Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über gelingendes Familienleben im Corona-Modus und gibt Tipps für die Zeit zwischen Homeoffice und Kinder-Dauerbetreuung.
HIER gibt es diesen Text als pdf zum Download.
BLOG 66
Wie kann ich mit der hilflosen Wut meines Kindes umgehen – und meiner eigenen?
Verhaltensprobleme durch Aggressivität kommen bei Kindern immer häufiger vor. Sie beginnen manchmal schon in sehr jungem Alter. Das hat nach Einschätzung vieler Pädagogen und Psychologen mit den Schwierigkeiten der „neuen“ Eltern in der heutigen Zeit zu tun.
Meistens sind auch die Kita-Mitarbeiter*innen irgendwann mit ihrem Latein am Ende und verweisen die Eltern an Diagnostik und Therapie, um dem Kind vor dem Schuleintritt eine Perspektive zu eröffnen.
Eltern sehen bzw. hören das in der Regel nicht gerne. Ein Argument ist, dass das Kind nicht stigmatisiert und pathologisiert werden soll. Ein richtiger Gedanke, denn natürlich haben die Probleme eines Kindes mit den persönlichen psychologischen Hintergründen der Eltern zu tun, die unbewusst auf das Kind übertragen werden oder auf die das Kind reagiert. Wenn die Eltern ihre Probleme lösen würden, wäre das Kind doch völlig in Ordnung. Wenn es denn so einfach wäre!
Kinder brauchen echte und sichere Beziehungen
Wir brauchen uns nur die Trennungs- und Scheidungsraten anzuschauen, um uns klarzuwerden, dass die Bedeutung von dauerhaften und Kindern Sicherheit spendenden Beziehungen erdrutschartig anderen Zielen und Werten weichen musste. Ausnahmslos jedes Kind leidet sowohl unter Streit zwischen den Eltern als auch unter ihrer Trennung – übrigens genauso wie unter geheuchelter Harmonie. Kinder wollen es echt und sicher!
Nicht nur der Klimawandel ist eine Folge der zivilisatorischen Entartungen; er spiegelt die Veränderungen auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie heißt es so schön? „Jedes menschliche Verhalten kann süchtig entarten.“ Bitte verstehen Sie das nicht als Vorwurf oder Schuldzuweisung, sondern als nüchterne Diagnose.
Den Kindern muss geholfen werden
Es gibt wenige bis keine Angebote und Programme zur Gewaltprävention für Kinder im Vorschulalter. Sie benötigen, wie in mehreren meiner Blogs beschrieben, eine gute Co-Regulation, um die Selbstregulation zu erwerben. Wenn das einem als Elternteil aus nachvollziehbaren und verständlichen Gründen nicht gut genug und kontinuierlich gelingt, braucht es also ein Helfersystem.
Leider können wir uns weder unsere Kinder noch uns selbst als Eltern so backen, wie wir gerne wären, wenn unsere eigene Familiengeschichte eine andere gewesen wäre. Ist sie aber nicht!
Sie sind in Ordnung, wie sie sind – aber vielleicht nicht alles, was sie tun
Diese Haltung ist ein wesentlicher Punkt in der Mediation: „Du bist okay, aber nicht das, was du getan hast!“ – „Ich habe dich lieb mit allen deinen Seiten, aber das geht so nicht!“ Es erfordert eine wahnsinnige Selbstdisziplin, sich diesen Unterschied als Eltern immer wieder vor Augen zu halten. In den Details des Alltags steckt die Mühe, wenn man seinem Kind nicht unkontrolliert zu Willen sein möchte:
Zeigen Sie, was Wiedergutmachung bedeutet
Eine positive Tat einer vorangegangenen verletzenden Tat hinzuzufügen, ist gleichbedeutend mit dem Erlernen von Anstand. Sie als Erwachsener müssen wieder zu einer Autoritätsperson werden und diese Wiedergutmachung leiten.
„Wenn du glaubst, dass du zerstören kannst, glaube auch, dass du es wiedergutmachen kannst“, hat Rabbi Nachman einmal gesagt. Die Botschaft ist: Wenn du jemanden oder etwas verletzt, kannst und solltest du etwas tun, um es wiedergutzumachen.
Das klingt nach einem guten Pfad aus dem Dschungel der unbewältigten Gefühle. Im nächsten Blog schreibe ich mehr über die Werkzeuge, die uns dabei helfen.
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