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„Liebliche Füße“ - Predigt zur Einführung am 26. September 2021 - Römer 10,9-15

# Predigt des Superintendenten

Veröffentlicht am Dienstag, 28. September 2021 00:00
© Bild von Peter Pruzina auf Pixabay
„Liebliche Füße“ - Predigt zur Einführung am 26. September 2021 - Römer 10,9-15

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig. Denn die Schrift spricht (Jes 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn »wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden« (Joel 3,5). Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jes 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«

Dieses Wochenende steppt der Bär. Da ist richtig viel los. Ganz Berlin ist auf den Beinen und Spandau auch. Zehntausende gingen gestern zum Klimastreik auf die Straße, zehntausende laufen heute beim Marathon durch die Stadt. Millionen machen sich auf den Weg zum Wahllokal um ihre Stimme abzugeben und gar nicht wenige haben ihre Schritte heute in einen Gottesdienst geführt. Wie schön!

Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten …

Auch Paulus spricht von Menschen, die auf den Beinen sind, in Bewegung. Liebliche Füße haben sie – „lieblich“. Würden Sie Ihre Füße als lieblich bezeichnen, liebe Gemeinde? Oder drückt Ihnen bei dem Thema eher der Schuh? Zu klobig, zu krumm, zu schwitzig - die meisten Deutschen sind mit ihren Füßen unzufrieden, ergab zuletzt eine Umfrage zum Tag der Fußgesundheit. Auch Fehlstellungen sind keine Seltenheit. Viele von uns mit Senk- Knick oder Spreizfüßen ausgestattet – ich auch. Doch Paulus und Jesaja, von dem er den Vers geborgt hat, geht es weder um Ästhetik noch Orthopädie. Sie betreiben eine andere Form der Fußpflege. Lieblich sind die Füße der Freudenboten, weil sie ganz leichten Schrittes daherkommen, sanft federnd, vielleicht sogar tänzelnd. Es sind eben keine schweren Stiefel, die marschieren und deren Gedröhn Krieg und Vernichtung verheißt. Nein, die Füße der Freudenboten sprechen eine andere Sprache, ihr Klang erzählt vom Frieden, vom Schalom Gottes, sie bringen die gute Nachricht. Füße und Worte halten Schritt miteinander, laufen synchron. Es sind die Füße von Predigerinnen und Predigern – und das sind nicht nur die im Schwarzkittel auf der Kanzel, zu Paulus‘ Zeiten sowieso nicht: Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?

Vor einigen Tagen war ich in Hamburg auf einer Konferenz. Abends bin ich noch durch die Innenstadt spaziert. Gegenüber der Hauptkirche Sankt Petri sind zwei Geschäfte: Das eine ist der Juwelier mit dem Namen Christ. Passt irgendwie, oder? Das andere ist ein Beleuchtungsspezialist mit dem Namen „Prediger“. Wie soll er auch sonst heißen? Warum man hier seine Designer-Lampen und Leuchtmittel kaufen soll verrät der Slogan im Schaufenster. Auf Englisch steht dort in großen Buchstaben: „The end of the fear of the dark. – Das Ende der Angst vor der Dunkelheit. Da war mir klar: Das ist kein gewöhnlicher Lampenladen. Bei „Prediger“ ist der Name offenbar Programm. Denn ist das nicht genau das, was eine gute Predigt soll? Worte gegen die Dunkelheit – geht es nicht beim Glauben genau darum? Leuchtmittel bekommen in Zeiten abnehmenden Lichts. Brauchen wir das nicht so dringend, angesichts von Pandemien und Klimakrise, angesichts von wachsenden Verwerfungen in unserem Land? Mut machen, wo andere Ängste schüren. Von der guten Nachricht erzählen, wo vor allem schlechte Nachrichten kursieren.

Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen.

