Was ist eigentlich Empathie? Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 3 (von 3)

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Was ist eigentlich Empathie? Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 3 (von 3)

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.

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Was ist eigentlich Empathie? Konfliktbehandlung mit Kindern – Teil 3 (von 3)  

Empathie oder auch Einfühlungsvermögen, bezeichnet die Fähigkeit, sich in die Gefühle, das Weltbild und die Gedanken von anderen hineinversetzen zu können. Diese Bedeutung leitet sich von dem aus dem Griechischen stammenden Wort empatheia ab, das übersetzt „Einfühlung“ bedeutet.  

Kinder können ab einem Alter von etwa vier Jahren durchaus die Perspektive wechseln, was man an ihren Rollenspielen beobachten kann. Die Voraussetzung für diesen Entwicklungs-schritt ist die „Autonomiephase“ oder kurz – negativ bewertend – das Trotzen im Alter von zwei bis manchmal vier Jahren. Diese Phase ist ein wichtiger Baustein für die Entwicklung eines Ich-Bewusstseins.  

Trotzen zeigt: Das Kind ist auf dem Weg zu Mitgefühl und Empathie  

Man mag es kaum glauben, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn das Kind regelmäßig vor Wut tobt. Ist es aber! Das Kind ist auf dem Weg, Mitgefühl und Empathie zu lernen. Trotzen zeigt, dass es sich nicht nur als eigenständiges Wesen begreift, sondern sich auch anderer Men-schen bewusst wird. „Erst wenn ein Kind sich geistig so weit entwickelt hat, dass es eine andere als die eigene Perspektive einnehmen kann, ist auch prosoziales Verhalten möglich“, sagt Silvia Wiedebusch, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Hochschule Osnabrück, in einem Artikel auf der Webseite familie.de  

Streit schlichten? Bleiben Sie unparteiisch!  

Wer Kindern nahebringen möchte, mit Konflikten umzugehen, muss diese Entwicklungen berücksichtigen und nutzen. Das Autonomiebedürfnis ist in jeder Phase stark und bleibt auch so. Und wie mache ich das ganz konkret, wenn zwei Kinder sich um ein Spielzeug streiten und die Situation gerade ungemütlich wird? Indem ich empathisch bin! „Ja, Fritz, du bist wütend auf Karl und möchtest gewinnen. – Und du, Karl, bist wütend auf Fritz, weil du auch gewinnen möchtest. Und wie macht ihr das jetzt mit dem Auto?“ Ich habe gleichen Abstand zu beiden Kindern, respektiere ihr berechtigtes Autonomiebedürfnis und nutze ihre bereits gewonnene Fähigkeit zur Einfühlung in einen anderen; denn das Gefühl, um das es gerade geht, kennen beide.  

Die kleinen Gehirne werden rattern und mit dem Gefühl kämpfen; aber irgendwann kommt eine Lösung. Wenn ich als Erwachsene jetzt die Geduld aufbringe und nicht sage: „So, jetzt reicht’s, erst bekommt Fritz das Auto für 15 Minuten und dann Karl.“ Wenn ich es also schaffe, nicht Bestimmer sein zu wollen – angeblich ‚um des lieben Friedens willen‘ (pfui Teufel!) – sondern den Kindern Ihren Raum lasse, sich zu vereinbaren. Gewaltfrei, wert-schätzend und die Situation einschätzend – dann habe ich unter Umständen mehr gegen zukünftigen Schwierigkeiten getan, als ich mir vorstellen kann. Vor allem, wenn das zum grundlegenden Prinzip im Umgang miteinander wird.  

Natürlich gibt es Situationen, in denen ich eingreifen muss, bei Wutausbrüchen mit verletz-endem Verhalten zum Beispiel. Oder ich kann auch mal sagen: „Kinder, ihr wisst, dass ich eigentlich möchte, dass ihr das alleine aushandelt. Aber jetzt habe ich leider keine Zeit und entscheide ausnahmsweise für euch, wenn Ihr das nicht so schnell hinkriegt, weil wir gehen müssen“ Oder ähnlich.  

Auch die Schwächeren müssen lernen, sich selbst zu behaupten  

Die Machtspiele zwischen standhafter Vertretung des Eigensinns und der Fähigkeit des Nachgebens (weil das Kind ja mit Freund oder Freundin weiterspielen möchte), sind notwendige Lernprozesse – genauso, wie man lügen lernen muss.  

Wir Erwachsenen haben schon so feste Wertvorstellungen im Kopf, dass wir Situationen, die wir als „Gemeinheit“ identifizieren, sofort beurteilen und richtigstellen möchten. Stopp! Machen Sie lieber die Arme auf, positionieren Sie sich allparteilich, hören Sie aktiv zu und lassen Sie Spielraum.  

Denn auch die vermeintlich „Schwächeren“ müssen lernen sich zu behaupten. Nimmt man sie immer in Schutz, behindert man sie und besiegelt noch ihre Schwäche. Und der vermeintlich „Stärkere“ wird in seinem Verhalten bestätigt. Der Neurobiologe Prof. Gerald Hüther sagt drastisch, es sei Kindesmisshandlung, wenn man Kindern ihre Probleme nimmt. Sinnvoller ist es, uns die Zeit und die Achtsamkeit nehmen, um sie unter Berücksichtigung ihres Alters in ihren Prozessen zu begleiten. Das ist Mediation. Oder besser: Das ist gute Be-ziehung statt Er-ziehung!


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