Opfer und opfern können in unserer Sprache ganz unterschiedliche Dinge bedeuten:
Auf der einen Seite geht es um Gewalt: Wir sprechen von Kriegs- und Verkehrsopfern, von Opfern von Gewaltverbrechen (Dem entspricht das englische Wort: „victim“).
Auf der anderen Seite geht es um Hingabe: Menschen stellen die eigenen Belange zurück und „opfern“ sich für die Familie, für kranke Eltern oder für Freunde, für ihren Beruf oder für eine Aufgabe (in der englischen Sprache heißt das „sacrifice“).
Auch von solchen Opfern ist in biblischen und religiösen Zusammenhängen die Rede. Vor allem aber kennen wir aus der Bibel – und auch aus anderen Religionen – die Dank- oder Lobopfer. (So bringt zum Bespiel Noah in der bekannten Geschichte von der Arche Noah ein großes Dankopfer, als die Flut vorüber ist und er endlich wieder an Land gehen kann).
Menschen bringen Dankopfer nach der Geburt eines Kindes, nach Genesung oder nach Rettung aus einer Notlage. Früher waren das Tiere. Heute sind es z.B. Spenden für Projekte, die ihrerseits Menschen helfen. Man gibt etwas – aus Dank und Freude.
In religiösen – auch: biblischen – Kontexten gibt es aber auch den Gedankengang, Gott fordere „Opfer“ (Sühnopfer). Dabei ist der Ursprung eigentlich ein umgekehrter: Menschen hoffen, Gott mit „Opfern“ zufrieden zu stellen.
In der christlichen Theologie ist immer wieder um die Frage gestritten worden, ob Gott den Tod Jesu am Kreuz als „Opfer“ gefordert hat, um die Schuld der Menschen zu sühnen, Dabei steht die Rolle Jesu im Mittelpunkt: Hat sein Weg, der Liebe Gottes konsequent treu zu bleiben, so provoziert, dass er hingerichtet worden? Hat er sich durch diese Konsequenz selbst hingegeben? Oder war sein Tod Gottes Wille und Jesu Peiniger Instrumente des göttlichen Willens, seinen Sohn zu opfern?
Die biblischen Zeugnisse erzählen, dass Jesus Gottes Liebe in Taten der Gerechtigkeit, der Solidarität und Heilung übersetzt hat. Dass er den Glauben und das Leben der Menschen über die religiösen Gesetze gesetzt hat. Dass er sich deswegen auch Gegner gemacht hat. Dass diese schließlich seine Verurteilung betrieben haben.
Gott hat diesen Weg Jesu als göttlich gewollten Weg bestätigt – durch die Auferstehung. Jesus hat sich hingegeben. Alle „Opfer“, die Menschen bringen, sind Dankopfer dafür, dass Gott in Jesus Christus diese Welt nicht aufgegeben hat.
Viola Kennert, ehemalige Superintendentin des Kirchenkreises Neukölln
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