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Fake News aus dem Kinderzimmer: Vom Flunkern, Schummeln und Lügen

# Kinder

Veröffentlicht am Donnerstag, 28. Mai 2020 08:15
Fake News aus dem Kinderzimmer: Vom Flunkern, Schummeln und Lügen

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.

HIER gibt es diesen Text als pdf zum Download.


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Fake News aus dem Kinderzimmer: Vom Flunkern, Schummeln und Lügen

„Du sollst doch nicht lügen!“ Diese Order, mit strafendem Blick von Eltern oder pädagogischen Fachkräften herausposaunt, kennen wir. Es käme allerdings einem sozialen Todesurteil gleich, wenn sich ein Kind tatsächlich daran halten würde. Wenn es denn könnte! Mit dieser Lüge von der Lüge sollte aufgeräumt werden.

In einer Doku in der Arte-Mediathek sah ich neulich einen interessanten Beitrag dazu.

Demnach ist die Fähigkeit der Täuschung ein gelerntes Verhalten, das als soziale Taktik dazu dient, im sozialen Gefüge überhaupt bestehen zu können. Zwischen 2 und 80 Mal pro Tag lügt jeder Mensch, Politiker im Besonderen. Wir wollen raten, wem die meisten Lügen nachgewiesen wurden ;-). Das Lügen gehört aber zum politischen Geschäft; das würde wohl niemand bestreiten. Und insbesondere in Krisenzeiten verliert die Wahrheit an Bedeutung und macht Platz für ‚Fake News‘.

Es ist also eine Tatsache, dass alle Leute lügen. Spätestens mit fünf Jahren ist das Gehirn eines Kindes so weit ausgereift, dass es die kognitiven Fähigkeiten besitzt, zu flunkern, und mit sechs Jahren kann es nach wissenschaftlichen Beobachtungen sogar die Taktik wechseln. Lügen zu können beinhaltet im Übrigen auch die Fähigkeit, Lügner entlarven zu können!

Wofür brauchen wir das Lügen?

Menschen verhalten sich so, wie sie glauben, dass die Welt ist und wie sie sich verhalten sollen, um zur Gemeinschaft zu gehören. Nun ist aber jedes Individuum mit Ecken und Kanten versehen. Es gebraucht geradezu instinktiv dieses Mittel, um mit einer gewissen sozialen Geschmeidigkeit Kränkungen, unnötigen Ärger, Beunruhigungen und Stress zu vermeiden.

Dieses Verhalten ist ganz klar von vorsätzlichem Betrug, Verrat, Verleugnung, Hintergehen und aggressiver Herabwürdigung bis zur Ausbeutung durch Lügen abzugrenzen.

Ein Beispiel für die Alltagslüge? „Tut mir leid, dass ich zu spät zur Sitzung komme, ich hatte noch einen dringenden Anruf“. Naja. Eher stand ich zu lange im Bad mit dem Schminktäschchen vorm Spiegel, um meine Alterserscheinungen zu vertuschen, und dann vorm Kleiderschrank, weil ich mich für die Sitzung unbedingt vorteilhaft kleiden wollte. Wo fängt das Schummeln an?    

Wie der Körper unser Flunkern verrät

Wenn man clever ist, kann man durch die Bewegungen der 26 an der Mikroexpression beteiligten Gesichtsmuskeln, die Farbe der Wangen, die Bewegung der Augen und die Körperhaltung durchaus eine Person ‚lesen‘ lernen und denken: „Na, ob das wohl stimmt?“

Gerade emotionale Lügen erkennt man gut daran, dass sich die Person ungeheuer anstrengt, möglichst „wahrheitsgetreu“ Details auszuschmücken und mit Engagement zu schwafeln, während sich das Gehirn erwärmt, vielleicht Schweiß auf die Stirn tritt und sich die Wangen röten.

Ein Kind, das dieses Prinzip einmal durchschaut hat, erkennt den Nutzen und probiert es aus. Kinder machen – wie schon oft erwähnt – den Erwachsenen sowieso alles nach bzw. identifizieren sich damit.

Einmal ist es eine Notlüge, ein andermal lügt es aus Angst vor Strafe, wenn es bei irgendwas erwischt wurde. Oft ist es eine Notwehr, oder einfach der Spaß am Machtspiel. Ein „schlauer Fuchs“ muss clever sein, und wollen wir Eltern nicht, dass sich unsere Kinder in schwierigen Situationen zu bewegen wissen? Da kommt man mit der Wahrheit oft nicht durch!

Beim Schwindeln ertappt? Lassen Sie die Moralkeule stecken

Wenn Sie also ihr Kind beim Lügen „erwischen“, dann lassen Sie die Moralkeule stecken, und forschen Sie lieber nach, weshalb es das Verleugnen der Wahrheit nötig hat. Vielleicht war der Grund Konkurrenz oder Eifersucht zwischen Geschwistern, der Stress in der Kita, wenn man auch mal der „Bestimmer“ sein will, oder einfach der Wunsch, beim Spiel zu gewinnen. Später in der Schule ist es dann der intelligente Spickzettel, der hilft, eine bessere Bewertung zu bekommen. Wenn das Selbstwertgefühl unzureichend ist, um sich genug für Leben und Erfolg zuzutrauen, kann es zu Betrug kommen, und das ist schlimm und kriminell oder zumindest emotional verletzend. Diesen Unterschied sollten Kinder kennen! Und deshalb ist es wichtig, sich damit zu befassen, was ein Kind dazu gebracht hat, auf diese Taktik zuzugreifen. Angst, Ehrgeiz, Minderwert, fehlende Frustrationstoleranz, Wut, Berechnung oder einfach nur Spiel?


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