Wer das Wort „Sünde“ hört, assoziiert etwas Verlockendes, Sinnliches und Begehrenswertes. Vieles davon war lange verboten - zumindest von der Institution Kirche. Jahrhundertelang gebrauchte sie das Wort Sünde in moralistischer Engführung und sprach - nach heutiger Sicht - unsinnige, unzeitgemäße und genussfeindliche Verbote aus, die bei Übertretung Strafen nach sich zogen.
Biblisch beschreibt das Wort „Sünde“ keine Banalität. Sünde meint nicht: Verbotenes tun. Sünde ist ein Beziehungsbegriff und beschreibt die verfehlte Gottesbeziehung.
In der Erzählung von den ersten Menschen Adam und Eva kommt das Wort „Sünde“ nicht vor. Dennoch wird anhand dieser Erzählung deutlich, was theologisch mit Sünde gemeint ist.
Zwei Menschen, Adam und Eva, bekommen als Lebensgrundlage ein umfriedetes Gelände mit Bäumen als Lebensgrundlage: den Garten Eden. Ihn sollen sie pflegen und bearbeiten. Einzig die Früchte des Baumes der Erkenntnis (von Gut und Böse) sind verboten. „Esst nicht davon.“
Aber die Schlange lockt, das Gebot zu übertretende, sich von Gott abzukehren. Es bedarf nur einer kleinen Beschwichtigung: „Sterben werdet ihr nicht. Ihr werdet sein wie Gott … “ Der Mensch greift zu, „die Augen gehen ihm auf, er erkennt, dass er nackt ist“.
Erzählt wird von Scham. Eine Grenze wurde überschritten. „die Augen gehen ihm auf, er erkennt, dass er nackt ist“. Das ist mehr, als zu verkraften ist. Entblößt steht er da, schutzlos ausgeliefert seinem Bild von sich selbst. Alles, was dem Menschen bisher Bedeutung, Sicherheit, Selbstwert gab, gerät ins Wanken.
Gott fragt nach dem Menschen: „Mensch (Adam), wo bist du?“ Aber Adam versteckt sich, kehrt sich ab.
Die Verstrickung beginnt, wenn Menschen die Scham beiseite drängen, den Fehler nicht einzugestehen wagen, anfangen zu vertuschen. Das führt zu folgenschweren Veränderungen untereinander. „Ich war’s nicht, Eva war’s“, „Die Schlange war’s“, „Du Gott hast die Schlange geschaffen und bist schuld“.
Die Beziehungen sind gestört: zu den Mitgeschöpfen, zu sich selbst und zu Gott. Das ist es, was die Bibel als Sünde beschreibt.
Pfarrerin i. R. Ingrid Schröter
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