Gastfreundschaft, Toleranz und Offenheit? Können wir lernen.

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Gastfreundschaft, Toleranz und Offenheit? Können wir lernen.

Wer reist, macht Erfahrungen mit einer fremden Welt. Martina Steffen-Elis, stellvertretende Superintendentin, hat Reiseeindrücke in Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan gesammelt.

Martina, Du bist Beauftragte für den interreligiösen Dialog im Kirchenkreis und bist kürzlich durch die Länder Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan gereist. Was ist dein Eindruck?

Es sind Länder, die wir in Europa kaum im Blick haben. Früher wurden diese Länder „sowjetischer Orient“ genannt und das trifft es aus meiner Sicht immer noch. Der Einfluss Chinas, die Nähe zu Asien und zum persisch geprägten Iran haben hier so viele kulturelle Spuren des Orients hinterlassen, die in Europa kaum bekannt sind. In Usbekistan hatte ich den Eindruck, mich in den Erzählungen und der Atmosphäre von „Tausendundeiner Nacht“ zu befinden. Gleichzeitig prägt das „sowjetische Erbe“ das Leben immer noch, auch wenn die drei Länder heute eigenständig sind.

Was hat dich an den drei Nachbarländern beeindruckt?

In Kirgisien hat mich die unglaublich schöne Landschaft fasziniert. In Tadschikistan sind vor allem die die hohen Berge, die sich zwischen Usbekistan und Tadschikistan zeigen, sehr besonders. Samarkand und Buchara haben mich mit ihrer über 2000 Jahre alten Stadtgeschichte und der Fülle an Moscheen und kultureller Vielfalt sehr beeindruckt. Es gibt dort noch viele islamische Lehrhäuser, Medresen, deren Gebäude heute von Handwerksbetrieben genutzt werden und die auf diese Weise einen neuen Sinn bekommen haben.  Besonders beeindruckend war für mich auch, Teile der Seidenstraße bereist zu haben.

Wie hast du die mehrheitlich muslimisch geprägte Gesellschaft erlebt?

Der Islam in diesen Ländern ist kulturell geprägt, weniger religiös oder politisch. Im Alltag sitzen in Usbekistan im Restaurant beispielsweise Frauen mit Kopftuch selbstverständlich mit Menschen zusammen an einem Tisch, die Alkohol trinken. Es gibt keinen Gebetsruf und beim Kopftuch hatte ich den Eindruck, dieses ist vor allem ein Schutz gegen die Hitze und weniger ein religiöses Symbol. Auch voll verschleierte Frauen gibt es kaum. Gerade in Usbekistan habe ich eine unglaubliche Toleranz gespürt. Nicht ohne Grund gibt es in diesem Land auch eine Synagoge mit einer lebendigen jüdischen Gemeinde.   

Mit welchen Problemen sind die Menschen konfrontiert?

In Kirgistan sind es Korruptionsprobleme und häufige Regierungswechsel, die dem Land schaden. Dazu kommt ein schlechter Umgang mit den über 30 Minderheiten, die im Land leben. Wir haben ein Haus der Vielfalt besucht, wo sich diese Minderheiten treffen. Weil mein Mann und ich den Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bischkek, Philipp Jahn kennen, konnten wir dank seiner Erfahrungen auch diese problematischen Seiten der Länder kennenlernen. Tadschikistan ist autokratisch beherrscht und das wird auch in den Städten sichtbar: Jahrhundertealte Wohnviertel werden abgerissen und dafür entstehen überdimensionierte Straßen mit riesigen Wohnhäusern und Exerzierplätzen für militärische Paraden.

Was können wir von den Menschen in Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisistan lernen?

Die Menschen in allen drei Ländern sind unglaublich offen und zugewandt gegenüber Fremden. Wir wurden häufig angesprochen, ob wir Hilfe brauchen oder etwas sehen möchten: Sie sind stolz auf ihre Kultur und sehr gastfreundlich. In Samarkand fragte uns jemand, ob wir schon auf dem Minarett gewesen seien, das nicht öffentlich zugänglich ist. Er ist mit uns die schmale enge Treppe hinaufgestiegen, damit wir uns an diesen wunderbaren Blick über die Stadt erfreuen können. Solche Bereitschaft und Gastfreundschaft fehlt uns in Deutschland. Wir sehen in unseren Debatten nur unsere Probleme und das, was nicht gelingt. Offenheit, Toleranz und Gastfreundschaft, das können wir von den Menschen lernen.  

Das Interview führte Cornelia Schwerin 

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