Musikalische Reise durch Europa beim Orgelsommer

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Musikalische Reise durch Europa beim Orgelsommer

Rheinische Post vom 3.8.2020

Musikalische Reise durch Europa beim Orgelsommer

VON MONIKA KLEIN LEICHLINGEN Nicht nur für jene, die diesen Sommer mit Fernweh zu Hause verbringen, hat Bertold Seitzer am Freitagabend in der Evan¬gelischen Kirche eine musikalische Kurzreise kreuz und quer durch Europa veranstaltet. Bei seinem internationalen Mix hat der Gast-Organist aus der Wiesdorfer Christuskirche strikt die ausgetretenen Pfade gemieden und für die sechste Folge des Leichlinger Orgelsommers 2020 eher auf wenig Bekanntes gesetzt. Sogar für seinen Zwischenstopp in Deutschland zur. Barockzeit fand er eine Komposition, die nicht an jeder Straßenecke aufgeführt wird und eine weitere Besonderheit aufweist. Das Concerto g-molly im BWV unter der Nummer 985 geführt wird, stammt in dieser Orgelfassung letztlich von Johann Sebastian Bach. Der griff dabei allerdings auf ein Violinkonzert des Kollegen Georg Philipp Telemann zurück, so dass dieses hier mit duftiger Leichtigkeit gespielte Konzert gleich zwei Komponisten vorstellte. Eine durchaus gängige Praxis in jener Zeit, als fremde Transkriptionen nicht als anrüchig oder minderwertig galten und niemand auf Urheberrechte pochte. Heiter und verspielt führte Seitzer dieses dreisätzige Werk nach einem ruhig-sinnlichen Adagio-Mittelsatz zu Ende. Start seiner Rundreise war in Frankreich mit sechs Sätzen im typisch französischer Tradition aus dem „Livre d'Orgue" von Pierre du Mage, dessen Lebensdaten in etwa Bach und Telemann entsprechen, dessen Stil sich jedoch deutlich vom deutschen Orgelbarock unterscheidet. Dass der einstige Titularorganist der Kathedrale von Laon zu den fast vergessenen Komponisten mit kleinem Nachlass gehört, ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass er nach Spannungen mit der Kirchenleitung frühzeitig seinen Dienst quittierte und Verwaltungsbeamter wurde. In einer völlig anderen Klangwelt! landeten die Zuhörer nach einem Sprung über Ort und Zeit ins Estland des 20. Jahrhunderts. Mit dem Titel „Fünf Kontraste" beschrieb Edgar Arro, worauf es ihm bei seinen Skizzen unterschiedlichen Charakters ankam, von denen jede einzelne einen anderen Grundgedanken verfolgte. Mal ein Sekundschritt-Signal, das sich auf einem Liegeton ebenso wiederholt wie die kurzen rhythmisierten Phrasen des folgenden, Hektik vermittelnden Satzes oder die in wechselnden Lagen immer neu ausgebreiteten Tonfächer beim fünften Kontrast. Ein Zeitsprung rückwärts in das Spanien des 18. Jahrhunderts machte das Publikum mit einem Schüler Domenico Scarlattis bekannt: Antonio Soler, spanischer Mönch, Komponist und Orgelsachverständiger. Heiter, beschwingt und als perfekt leichtes Sommerstück ließ Seitzer dessen „Sonata de Clarines" durch den Kirchenraum schweben. Fehlt noch Italien, das durch den römischen Organisten und Kapellmeister des 19. Jahrhunderts Filippo Capocci vertreten war. Die beiden ausgewählten Sätze,: ein Solo di Oboe und ein Scherzo, erinnerten nicht zufällig an die Prägung französischer Orgelromantik, die für Capocci vorbildhaft war. Französisch mutete auch die rauschende Toccata des gebürtigen Iren und in Paris gestorbenen George MacMaster an, die Bertold Seitzer zum Abschluss des Konzerts rauschen ließ.

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