Das halbvolle Glas – oder: Wie Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst

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Das halbvolle Glas – oder: Wie Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.

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Das halbvolle Glas – oder: Wie Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst

„Springen, du musst springen!“ Am Ende des Filmes „Astrid“ über die Jugend von Astrid Lindgren ertönt ein schwedisches Kinderlied, das mit dieser Zeile beginnt und von Mut, der Schönheit des Lebens und dem Überwinden auch schwieriger Zeiten erzählt. Astrid Lindgren hat Geschichten erzählt, die Kindern gefallen und die Erwachsene gerne vorlesen. Verrückte Welten, die vor Themen über Leben und Tod, Einsamkeit und Freundschaft mit Spannung und Idylle in den buntesten Farben nur so strotzen.

Ich schaue viele Sendungen an, die die grauenvollen Themen dieser Welt öffentlich machen, ohne dass sich etwas zu ändern scheint. Ob Flüchtlingsdramen auf dem Mittelmeer, atomare Aufrüstung des Iran, dummes Gerede der rechten Aufhetzer oder generell Warnungen, was böse Menschen im Schatten der Corona-Krise an Rassismus und Kriegstreiberei durchzusetzen versuchen.

Es kann einem nur schlecht werden, weil allem, was da gleichzeitig geschieht, emotional gar nicht hinterherzukommen ist. Die Corona-Krise hatte durch ihren begleitenden Shutdown eine geradezu vereinfachende Struktur über den Globus gelegt. Jetzt fördert die Nervosität der Menschen beim langsamen Auftauchen aus der Privatsphäre in ein öffentliches Leben die ganzen alten emotionalen Ablagerungen zu Tage: Geschichten, die beunruhigen und Ängste schüren.

Die Sprache, die wir verwenden, produziert Bilder

Ich habe mir überlegt, dass eine erhellende Gegenmaßnahme sein könnte, andere Geschichten zu erzählen. Wir wissen dank der Hirnforschung, dass unser Unbewusstes auf Bilder reagiert. Der Gebrauch von Sprache produziert Bilder, und was auf dieser Ebene entsteht, kann ich sehr wohl beeinflussen. Ich kann das Positive benennen und vieles auch in angenehmere Sichtweisen umformulieren. Es geht mir „nicht schlecht“ bewirkt etwas anderes als „es geht mir ganz gut“.

Astrid Lindgren hat es verstanden, die elementaren Gefühle in ihren Geschichten zur Sprache zu bringen. Wir alle können Geschichten erzählen, tun es jeden Tag, und können bestimmen, ob wir das halbleere oder das halbvolle Glas sehen wollen.

Die Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Wehling hat über „Politisches Framing“ geforscht und herausgefunden, wie viel Macht in der Sprache liegt und wie sie in der Politik eingesetzt wird. Also kann ich das auch! Die Rapper machen das ganz spontan aus der Hüfte.

„Der Battle-Rapper versucht, den Gegner mit möglichst fantasievollen und in technisch möglichst ausgefeiltem Sprechgesang vorgebrachten Beleidigungen in Form von Reimen anzugreifen.“ (Zitat Wikipedia)

Wenn ich jetzt „Beleidigungen“ beispielsweise in „Umarmungen“ umformuliere, wird ein ganz anderes paar Schuhe draus!

Das wäre doch wirklich mal eine coole Sache, einen richtig handfesten Embrace-Rap ins Leben zu rufen, und zwar in männlicher und weiblicher Variationsbreite quer durch den Regenbogen! Zum Beispiel so:



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