Reformation in Brandenburg - 1. November 1539

# Museum

Reformation in Brandenburg - 1. November 1539

Spandovia Sacra - Materialien zur Spandauer Kirchengeschichte  
Beitrag Nr. 5, 1. November 2020 − Autorin: Sabine Müller

Die im Museum Spandovia Sacra ehrenamtlich Mitarbeitenden und ich haben nach und nach verschiedene Informationsblätter zu Themen, die unsere St.-Nikolai-Gemeinde betreffen, erarbeitet. Diese Erklärungen stehen u.a. den Besucherinnen und Besuchern der Offenen Kirche zur Verfügung. Der folgende Text stammt von einem dieser Blätter; er wurde von Annegret Bühler und mir verfasst.

Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg (1485–1555)

Eine überzeugte und unerschütterliche Anhängerin der Reformation

Kurfürstin Elisabeth in der Tracht einer Lutheranerin

Tritt man aus der Spandauer St. Nikolai-Kirche auf den Vorplatz mit dem Denkmal zum Andenken an Joachim II. und sein Wirken für die Reformation in Brandenburg, so steht man unmittelbar einer am Sockel des Denkmals angebrachten Tafel gegenüber, die des Kurfürsten Mutter Elisabeth von Dänemark darstellt, die gerade dabei ist, ihren beiden Söhnen Joachim und Johann biblische Geschichten zu erzählen. Die Einbeziehung einer solchen Szene in die Gesamtdarstellung des Denkmals macht durchaus Sinn. Denn die Kurfürstin Elisabeth hat als unerschrockene Zeugin des neuen evangelischen Glaubens einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Durchsetzung der Reformation in Brandenburg gehabt.

Eine dänische Prinzessin
Elisabeth wurde 1485 als Tochter König Johanns II. von Dänemark, Norwegen und Schweden im Schloss Nyborg auf Fünen geboren. Ihre Mutter Christine kam aus Sachsen und war eine Schwester Friedrichs des Weisen, der Martin Luther nach dem Reichstag zu Worms unter seinen Schutz nahm. Elisabeths Bruder Christian, von 1513–23 König von Dänemark und Norwegen und von 1520–23 auch von Schweden, wurde schon bald ein Verehrer Luthers. Er und ihr Leibarzt Matthäus Ratzeberger, über den sie wohl an Luthers Schriften gekommen ist, haben sie schon früh mit den neuen religiösen Vorstellungen der Reformatoren bekannt gemacht.

Heirat und Geburt der Kinder
Am 10. April 1502 heiratete die dänische Prinzessin den brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. in Stendal, da zu dieser Zeit in Berlin und Cölln die Pest wütete. Als Kurfürstin wurde sie in Brandenburg freundlich empfangen, zumal sie neben einer hohen Mitgift auch Erbansprüche auf die Herzogtümer Schleswig und Holstein mitbrachte, die Joachim I. sehr interessierten. Anlässlich ihrer Vermählung erhielt sie ein Anrecht auf eigene Einkünfte von 6000 Rheinischen Gulden aus Schloss, Stadt und Amt Spandau, in Spandau sollte sie nach Joachims I. eventuellem Tod vor ihr auch ihren Witwensitz nehmen. 1508 fügte der Kurfürst diesem Leibgedinge noch die Jagd in und um das Amt Spandau hinzu.

Drei Jahre nach der Eheschließung wurde der Thronerbe Joachim II. (1505–1571) geboren. Es folgten die Töchter Anna, Elisabeth und Margarethe und der zweite Sohn Johann, späterer Markgraf von Brandenburg-Küstrin, der 1538, also noch ein Jahr vor seinem Bruder, mit seinem Landesteil zum Protestantismus übertrat. Anfangs war die Ehe offenbar glücklich. Beide teilten denselben katholischen Glaubenseifer und die Verehrung von Heiligen und Reliquien. Aber schon nach einiger Zeit entfremdeten sich die Eheleute voneinander, nach der Auffassung der meisten Autoren besonders seit ca. 1523. Diese Entfremdung wurde befördert durch die Ausbreitung der Reformation und beider dadurch sich entwickelnde grundverschiedene Überzeugung in Glaubensfragen. In einem Brief vom September 1525 an Herzog Albrecht von Preußen, einen Verwandten aus dem Hause Ansbach, klagt Elisabeth z.B. darüber, dass ihr Herr und Gemahl ihr „ganz gefähr und feind sei um das Wort Gottes“, und sie deswegen viel erleiden müsse.

