Kinder haben mehr vom Leben! Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 2 (von 3)

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Kinder haben mehr vom Leben! Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 2 (von 3)

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.

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BLOG 64

Kinder haben mehr vom Leben! Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 2 (von 3) 

Kinder haben mehr vom Leben, weil sie weniger zensieren. Sie gestatten sich, zu streiten, zu kämpfen, zu spielen und verschiedene Rollen auszuprobieren, die sie sich bei den Erwachsenen abgeguckt haben. Sie müssen das sogar tun, um in dieser Welt zurechtzukommen und eine eigene Identität aufbauen zu können. Wenn sie etwas erlebt haben, wollen sie es aktiv ausprobieren. Sie inszenieren ihre Erlebnisse und Erfahrungen und überprüfen sie im spielerischen Rahmen.

Gewissen, Normen, Vernunft und die bewusste Orientierung an Wertesystemen haben sie noch nicht. Zum Glück! Denn das gibt ihnen die Freiheit, eine eigene, sich unter Umständen von ihren Eltern und ihrer Familie unterscheidende, Entwicklung zu nehmen. Vielleicht retten sie mit ihren veränderten Wertvorstellungen sogar die Zukunft ihrer Erzeuger und Erzieher*innen!

Wenn zwei sich streiten … kommt meist ein Erwachsener

Wenn Kinder sich streiten, kommt meist ein Erwachsener mit einer vorgefertigten Meinung im Kopf dazu und sagt Dinge wie: „Du weißt doch, dass Du nicht hauen sollst!“ oder „Das Auto gehört dem Fritz, damit darfst Du jetzt nicht spielen!“ oder so etwas wie „Jetzt entschuldige Dich bei der Lara!“ Meistens gucken die Kinder dann schuldbewusst und wissen häufig gar nicht, worum es wirklich geht, weil ihre Welt noch eine andere ist als unsere.  

In der Regel haben Erwachsene bereits ein Urteil darüber parat, was sie am Ende einer Situationsabfolge mitbekommen haben. Kleine und vermeintlich Schwächere werden oft sofort mit aller Parteilichkeit in Schutz genommen, getröstet und verteidigt. Was Kinder dabei lernen: Egal, wie es „wirklich“ war – eine mächtigere Person kommt von außen und beurteilt, wer recht und wer unrecht hat. Das vermeintlich schwächere Kind lernt dabei nicht, sich zu artikulieren, und das vermeintlich stärkere nicht, zu erklären, was zu der Aggression geführt hat.  

Wie kommt man aus der Schwarz-Weiß-Malerei von „gut“ und „böse“ heraus?  

Um Positionen wie „Täter“ und „Opfer“ und „gut“ oder „böse“ nicht zu verfestigen, braucht es ein aktives Zuhören und differenziertes Artikulieren. Kinder ab dem Alter von 3 Jahren leben in dieser Polarität; sie beginnen die Welt auf diese Weise zu verstehen und zu unterscheiden. Früher hieß das: „Räuber und Gendarm“.  

Leider bleiben viele Menschen für den Rest ihres Lebens in dieser einfachen Unterscheidung hängen. Wie kommt man nun an die „Zwischentöne“ ran?  

Schritt 1 ist, wie im ersten dieses dreiteiligen Blogtexts beschrieben, dass ich nicht sofort mit einer Beurteilung der Situation reagiere, wenn ich einen Streit oder ein Weinen bei meinen Kindern höre, sondern mich ihnen „allparteilich“ oder „überparteilich“ zuwende.  

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mich nicht sofort für ein Kind zu positionieren, auch wenn ich glaube, die Lage beurteilen zu können, sondern mich erst einmal rauszuhalten. Ich akzeptiere, dass meine Perspektive nur eine Möglichkeit ist, und die Kinder jetzt den wunderbaren Lernprozess vor sich haben, ihre Perspektive zu artikulieren und Gleichwürdigkeit zu erleben.  

Lassen Sie alle am Streit Beteiligten ausreden  

Wie in einer Mediation mit Erwachsenen positioniere ich mich auf gleiche Entfernung (circa Armeslänge, ggfs. mit leichter Berührung an der Schulter), in einem Dreieck (Triangulation) „auf Augenhöhe“ zu den Kindern und frage nacheinander, was aus ihrer Sicht geschehen ist.  

Dabei lernen sie, nacheinander zu reden, ausreden zu lassen und dass sie die Zeit bekommen, die sie brauchen, um sich zu äußern. Diese Geduld sollten alle füreinander aufbringen. Indem ich kurz spiegele, ob ich richtig verstanden habe, erlöst allein das Erzählen und Ernstgenommenwerden die Kinder von der aufgeladenen Stimmung. Wenn dann das Thema auf dem Tisch ist, die Gefühle entladen sind, kann ich fragen, wie sie sich den Umgang damit vorstellen. Sie dürfen Ideen äußern.  

Kinder haben ein gutes Gespür für Gerechtigkeit  

Da Kinder über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügen, sind sie meist auch schnell zu einer Wiedergutmachung und Vereinbarung bereit. Ich passe auf, dass es nichts Unrealistisches ist und weise ggfs. darauf hin. Je nach Thema kann am Ende eine Vereinbarung, ob mit Handschlag, ‚High Five‘ oder sogar einem schriftlichen Vertrag mit Wort und/oder Bild getroffen werden.  

Wenn Sie das ein paar Mal gemacht haben, erleben die Kinder eine unglaubliche Ermächtigung in ihrer Selbststeuerung. Die „Schwächeren“ werden stärker und die Stärkeren nicht weiter darin bestärkt, dass sie mit ihrem Verhalten Aufmerksamkeit in Form von Negativ-Zuwendung bekommen.  

Ach ja, die „Sanktionen“ nicht vergessen. Was geschieht, wenn sich eine*r nicht an die Vereinbarung hält? Das müssen die beiden miteinander vereinbaren. Ich begleite, biete den Rahmen, spende Sicherheit – aber ich nehme ihnen die Aufgabe nicht aus der Hand, ihre Konflikte selbst zu lösen. Man kann auch noch einen „Friedensteppich“ als Schauplatz für die Mediation ausrollen und so ein kleines Ritual kreieren.  

Sie haben keine Vorstellung, was sie den Kindern Gutes für ihr Leben tun, wenn Sie ihnen diese Prinzipien nahebringen und vorleben! Sie alle lernen, ungehindert Empathie zu entwickeln.


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