1825 - 1873

# Heiligensee Chronik

1825 - 1873

1825-1848   Pfarrer Ludwig Siegfried Ideler

Kurz nach seiner Ordination 1825 wurde Pfarrer Ideler in das Heiligenseer Pfarramt eingeführt. Er stammte aus Bad Wilsnack. Sein Vater war dort Superintendent, auch sein Urgroßvater, der 100 Jahre früher in Heiligensee Pfarrer war und dann Superintendent in Perleberg. Pfarrer Ideler machte die Freiheitskriege gegen Napoleon mit, bevor er Theologie studierte. Nach seiner Amtseinführung in Heiligensee heiratete er in der Gemeinde seiner Braut im Berliner Dom. Die Ehe war kinderlos. Aber für viele übernahm das Ehepaar die Patenschaft in Heiligensee und Schulzendorf. In diesen Friedensjahren seiner Amtszeit sorgte Pfarrer Ideler für eine solide Gemeindehaushaltsführung. Wöchentlich fanden Gottesdienste in Heiligensee, Niederneuendorf und Hennigsdorf statt. Daneben Taufen, Trauungen, Beerdigungen und Konfirmationen mit 2-jährigem Konfirmandenunterricht in drei Gemeinden mit etwa 1000 Einwohnern. Er richtete ein neues Kirchbuch ein, wo alle Amtshandlungen genauestens eingetragen wurden. 7 Jahre später wurde er nach Köritz versetzt nach 23 Heiligenseer Jahren.

1834-1839   Bauern-Ehen

Von ersten Ehescheidungsprozessen in Heiligensee hören wir aus den Jahren 1834-1839. Ehescheidungsgründe waren Ehebruch, böswilliges Verlassen des Partners oder wo einer dem anderen nach dem Leben trachtete. Pfarrer Ideler bekam vom Königlichen Preußischen Justizamt die Aufforderung zum Versöhnungsversuch, was meistens zu spät war. Da auch der Pfarrer die Unauflöslichkeit der Ehe manchmal auf Grund der Demütigungen und Gewalt der Eheleute untereinander für nicht angebracht hielt, schrieb er dem Justizamt Spandau, die Ehe dieses Bauern nicht fortzusetzen. Die Ehe des Bauern Christian Friedrich Neumann und seiner Frau wurde geschieden. Was aus den fünf Kindern wurde, ist unbekannt. In den "Gründer-Jahren", als viele Fremde zuzogen und die Bauern zu Wohlstand kamen, eine neue "Zivilgesetzgebung" galt, kam es wieder zu Scheidungsprozessen, in denen Züchtigung aber keine Rolle mehr spielte.

1846   Die Heiligenseer Windmühle

Der Mühlenmeister George Fr. Leue kam 1846 nach Heiligensee, um am nördlichen Dorfausgang eine stattliche Windmühle zu bauen. Aus Börnicke kam zwei Jahrzehnte später der Mühlenmeister August Gottlieb Schönberg nach Heiligensee. Er erwarb die Mühle und heiratete 1867 die 15-jährige Bauerntochter Caroline Wilhelmine Auguste Loeper. Später wurden sie Landwirte und verpachteten die Windmühle. 1912 wurde die Mühle abgerissen. Zum Kornmahlen mussten die Heiligenseer von nun an nach Tegel, Marwitz oder Bötzow.

1847-1848   "...daher freu ich mich des Errungenen nicht."

Überall regte sich technischer Fortschritt. In Berlin gab es die ersten Gaslaternen, Borsigs Dampflokomotive, Krupps Räder und Achsen aus Gussstahl. In Heiligensee regte sich lange noch nichts. Auch von sozialen Unruhen wie in Berlin blieb Heiligensee verschont. In Berlin wurden die Lebensmittel knapp. In Heiligensee war man nach wie vor mit der Bestellung der Felder beschäftigt. König Friedrich Wilhelm IV. sagte selbst über die neu eingeweihte Eisenbahnstrecke: "Er könne keine Glückseligkeit finden, einige Stunden früher in Potsdam anzukommen."

1848-1876   Pfarrer Julius Adolph Schultze

Pfarrer Julius Adolph Schultze, "der dicke Priester", war Pfarrer Idelers Nachfolger für seine drei Gemeinden Heiligensee, Niederneuendorf und Hennigsdorf. Den Bauern ging es gut, und so ging es auch dem Pfarrer gut, der seine Einkünfte nur aus seiner Gemeinde bezog. Pfarrer Schultze stammte aus einer Berliner Lehrerfamilie, studierte Theologie und bekam erst 11 Jahre nach seinem Examen eine Pfarrstelle - 1848 in Heiligensee. Dann erst heiratete er 37-jährig seine Förstertochter Fanny aus Marienwerder. Sie hatten zwei Söhne. 1851 gab Pfarrer Schultze auch auf Zuraten seiner Berliner Freunde Anstoß zur "Heiligenseer Separation" (Flurbereinigung der Feldmark, Zusammenfassung verstreut liegender Ackerstücke der Höfe). Pfarrer Schultze setzte sich sehr für die wirtschaftliche Verbesserung der Bauern ein, ebenso für seine Mitarbeiter und andere Dorfbewohner. Nach 28 Dienstjahren ließ sich der Pfarrer pensionieren: "Wegen der Flut von Candidaten musste ich nach meinem Examen 11 Jahre wahlfähig bleiben. Ich will jetzt nicht wegen Ebbe (der Bewerber) ebenso lange auf meinen Ruhestand warten." Mit 76 Jahren starb Pfarrer Schultze vermutlich in Stettin bei seinem Sohn.