Übertritt zum evangelischen Bekenntnis
Kurfürstin Elisabeth bemühte sich schon in Brandenburg und später in Sachsen in außergewöhnlicher Weise um geistige Bildung und beschäftigte sich gründlich mit den Werken und Predigten Martin Luthers und anderer Reformatoren, hatte auch persönlichen Kontakt zu Luthers Familie. Ihre Belesenheit war sicherlich einer der Gründe dafür, dass sie sich gegenüber ihrem Mann entschlossen weigerte, ihre neuen Überzeugungen nur aus Gehorsam wieder aufzugeben. Bei Diskussionen über Glaubensfragen konnte Elisabeth ihrem Gatten durchaus das Wasser reichen, was diesen nicht selten in Rage gebracht haben soll. Sie soll ihm nach ihrem Übertritt zum Protestantismus mehrfach eine öffentliche Diskussion und Verteidigung ihrer Glaubensüberzeugungen angeboten haben. Darüber hinaus wünschte sich Elisabeth, dass ihr Gatte doch endlich auch dem neuen Glauben zugeneigt wäre. In einem weiteren Brief an ihren Verwandten und Vertrauten Herzog Albrecht von Preußen schrieb sie: „Wollte Christus meinen Herrn erleuchten, dass er zur rechten Erkenntnis Gottes und seiner selbst kommen möchte; das wäre mir die höchste und allergrößte Freude auf Erden…“. In der Osterzeit 1527 nutzte Elisabeth schließlich eine Reise ihres Gatten nach Braunschweig, um sich von einem Geistlichen aus Wittenberg in der Schlosskapelle zu Berlin heimlich das Abendmahl mit Brot und Wein reichen zu lassen. Natürlich wollte Joachim I. seine Frau zur Rückkehr zum Katholizismus zwingen. Dafür erhielt sie eine Bedenkzeit bis Ostern 1528. Doch schon zum Allerheiligenfest 1527 soll Joachim I. Elisabeth durch seinen Beichtvater aufgefordert haben, mit ihm zu diesem Anlass das Abendmahl wieder nach katholischer Form zu feiern.  

Flucht und Aufenthalt in Sachsen
Als sie sich weigerte, berief er eine hochrangige Beraterkommission ein, die zu dem Schluss kam, dass der Kurfürst das Recht hätte, Elisabeth lebenslang in einem abgelegenen Schloss einzusperren und ihr nur den Lebensunterhalt zu gewähren. So ist es verständlich, dass sie beschloss, die Flucht durchzuführen, über die sie schon seit längerem mit ihrem Bruder Christian und Johann, Kurfürst von Sachsen, gesprochen und verhandelt hatte. Letzterer war im Ernstfall bereit, sie aufzunehmen. In der Nacht vom 24. auf den 25. März 1528, als Joachim I. sich wieder auf Reisen befand, floh sie mit Hilfe ihres Bruders, ihrer Kammerfrau Ursula von Zedtwitz, und des Ritters und Türhüters Joachim von Goetze. Elisabeth verließ das Berliner Schloss durch eine kleine Tür auf der Spreeseite, setzte mit einem Boot über und bestieg auf der anderen Flussseite einen Wagen, den ihr Bruder Christian bereitgestellt haben soll. Zu einer von Joachim I. geforderten Auslieferung seiner Frau war Kurfürst Johann, der schon 1527 in Sachsen die evangelisch-lutherische Landeskirche gegründet hatte, nur bereit gegen das Versprechen freier Glaubensausübung für Elisabeth. Dazu war Joachim I. nicht bereit. Also blieb Elisabeth in Sachsen und es folgten jahrelange Briefwechsel und Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Ländern. Elisabeths wichtigste Rückkehrbedingungen waren: ein Prediger ihrer Wahl, Feier des Abendmahls wie und so oft sie es wünschte und Straffreiheit für sie und alle Fluchthelfer. Aber obwohl Joachim I. sich um ihre Rückkehr bemühte, wollte und konnte er letztlich nur eine wieder katholisch gewordene Kurfürstin akzeptieren. In Sachsen unterstützten Elisabeth zwar ihre Verwandten, aber nur für Wohnung und Lebensunterhalt. Alles andere betreffend war sie auf sich selbst gestellt und musste Schulden machen. 1534 war ihre materielle Not auf dem Höhepunkt und sie erhob schwere Vorwürfe und Klagen auch gegen ihre Söhne. In einem ihrer vielen Briefe, die sie an die Brandenburgischen Landstände schrieb, äußerte sie die Bitte, sie zu unterstützen und bei Joachim I. auf die Aushändigung der Einkünfte aus ihrem Leibgedinge zu dringen, „damit sie nicht zur Schmach ihrer Kinder und der Brandenburger bei Freunden und Fremden ihren Unterhalt erbetteln müsse.“

