
Morgens am 24 Februar 2022 war die Welt plötzlich eine ganz andere. Die Werte, die vorher so beständig und so unerschütterlich schienen, wurden zerbrochen. Über Nacht herrschte Krieg, und das im Herzen Europas, nur etwas über 1.500 Kilometer von uns entfernt.
Was das mit den Menschen machte? Wie gingen sie mit dem völlig verändertes Sicherheitsgefühl um? Wie war das, wenn plötzlich Bomben fallen und Menschen sich in unmittelbarer Lebensgefahr befanden, die noch gestern ihr Leben aufgebaut hatten, Kinder großzogen, ihre täglichen Arbeit nachgingen und sicher in ihrem Betten schliefen?
Viele von uns haben sich mit diesen Menschen identifiziert und waren zutiefst verunsichert und beängstigt. Um diesen Menschen Halt und Trost anzubieten, hat die Stiftskirche in Diez vom ersten Tag an ihre Türen geöffnet und die Besucher um 12 Uhr jeden Mittag zur Friedensandachten eingeladen. In der Kooperation mit der Jakobusgemeinde wurde mit den Trostsuchenden gebetet, mal mit, mal ohne Musik, aber immer mit warmen Worten, die genau zu diesem Zeitpunkt für viele Menschen unverzichtbar waren.
Irgendwann wurden die täglichen Friedensgebete zu Friedensandachten ausgebaut, die jeden ersten Donnerstag im Monat, auf Deutsch und Ukrainisch, in der Stiftskirche stattfinden. Gleich von Beginn an haben sie hohen Zuspruch bei den geflüchteten Familien gefunden. Viele Mütter mit Kindern sind bei jedem Wind und Wetter in die Kirche gegangen, um für ihr Land und die dort gebliebenen Menschen zu beten.
Die Kinder singen schon fröhlich - sogar ohne Klavier- oder Orgelbegleitung - den aus der Ukraine stammenden Gesang „Kyrie eleison“. Auch die Erwachsenen trauen sich, einfachen Lieder mitzusingen. Oft haben sie Tränen in den Augen. Diese Begegnungen mit Gott spenden ihnen Trost, Hoffnung und auch den Mut, ihre alltäglichen Aufgaben hier zu meistern. Es spricht sich mit Gott ganz anderes, wenn man sich jede Minute Sorge um das Leben der geliebten Menschen und das eigene Land machen muss. Solche Begegnungen mit Gott sind zum Halt für viele Ukrainer in Diez geworden.