Was ist gute Autorität? Sit-in auf dem Dorfplatz – Teil 1 (von 2)

# Kinder

Was ist gute Autorität? Sit-in auf dem Dorfplatz – Teil 1 (von 2)

Auf dem Evangelischen Campus Daniel berät Diplom-Pädagogin Martina Rohrbach Eltern zu Fragen rund ums Familienleben und Erziehungsthemen. Hier bloggt sie von Montag bis Freitag über ein gelingendes Familienleben im Corona-Modus.

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BLOG 68

Was ist gute Autorität? Sit-in auf dem Dorfplatz – Teil 1 (von 2)

„Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“: Dieses afrikanische Sprichwort wird gerne genutzt, um zu verdeutlichen, dass das Erziehen von Kindern nicht nur eine Privatsache der Eltern ist, sondern auch einer öffentlichen, bürgerschaftlichen Verantwortung unterliegt. Wenn es also dieses Dorf braucht, wo nehme ich es – zum Beispiel als Alleinerziehende – mitten in der Stadt her?

Pädagogischen Mitarbeiter*innen in Kitas wird in Konfliktsituationen mit Kindern geraten, aus der Situation rauszugehen und der Kollegin oder dem Kollegen das Weitere zu überlassen, um durch ihre Emotionalität nicht in unangemessenes Verhalten zu verfallen. Und wo gehe ich hin, wenn ich alleine mit meinem Kind oder meinen Kindern zu Hause bin und nicht mehr weiterweiß? Beim Nachbarn klingeln? Warum eigentlich nicht, bevor ich nur noch rumbrülle oder mir die Hand ausrutscht!

Kinder möchten immer dazugehören – auch wenn es manchmal anders wirkt

Ich habe vor zwei Jahren eine Fortbildung zum Thema „Stärke statt Macht – Neue Autorität“ absolviert, und auch weitere Veranstaltungen z.B. zum Thema „Kinder aus der Klemme“ (Kinder in Trennungs- und Scheidungskonflikten) besucht.*

Eine Grundannahme ist, dass Kinder immer dazugehören wollen, auch wenn sie sich manchmal gegenteilig verhalten. Sie wünschen sich starke Eltern, die keine Machtgebärden nötig haben, um ein gutes Familiengefühl in Sicherheit entwickeln zu können. Wenn das nicht gut funktioniert, entgleitet einem manchmal das Steuer für die Regulation des Alltags. Das Familienboot driftet dahin, und man ist schon froh, nicht unterzugehen und in irgendeinem Hafen wieder Boden unter die Füße zu bekommen.

Meist hat diese Einstellung allerdings verheerende Folgen: Das Kind entwickelt Provokationen und Szenarien, um die Eltern in die starke Position zu zwingen. Es hat schließlich für seine Kreuzfahrt durchs Leben ein Schiff mit Käpt‘n und einer funktionierenden Crew gebucht!

Ich möchte Ihnen hier kurz einige „Werkzeuge“ innerhalb des Familiengeschehens skizzieren, die ich kennengelernt habe.

Sammeln Sie ihre Themen, die sie gerne mit Ihrem Kind bearbeiten möchten: Womit sie nicht einverstanden sind im Verhalten ihrer Kinder, womit Sie nicht klarkommen oder wo Ihnen die Durchsetzungsfähigkeit fehlt.

Sortieren Sie die Themen in drei Körbe: rot – gelb – grün.

Rot bedeutet „Geht gar nicht, ich bin strikt dagegen – ohne Diskussion“ (z.B. Gewalttätigkeiten, den kleinen Bruder angreifen etc.)

Gelb bedeutet, dass ein Verhandlungsspielraum besteht: Die Situation kann so ummodelliert werden, dass sie realistischer wird (Zeit für Verhandlung nehmen, z.B. Computerspiele, Fernsehzeit o.ä.).

Grün bedeutet, dass dieses Thema vorerst nicht so wichtig ist und warten kann.

Setzen Sie einen Fokus auf das wichtigste Thema, das zuerst besprochen und geregelt werden muss. Und bitte nicht alles auf einmal („Und was ich Dir noch sagen wollte…!“). Schaffen Sie eine gute Atmosphäre, um mit ihrem Kind das Thema zu besprechen und bleiben Sie dabei, dass Sie es regeln wollen. Am besten nicht aus einer Wut heraus. Und bleiben Sie klar mit Ihrem Anliegen! Diese Haltung ist unabhängig vom Alter Ihres Kindes.

Natürliche Autorität: Ein deutliches Zeichen "setzen"

Wenn Sie Ihr Kind bei Themen aus dem roten Korb nicht erfolgreich erreichen, wird die Methode des „Sit-in“ als Form des gewaltlosen Widerstands der Eltern vorgeschlagen. Haben Sie einen Partner*in, so einigen Sie sich im Vorfeld über Ihre gemeinsame Haltung.

Machen Sie eine Ankündigung ihrem Kind gegenüber, dass Sie sich nicht davon abbringen lassen, den Punkt zu regeln; und dass sie zu einer bestimmten Zeit ins Kinderzimmer kommen.

Gehen Sie ins Zimmer und setzen Sie sich „auf Augenhöhe“ hin. Bleiben Sie da, gehen Sie nicht aus der Situation – egal was geschieht – und bleiben Sie ruhig. Tragen Sie Ihr Anliegen vor und machen Sie deutlich: „Ich bin jetzt mehr präsent in deinem Leben!“ Organisieren Sie vorher, dass die Geschwister nicht im Zimmer sind.

In der Ruhe liegt die Kraft! Es geht darum, dass Ihr Kind Ihre Präsenz spürt und erlebt, dass etwas anders wird und Sie entschieden sind. Die Atmosphäre soll ernsthaft, aber nicht strafend sein. Möglichst keine Worthülsen oder unnötige Erklärungen gebrauchen.

Gibt es ein Ergebnis, dann malen oder schreiben Sie es auf und befestigen Sie es irgendwo im Zimmer. Wichtig ist der rituelle Charakter der Situation. So wird auch der Erfolg gewürdigt.

Am Ende gehen Sie hinaus und reden hinterher auch nicht darüber, wenn die Situation vorbei ist. Lassen Sie Ihr Kind kommen, und halten Sie sich an Ihre Ankündigung der Maßnahmen.

Sollten Sie von Ihrem Partner*in getrennt sein, führen Sie das Sit-in alleine durch. Ich rate davon ab, es mit einem getrennten Partner gemeinsam durchzuführen, da es das Kind irritieren und falsche Hoffnungen wecken könnte. Der/die andere kann hinterher zustimmen – oder auch nicht.

Im nächsten Text beleuchte ich das Thema „Netzwerk“ in Hinblick auf das dörfliche Gefühl.

* Link zu den Fortbildungen

www.praesenzundkompetenz.de

Weiterführende Linktipps

www.gesundheitliche-chancengleichheit.de
www.dgsf.org
www.balagan-therapie.de


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