Erfahrungswerte: Was Corona mit dem Straßenverkehr zu tun hat

# Kinder

Erfahrungswerte: Was Corona mit dem Straßenverkehr zu tun hat

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.

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Erfahrungswerte: Was Corona mit dem Straßenverkehr zu tun hat

„Kein Plan überlebt die Begegnung mit der Realität.“
Karl Bernhard von Moltke, 1871, verkürzte Fassung

Im Moment haben wir eine Situation, in der nicht klar ist, was falsch oder richtig ist. Wahrscheinlich greift diese Kategorie auch zu kurz. Wir brauchen jetzt die Fähigkeit zum „sowohl als auch“: Zum einen die Einsicht und das Vertrauen in die zum Teil widersprüchlich erscheinenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Und zum anderen das Unterscheidungsvermögen, dass wir trotzdem eigenverantwortlich unsere Meinung haben dürfen und unser Leben gestalten müssen. Manchmal geht das auf der emotionalen Ebene ganz schlecht zusammen.

Es fehlt uns momentan noch an Erfahrung

Da wir mit so einer Situation keine Erfahrung haben, müssen wir auf vergleichbare Erlebnisse zurückgreifen. Wenn meine Eltern früher gesagt haben, ich solle nicht alleine über die Straße gehen, weil die Autos gefährlich seien und mich totfahren könnten, habe ich die Autos zwar gesehen, es mir aber trotzdem nicht vorstellen können. Und schon gar nicht, wenn ich in meiner verträumten Kinderwelt daherkam.

Gefahrensituationen höherer Ordnung habe ich als Kind nie erkennen können, sondern brauchte den größeren Erfahrungshorizont der Erwachsenen, die mich mit ihrem Wissen beschützen wollten: manchmal mit blödsinnigen Regeln, und meistens einhergehend mit ungerechtem Schimpfen, wenn ich etwas „falsch“ gemacht hatte, weil ich es doch noch nicht besser wissen konnte. Hinterher ist man schlauer, heißt es so schön: Eben oft erst, wenn man peu à peu seine schmerzvollen Erfahrungen gemacht und überlebt hat. So wird es uns vermutlich auch nach der Corona-Pandemie gehen.

Wir haben die Freiheit, aufeinander Rücksicht zu nehmen

Aktuell kann man deutlich sehen, dass Zusammenkünfte, in denen trotz formeller Einhaltung vorgeschriebener Hygieneregeln ungeschützt miteinander gesprochen oder gar gesungen wird, zu fröhlichem Aerosolaustausch und erneutem Infektionsgeschehen führen können.

Manchem scheint das entweder lediglich nicht klar oder in einigen Fällen auch egal zu sein, solange Corona „nur“ die anderen, vor allem die Alten und Vorerkrankten mit schwerwiegenden Folgen treffen kann.

Was brauchen wir in dieser Situation? Wer trägt dafür die Verantwortung? Die Eltern, die Bildungssysteme, die Kultur, die Wissenschaft, die Politik. Und schließlich als Erwachsene wir selbst. Unsere persönliche Freiheit besteht hauptsächlich darin, miteinander über alles offen reden zu können, sogar zu müssen, um nicht in eine ‚Opferhaltung‘ zu geraten und da stecken zu bleiben.

Das Kleine verstehen, um das große Ganze zu begreifen

Mein Vater war schon relativ alt und durch zwei Kriege gezeichnet, als ich auf die Welt kam, und er sprach nicht wirklich viel mit mir. Aber manchmal sagte er in sentimental-alkoholisierter Laune wiederholt sehr weise Dinge, die mein Leben umso intensiver geprägt haben: „Dein Schicksal liegt in Deiner kleinen Hand“, und dann streichelte er meine kleine offene Handfläche.

Der andere Satz war nicht minder nachhaltig: „Martina, du musst das kleine Einmaleins beherrschen, sonst lernst du nie Algebra und Mathematik. Du musst logisch denken lernen, wenn du etwas verstehen willst.“ Damals verstand ich gar nichts; aber es saß und leitete mich; denn mein Papa wusste, dass ich unglaublich neugierig bin. Und genau das brauchen unsere Kinder, um diese Gesellschaft, diese Welt weiterführen zu können: klare, wertebasierte und liebevolle Leitmotive. Kein Curriculum und kein Bildungsplan hält jetzt die Inhalte bereit, die wir gerade konsequenterweise brauchen.

In der heutigen Zeit bedeutet das, mit ihnen gemeinsam diese neuen Herausforderungen zu bewältigen. Wir sind nicht viel schlauer als sie, nur älter und erfahrener, ob als Eltern, Großeltern, Pädagogen in Kitas oder Lehrerinnen. Ich finde, es ist jetzt eine gute Zeit, um gemeinsam zu überlegen, wie das Leben weitergehen soll.


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