Tod von Joachim I. und Ende von Elisabeths materieller Not
Am 11.7.1535 starb Joachim I. in Stendal ohne eine vorherige Versöhnung mit seiner Frau. Damit endete zumindest erst einmal ihre materielle Not und sie konnte sich durch Zuwen­dungen ihrer Söhne wieder eine kleine eigene Hofhaltung leisten. Kurfürst Johann Friedrich wies ihr einige Räume des Schlosses Lichtenburg an der Elbe als Wohnsitz zu. Neun Jahre lang residierte sie dort als „Markgräfin von Lichtenburg“. Joachim II. und sein Bruder hatten die Absicht, ihre Mutter zurückzuholen. Joachim stellte ihr aber unter dem Einfluss und Druck des deutschen Königs Ferdinand wie sein Vater zunächst die Bedingung, dass sie zur katho­lischen Religion zurückkehren müsse. Elisabeth blieb also noch weiterhin in Sachsen. Sie wollte offenbar lieber in einem von der Reformation schon durchdrungenen Land leben und von dort aus ihren Einfluss auf ihre Söhne weiterhin ausüben. Im Übrigen war sie inzwischen durchaus strenger lutherisch als Luther selbst, was z.B. die Beibehaltung der alten katholi­schen Zeremonien und Gebräuche anging, die sie strikt ablehnte. In ihren Briefen kritisierte sie deswegen die brandenburgische Kirchenordnung von 1540. Auch in der Verlobung Joachims II. mit der katholischen polnischen Prinzessin Hedwig sah sie ein Hindernis für die Durchsetzung der Reformation in Brandenburg. Joachim II. wählte deshalb möglicherweise nicht von ungefähr für seinen am 1.11.1539 erfolgten Übertritt zur Reformation die Kirche St. Nikolai zu Spandau aus, einen Ort, der zum Leibgedinge seiner Mutter gehörte.

Rückkehr nach Brandenburg und Tod
Im August 1545 kehrte Elisabeth endlich nach siebzehn Jahren Exil nach Brandenburg zu­rück, nachdem ihr Joachim II. zugesichert hatte, dass sie auch ohne die von ihm beibehalte­nen katholischen Bräuche ihren Gottesdienst nach der in Sachsen üblichen schlichteren Form halten könne. Außerdem forderte sie einen Prediger ihrer Wahl und eine Ausstattung desselben mit 200 Gulden Jahresbesoldung, Schutz für ihr Gefolge, eine Wohnung im Spandauer Schloss mit einem immer zu ihren Diensten stehenden Schlosshauptmann, wie ihr im Vertrag über ihr Leibgedinge zugesagt worden war, und Reisefreiheit für sich inner- und außerhalb des Landes. Das alles wurde ihr zugestanden. So bezog sie schließlich ihren ihr im Ehevertrag zugesprochenen Witwensitz im Schloss zu Spandau. Dort nahmen sie und ihr ganzes Gefolge täglich an einem auch für normale Bürger offenen evangelischen Gottes­dienst teil, bei dem Elisabeth selbst oft aus Luthers Schriften gelesen haben soll. Ihre Hof­prediger waren zuerst Nicolaus Medler und später Andreas Buchovius (Buchow). Auch andere Geistliche lud sie zu sich ein, um den Austausch über Glaubensfragen fortsetzen zu können. Am 11.6.1555 starb sie im Alter von 70 Jahren im Berliner Schloss. Die Leichenrede hielt Johann Agricola, ein Schüler Luthers, der sie als Frau mit fundierten Theologiekennt­nissen bewunderte. Ihr Begräbnis wünschte sie sich ohne Gepränge, ohne „päpstliche Zeremonien auf das einfältigste“ mit reinen deutschen christlichen Gesängen: „Erbarm dich mein, o Gott“, „Aus der Tiefe rufe ich Herr zu dir“, und „Mit Fried und Freud fahr ich dahin“. Beigesetzt wurde sie an der Seite ihres Gatten, zuerst im Kloster Lehnin und später im alten Berliner Dom, der Verbleib ihrer Leiche ist unklar.

