Brauns, sind gar nicht in der Kirche. Sie habe immer schon gern ehrenamtliche Aufgaben übernommen, erzählt sie, und findet es prima, dass sich die Kirchengemeinde in ihrer Nachbarschaft so engagiert. Ab November ziehen sich die „Starthelfer/innen“ der Berliner Tafel, die u.a. Lieferfahrzeuge gestellt haben, zurück; dann arbeitet die neue Ausgabestelle in Eigenregie. Die fröhlichen Freiwilligen sind zuversichtlich; sie wirken schon jetzt wie ein gut eingespieltes Team. Nach der Überfülle des Angebots am ersten Ausgabetag mit vielen Resten, die weiterverteilt wurden, sind jetzt einerseits mehr Kunden da und man weiß andererseits besser zu kalkulieren. Was bleibt, ist das Staunen darüber, was alles an guten Waren nicht mehr regulär im Laden verkauft wird und die Freude darüber, dass damit denen geholfen werden kann, die sich diese Lebensmittel sonst nicht leisten könnten. „Schaff aus unserm Überfluß Rettung dem, der hungern muss“, heißt es in einem Kirchenlied. Laib und Seele leistet einen Beitrag dazu.
Jutta Schreur