Hotelfachfrau im Sandkasten: Wie Jobwechsel frischen Wind in unsere Bildungslandschaft bringen könnten

# Kinder

Hotelfachfrau im Sandkasten: Wie Jobwechsel frischen Wind in unsere Bildungslandschaft bringen könnten

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.

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Hotelfachfrau im Sandkasten:
Wie Jobwechsel frischen Wind in unsere Bildungslandschaft bringen könnten

„In stufenweisen Schritten nähern wir uns in zunehmender Erweiterung der Kinder-Notbetreuung bis zum Sommer einem geplanten Zustand vollständiger Erfüllung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Kitaplatz für alle Kinder.“ Oder so. In einer Zeit, in der viele Grundrechte aufgrund der offiziellen Pandemie beschnitten werden müssen, wird auch der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zu einer Art Worthülse.

Wie soll das ursprüngliche Angebot an Kitaplätzen, das sich ohnehin mit viel zu wenig Personal (Urlaube, Fortbildungen und durchweg hoher Krankenstand) immer weiter von allen verkündeten Qualitätsansprüchen entfernt hatte, jemals wieder vorgehalten werden?

Ein wackeliges Betreuungssystem fordert uns heraus

Solange es keinen Impfstoff gegen Covid-19 gibt, wird es Risikogruppen geben, die im operativen Geschäft einer Kita nicht mehr einsetzbar sind. Es könnte zu ‚Kapazitätsengpässen‘ kommen, steht im Brief des Berliner Senats an die Eltern an mehreren Stellen.

Wenn ich die ab dem 25. Mai gültigen Richtlinien lese, kommt bei mir an, dass sich die lieben Eltern, die unbedingt einen Betreuungsplatz brauchen, und denen er auch zusteht, auf alles gefasst machen müssen: Ihre Kinder können in völlig anderen Zusammenhängen, ohne ihre bekannten Bezugserzieher*innen, in Gruppen mit anderen Kindern, unter Umständen an fremden, ihnen bisher unbekannten Orten von fremden und sogar von berufsfremden Personen für eine viel zu kurze Zeit betreut werden. Ergo: Auch die Kinder müssen sich auf alles gefasst machen; aber genau diese Fassung haben sie ja leider noch nicht entwickeln können. Kinder können sich nur an alles anpassen und kooperieren. 

Über Eingewöhnung entnimmt man dem einzigen Satz dazu im Senatsschreiben übrigens nur, dass sie stattfinden soll, wenn ein Anspruch auf Betreuung besteht. – Wie soll das alles funktionieren?  

Bessere Löhne, mehr Räume für Kinder und Umschulungen zu Erzieher*innen

Der Fußball rollt wieder, die Autoindustrie drängelt, die Lufthansa soll gerettet werden, aber was ist die Basis dafür, dass die jüngeren Menschen in ihren produktivsten Jahren überhaupt wieder arbeiten können, und zwar auch die Mütter?

Was sagt meine Fantasie dazu? Wenn ich ‚Bestimmer‘ wäre – wie ein Kita-Kind sagen würde –würde ich statt Diskussionen über eine Abwrackprämie lieber eine über anständige Tarifverträge mit angemessener Entlohnung für systemrelevante Berufe in Bildung und Pflege führen. Erst dann wird wieder mehr Menschen geben, die in diese Berufe streben. Und das müssen sie schnell und möglichst mit Niveau!

Da im Moment sowieso alle peniblen Vorschriften gebrochen werden, könnten frei werdende Räumlichkeiten schnell zu ‚Kinderlandschaften‘ hergerichtet werden. Sollte z.B. ein großer Laden, ein Restaurant mit Küche, ein Hotel oder ein Warenhaus geschlossen werden, greifen wir zu und machen was draus.

Kundenfreundlichkeit wäre auch Kindern gegenüber ein Gewinn

Und wo kommt das Personal her? – Es gibt so viele, die gerade ihren Job verlieren oder als Selbstständige nicht weiterarbeiten können. Vielleicht wären sie froh, wenn ihnen ein großes berufsbegleitendes Programm Umschulungen oder Ausbildungen ermöglichte. Künstler, Kulturschaffende – im wahrsten Sinne des Wortes – Leute, die in der Gastronomie und im Hotelgewerbe tätig sind, müssen sowieso eine disziplinierte, kundenfreundliche und dienstleistungsbewusste Haltung haben, schnell und patent auf Kundenwünsche eingehen und flexibel einsetzbar sein.

Proaktive und kreative Menschen, die sich als „Servicepersonal“ für Selbstbildungsprozesse von Kindern zur Verfügung stellen und es nicht gewöhnt sind, sich in einer Arbeitnehmerhaltung zu bewegen, hätten eventuell eine interessante neue berufliche Zukunft. Vielleicht wäre das der frische Wind, der der Bildungslandschaft sogar guttun würde! So ähnlich sind in den 70er Jahren auch die Kinderläden entstanden.

Die Ausbildungseinrichtungen müssten dann auch vorneweg und flexibel denken. Ich würde am liebsten sofort mit ein paar schnellen Spielzügen wie im Kombinationsfußball eine Ausbildungsinitiative ins Leben rufen und leistungsstarke Menschen, denen jetzt die Basis verloren geht, zumindest für eine Lebensphase diese Berufslandschaft eröffnen, damit sie gar nicht erst abstürzen, sondern sofort in eine neue Perspektive einsteigen können.

Und gibt es etwas Schöneres, als mit Kindern gemeinsam an einer neuen Zukunft zu arbeiten?


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