Streithahn-Alarm: Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 1 (von 3)

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Streithahn-Alarm: Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 1 (von 3)

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.

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Streithahn-Alarm: Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 1 (von 3)

Eines meiner zentralen Themen ist die Konfliktbehandlung mit Hilfe von Mediation. Ein Einblick ist in einem kurzen Text nicht zu schaffen – deshalb lesen Sie heute den ersten von drei Teilen dazu.

Fangen wir mit den allgemeinen Grundsätzen für Mediation an, die für Erwachsene und Kinder gleichermaßen gelten: Das Ziel ist, dass sich die „Streithähne“ oder „Zankdrosseln“ selbst und eigenverantwortlich durch Kommunikation in einer Verhandlung einigen und versöhnen können. Meistens läuft das Miteinander hinterher viel besser als vorher.

Eine Einigung ist nicht zwingend ein Kompromiss

Die Einigung im „Konsens“ auf einen gemeinsamen Nenner sollte in die Zukunft gerichtet sein, für beide Seiten einen spürbaren Gewinn – also ohne Gewinner und Verlierer – mit sich bringen und bestenfalls eine nachhaltige Wirkung haben. Im Gegensatz dazu steht der „Kompromiss“, der immer einen etwas schalen Beigeschmack von Verlust oder Verzicht mit sich bringt, obwohl inhaltlich vielleicht gar kein Unterschied besteht.

Zuerst werden die Unterschiede der Interessen wahrgenommen. Anschließend wird der Fokus auf das Gemeinsame gerichtet. Im Gegensatz zu einer „hierarchischen“ Haltung (von oben nach unten) erfordert das eine ganz andere „gleichwürdige“ oder „geschwisterliche“ Haltung auf einer Ebene.

Da wir in unserer Sozialisation eher die hierarchischen Machtverhältnisse kennengelernt haben („Geh zum Anwalt, der boxt das für Dich durch!“), ist auf der anderen Ebene für jeden noch viel Luft nach oben in der Persönlichkeitsentwicklung.

Eine Sache der Wahrnehmung: Was ist ein Elefant?

Der zweite wichtige Aspekt ist die Anerkennung, dass jede*r eine andere Perspektive auf dieselbe Sache hat. Das wird schön mit dem uralten Gleichnis aus dem asiatischen Kulturkreis von den Blinden und dem Elefanten erklärt. Eine Version der Geschichte ist die folgende.

Blinde Menschen werden von ihrem Lehrmeister gebeten, durch Betasten zu ermitteln, was ein Elefant eigentlich ist. Keine blinde Gefolgschaft wollte der Lehrmeister, sondern die Selbsterfahrung. Dazu sollte jeder Blinde für sich einen – jeweils unterschiedlichen – Körperteil des Elefanten ganz genau untersuchen.

Hätten Sie als sehender Mensch den Mut, einen wirklich enorm großen Elefanten zu betasten? Die Blinden vertrauen ihrem Lehrmeister und wagen die Berührung. Ihr Vertrauen gibt ihnen die Sicherheit, ihrer Neugierde zu folgen und sich für eine neue Erfahrung zu öffnen. Jeder untersucht den ihm zugewiesenen Körperteil mit seinen Händen, um zu begreifen, was ein Elefant ist. Dann beschreiben und vergleichen sie ihre Erfahrungen miteinander und stellen fest, dass jede individuelle Erfahrung – je nach Perspektive – zu ihrer eigenen ganz individuellen Schlussfolgerung führt:

 Der Blinde, der das Bein befühlt, sagt, dass ein Elefant wie eine Säule ist.
 Der, der die Schwanzspitze anfasst, erkennt im Elefanten so etwas wie eine Bürste.
 Derjenige, der den Schwanz abtastet, merkt, dass ein Elefant sich wie ein Seil anfühlt.
 Der, der den Rüssel befühlt, spürt, dass ein Elefant Ähnlichkeit mit einem Pflug hat.
 Der, der das Ohr inspiziert, entdeckt, dass ein Elefant wie ein Handfächer ist.
Der, der den Bauch berührt, bemerkt, dass ein Elefant sich wie eine Wand anfühlt.
Der, der den Rücken betastet, entdeckt so etwas wie einen Mörser im Elefanten.
Der, der den Stoßzahn erkundet, erkennt die Ähnlichkeit des Elefanten mit einer stabilen Röhre.

Als die Blinden in Streit darüber geraten, wer denn jetzt richtig läge, erklärt ihnen der Lehrmeister, dass sie alle recht hätten. Der Grund für die verschiedenen Perspektiven sei, dass jeder von ihnen einen anderen Teil des Elefanten berührt habe. Denn in Wahrheit hat ein Elefant all die Eigenschaften, die die Blinden beschrieben haben. Und noch viele mehr als diese.

Wie Realität wahrgenommen wird und als Wirklichkeit auf uns wirkt, hängt unmittelbar mit der eigenen Erfahrung zusammen. Und so gibt es eben nicht nur die eine Realität, sondern ganz unterschiedliche Blickwinkel und Wahrnehmungen davon, die alle gut nebeneinander gelten gelassen werden könnten. Alle Streitereien über Standpunkte und Blickwinkel über Recht-haben-wollen treten im gemeinsamen Berühren und Berührtsein in den Hintergrund.

Den Perspektivwechsel üben

Es gibt viele kleine und lustige Möglichkeiten, wie man mit Kindern oder bei sich selbst den Perspektivwechsel üben kann. „Was siehst du denn genau?“ – „Wie siehst du denn die Dinge?“ – „Was ist deine Einschätzung?“ – „Welche Gefühle entstehen auf diese Weise bei dir?“

Natürlich prägen auch unsere Vorerfahrungen unsere Interpretationen und Bewertungen dessen, was wir wahrnehmen. Manchmal haben sie mit der konkreten Sache vor einem gar nicht mehr so viel zu tun.

Wer sich auf diesen Weg der Betrachtung von Konflikten einlässt, hat einen spannenden Weg vor sich. Fortsetzung folgt!


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