Amals Füße haben bereits über 5000 Kilometer hinter sich gebracht. Ganz schön viel für ein 8jähriges Mädchen, auch wenn man bedenkt, dass Amal 3,50 Meter groß ist. Denn Amal ist eine Puppe, die von drei Menschen bewegt wird. „Walk with Amal“ ist ein Kunstprojekt, das auf das Schicksal Millionen Geflüchter, vor allem von Kindern hinweisen soll. Amal stellt ein syrisches Mädchen dar, das auf der Suche nach seiner Mutter ist, von der es im Krieg getrennt wurde. Über die Türkei ist Amal geflohen, dann Griechenland, Italien, … vor kurzem ist sie im Hafen von Marseille angekommen, bald wird sie auch in Deutschland Station machen. Wo sie auftaucht, sind die Menschen fasziniert, viele schließen sich ihr an für ein Stück des Weges. Eine Freudenbotin ist Amal nicht, eher eine die ganz still und nachdenklich mahnt und anrührt. Doch wer weiß? Vielleicht steht am Ende eine Freudenbotschaft? Vielleicht gibt es ein Wiedersehen für Amal und ihre Mutter und für so viele die auf der Flucht sind? Amal – das heißt Hoffnung. 

Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen.

Vor zwei Wochen konnte man sie sehen. Sie trugen Jack-Wolfskin-Hosen, Wanderschuhe und hatten violette Halstücher umgebunden. Beim Pilgerwochenende waren sie unterwegs – kreuz und quer durch Spandau. Von Kirche zu Kirche, Stadt, Land und zu Wasser. Und die, die ihre Pilgeretappe geschafft hatten, sahen fast so glücklich aus wie die Marathonläufer beim Zieleinlauf. Gelöstes Lächeln, auch wenn die Füße schmerzen.

Beim Pilgern folgen wir einer alten Spur aus der Tradition und erschließen uns doch neue Wege. Überschreiten Grenzen und verlassen unsere Komfortzone, wagen uns auch mal auf unbekanntes Terrain. Mir scheint: Hier in Spandau sind beim Pilgern Verbindungen gewachsen von Gemeinden und Menschen, die vorher nicht da waren. Eine neue Weggemeinschaft ist im Werden. Was für eine Chance! Ich glaube: Die Kirche der Zukunft wird eine Pilgernde Kirche sein. Sie ist mit leichtem Gepäck unterwegs, hat institutionellen Ballast abgeworfen. So ist sie beweglicher. Sie schätzt ihre alten Kraftorte und doch sind sie ihr nur temporäre Herbergen auf dem Weg. Der Glaube hängt nicht an Steinen, das weiß sie. Der Glaube ist eben nicht statisch, sondern ein Weg, kein Sein sondern ein Werden. Fährt in die Beine und führt zu den Menschen, besonders an die Ränder und zu den Rissen des Lebens. Doch vor allem macht er Freude, der Glaube. Lässt singen und tanzen von dem was uns trägt, mehr als wir ahnen. Und er lehrt zu schmunzeln, über uns manchmal seltsame, anstrengende und doch so liebenswerte Menschen. 

Dieses Wochenende steppt der Bär. Da ist richtig viel los. Ganz Berlin ist auf den Beinen und Spandau auch. Ob beim Klimastreik oder als Marathonläufer, als Wählerinnen und als Gottesdienstfeiernde – auch wir Christen sind auf den Beinen, denn Christsein heißt Standpunkte haben, doch vor allem in Bewegung sein zu anderen, zu den Menschen, die uns brauchen. „The end of the fear of the dark“. War das nicht immer schon unser Motto? „Ihr seid das Licht der Welt“ sagt Jesus.

Eine Bitte hätte ich noch, liebe Gemeinde: Konzentriert euch mal für einen Moment auf eure Füße, vielleicht stellt ihr die Sohlen fest auf den Boden und bewegt die Zehen in den Schuhen, …

Ob krumm oder klobig, Senk- Knick, Spreiz- oder Plattfüße … lieblich sind sie, denn sie tragen die Freudenboten, die das Gute verkündigen. Und das seid ihr!

Amen.