Viele biblische Geschichten erzählen von Fürbitten.
Eine beispielsweise steht im Buch Mose: Als Mose das Volk Israel aus Ägypten führt, ziehen sie lange durch die Wüste. In dieser Wüstenzeit werden die Israeliten glaubensmüde. Es fällt ihnen schwer, Gott die Treue zu halten. Schließlich wenden sie sich einem anderen Gott zu. Sie bauen ein goldenes Stierbild (auch das „goldene Kalb“ genannt) und beten es an. Gott wird zornig, und will das Volk zerstören. Mose, der die Abkehr der Israeliten von Gott nicht gutheißt, bittet dennoch für das Volk. Er fleht zu Gott und bittet ihn um Nachsicht – und Gottes Zorn vergeht.
Eine ganz andere Geschichte lesen wir im Neuen Testament (Markus 14, 32-42): Es ist die kurze Episode im Garten Gethsemane, kurz vor der Verhaftung Jesu. Er ahnt, dass ihm der Tod am Kreuz bevorsteht und ist bereit, diesen Weg zu gehen. Aber Jesus hat Angst und er bittet seine Freunde, für ihn zu beten. Doch sie sind zu erschöpft und schlafen ein.
Fürbitte ist ein Gebet, dass die anderen in den Vordergrund stellt – und nicht die eigenen Sorgen. Fürbitte ist ein Gebet für die, die nicht (mehr) beten können, weil sie sich von Gott entfernt haben oder weil ihr Leiden, ihre Not sie ganz und gar vereinnahmt. Fürbitte ist ein Akt der Nächstenliebe.
Die öffentliche Fürbitte für Leidenden – wie wir sie im Gottesdienst sprechen - ist immer wieder auch ein politisches Bekenntnis: wenn für Kriegsopfer gebetet wird zum Beispiel oder für die, die bei einem Aufstand umkommen.
Die Fürbitte für verschwundene Juden in der Zeit des Nationalsozialismus war ein gefährlicher gottesdienstlicher Akt, aber auch die öffentliche Fürbitte für verhaftete Anhänger der Friedensbewegung zur Zeit der DDR.
Die Fürbitte gehört in jeden Gottesdienst. Die Gemeinde betet für die, die von Leid betroffenen sind und bittet Gott um seinen Beistand für sie. Die Gemeinde betet aber auch für die, die Leid verursachen, und bittet Gott, sie zur Umkehr zu bewegen.
Viola Kennert, ehemalige Superintendentin des Kirchenkreises Neukölln
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