Würdigung: Auf die Einführung und die Diskussion um die kirchliche Reformation in der Mark Brandenburg und anderswo hat Elisabeth durch ihren Glaubenseifer einen nicht unbeträchtlichen Einfluss ausgeübt, besonders auch durch ihre Kinder, die sie nach ihrer Flucht nach Sachsen öfters besuchten und mit denen sie korrespondierte. Ihre Tochter Elisabeth, die 1538 wie ihr Bruder Johann zum lutherischen Glauben übergetreten war, hat im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, wohin sie geheiratet hatte, die Reformation eingeführt und dort eine vom Reformator A. Corvinus verfasste Kirchenordnung erlassen, als sie für ihren unmündigen Sohn die Vormundschaft ausübte. In ihrem Testament von 1550 ruft Elisabeth ihre Kinder dazu auf, nach der Augsburgischen Konfession zu leben und die Ausbreitung der reinen Lehre zu fördern.


Bebilderung:

1.) Titelbild dieses Beitrags:
Der Übertritt des Kurfürsten zum evangelischen Bekenntnis
Carl Röhling (1849 Berlin ‒ 1922 Berlin)
Öl auf Leinwand, H 168 cm x B 219 cm (NikSpan Inv.nr. 08.1.026)

Weitere Informationen zu diesem Gemälde bietet hier der Verein für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte.

2.) Das Bild oben zeigt Elisabeth in der Tracht einer Lutheranerin, die den akademischen Kleidungsstil der Wittenberger Reformatoren kopieren soll.  Es wurde entnommen dem Roman „Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg. Ein geschichtliches Lebensbild aus der Reformationszeit“ Berlin 1860 von Carl Julius Stanislaus Czilsky (1820‒1873); 4/3154 – Bibliothek St. Nikolai Spandau. Diese Darstellung wiederum fußt auf einem Gemälde, das um 1620 entstand, Heinrich Bollandt zugeschrieben wird und sich in der Universitätsbibliothek Bayreuth (Kanzleibibliothek) befindet. Ein Bildnis, das zur Lebenszeit der Fürstin angefertigt wurde, existiert nicht.

3.) 2021 beschäftigte sich das Projekt "Starke Frauen in der Lichtenburg" u.a. mit Kurfürstin Elisabeth. Dabei entstand dieses zauberhafte Bild-Ton-Porträt, das eine Schülerin des Gymnasiums Jessen (Elster) dargestellt und eingesprochen hat (ca. 2 Minuten).


Denkmal von 1889 für Kurfürst Joachim II.

Zum 350. Jubiläum der Einführung der Reformation in Brandenburg gaben zahlreiche Städte der Provinz Brandenburg, insbesondere Spandau, bei dem Berliner Bildhauer Erdmann Encke ein Denkmal in Auftrag, das am 1. November 1889 in Anwesenheit des Prinzen Friedrich Leopold enthüllt wurde. Auf einem Sockel aus schwedischem Granit steht ein drei Meter hohes bronzenes Standbild Joachims II.

Denkmal Joachim II. vor der Spandauer St.-Nikolai-Kirche


An der Vorderseite des Sockels befindet sich eine Gedenktafel, an den drei übrigen Seiten drei Reliefdarstellungen aus Bronze:

Denkmal Joachim II. (1)


Kurfürstin Elisabeth unterweist ihre beiden Söhne, Joachim und Johann, in der Kenntnis der Bibel.

(Archiv Nik F626)








Denkmal Joachim II. (2)


Joachim II. erhält am 1.11.1539 in der Spandauer St.-Nikolai-Kirche das Abendmahl in evangelischer Form. Gerade nimmt der Kurfürst den Weinkelch.
(Archiv Nik F627)







Denkmal Joachim II. (3)


In dieser fiktiven Szene diskutiert Joachim II. mit Reformatoren (u.a. mit Martin Luther und Philipp Melanchthon).
(Archiv Nik F628)








Interaktive 360-Grad-Tour durch Spandovia Sacra vom Keller bis zum Dachboden.


Der Beitrag in Text und Bild unterliegt dem Urheberrecht.
Zitate sind entsprechend zu kennzeichnen.


Kontakt: Spandovia Sacra − Museum von St. Nikolai
Reformationsplatz 12
13597 Berlin
 

www.nikolai-spandau.de/museum
museum[at]nikolai-spandau.de
 


Zum Ausdrucken und Sammeln. Achtung: Diesmal in Din A3 als Faltblatt:
Dieser Beitrag als pdf-Datei.

Dies könnte Sie auch interessieren