1851-1854   Heiligenseer Separation

Die Separation der Feldmark und Heidestücke wurde 1851 auf Antrag des Schulzen Barthel und des Bauern Martin Bergemann unter Mithilfe des Pfarrers Schultze eingeleitet und 1854 beendet. Vorerst widerwillig sahen die Heiligenseer Bauern doch die Erfolge der besseren Ackerwirtschaft. Durch die Steinschen Reformen waren die Heiligenseer relativ unabhängig geworden, hatten sich von Naturalabgaben und Dienstleistungen befreien können. Jetzt waren sie freie Herren über ihr Land und ihre Zeit. Das alles ging natürlich nicht ohne Schwierigkeiten einher. Was für die Berliner die Revolution von 1848, das war für die Heiligenseer die Separation.

1855   Sommerwind

An heißen Tagen zogen die Berliner damals schon an die Havelufer. Nördlich Berlins vorerst nur bis Tegel. Der Weg nach Heiligensee und Hennigsdorf war noch zu beschwerlich. Nur einige Bettler kamen ab und zu. So auch am 27.8.1853 ein Dienstknecht aus Bötzow, der in Hennigsdorf betteln wollte. Der Kossät Wendland wies ihn ab. Aus Wut darüber steckte er das Wendlandsche Gehöft am Südende des Dorfes in Brand, und durch Funkenflug standen 6 Kossätengehöfte in Flammen. Auch einige an der Landstraße gelegene Höfe brannten nieder. Der Brandstifter wurde vom Gendarm in den Papenbergen erwischt.

1856   Lemckes Arbeiterhaus und von Lehrer Lademann

1856 ließ der Bauer Christian Friedrich Wilhelm Lemcke ein Haus für die Holzarbeiter in den Schifferbergen bauen (heute "In den Schifferbergen 10"). Das zweitälteste Gebäude wurde 1865 in demselben weitläufigen Wald, der sich bis Tegel hinzog, gebaut (heute Konradshöhe). 1854 heiratete die Jungfrau Charlotte Bergemann den Junglehrer Johann Friedrich Wilhelm Lademann aus Löwenbruch. Er bekam die Lehrerstelle in Heiligensee, weil er orgeln konnte. Damit löste er den 82-jährigen Küster und Lehrer Kopp ab. Seit 1834 gibt es eine Orgel in der Dorfkirche. Lehrer Lademann ließ sich mit 60 Jahren pensionieren, wohnte nach dem Auszug aus der Schule in der Sandhauser Straße. Er wurde weit über 80 Jahre alt.

1868   Milchpächter

In Heiligensee gab es um 1868 drei Milchpächter, die allerdings nicht so viel Geld machten wie Carl Bolle aus Berlin. Morgens um 3 Uhr fuhren sie mit der Kutsche und der Heiligenseer Milch zur Sammelstelle nach Tegel oder Berlin. "Milchpanscherei" wurde rigoros geahndet. Auf dem Rückweg wurde meist in Tegel eingekauft; die Heiligenseer hatten ihre Bestellzettel mitgegeben.

1869   Der grobe "Gastwirth"

Gastwirt August Peter ließ 1869 seine Gastwirtschaft auf der Dorfaue bauen, 1888 kam ein Saal dazu. Damals war der Gast und Kunde noch nicht König, sondern der Gastwirt selber. Besonders wenn es sich um Touristen aus Berlin handelte, die sich "wer weiß wie klug" vorkamen. August Peter aber wurde anders beurteilt in Heiligensee. Er galt als guter, frommer Mann, der viel Zeit hatte und auch den Kunden schon mal warten ließ, wenn er gerade seine Pfeife schmauchte. Damals war alles noch viel gemütlicher.

1873   Eine chemische Fabrik

Die erste chemische Fabrik wurde 1873 auf dem Laackenfeld gebaut, kurz vor dem heutigen S-Bahndamm an der Hennigsdorfer Straße. Es war eine "Chemische Produkten- und Dampfknochenmehlfabrik" (später Neudecksche Fabrik). Hier wurde aus Tierkadavern Knochenmehl hergestellt. Die Schwefelsäureproduktion kam dazu. Nach dem Bau der Veltener Vorortbahn 1893 (heute S-Bahn) sollte die Fabrikanlage mit einem Bleikammersystem erweitert werden. Von da an gab es Proteste wegen Geruchsbelästigung, Umweltverschmutzung und Entwertung der angrenzenden Grundstücke. Es kamen später nur wenige Betriebe hinzu. Die See- und Landluft war den Heiligenseern wichtiger als Industrie.

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