
248 Gebote und 365 Verbote – so viele Regeln enthält die Tora, die fünf Bücher Mose. Gebote und Verbote, die Mose neben den Zehn Geboten am Berg Sinai von Gott empfangen hat und die das Zusammenleben der Menschen nach der Befreiung aus der Sklaverei schützen sollen. Im Matthäusevangelium (Kapitel 22) stellt ein Gesetzeslehrer Jesus auf die Probe und fragt ihn nach dem höchsten Gebot. Jesus antwortet mit dem Doppelgebot der Liebe: der Gottes- und der Nächstenliebe. Noch knapper formulierte es der heilige Augustinus, dessen Gedenktag die Kirche am 28. August feiert: „Liebe, und tu, was du willst.“
Der heilige Augustinus ist einer der größten Kirchenlehrer. Seine Theologie wirkt bis heute. Sein Werk ist riesig. Immer wieder spricht Augustinus über die Liebe: die Liebe Gottes zu den Menschen, die Liebe des Menschen zu Gott und zum Nächsten. Als Augustinus ein Kloster für Priester gründete und für das klösterliche Leben eine Regel schrieb, richtete er die Regel nach dem Hauptgebot des Evangeliums aus: Über allem soll die Liebe leuchten. Ein Attribut, mit dem der Heilige in der Kunstgeschichte oft dargestellt wird, ist ein flammendes Herz.
In vier Monaten ist Weihnachten. Gott wird Mensch. Wenn Gott Mensch wird, dann wird die Liebe menschlich, denn Gott ist Liebe. Gott und Liebe sind eins. Wenn Gott Mensch und dadurch die Liebe menschlich wird, wird jeder Mensch, der liebt, auch ein wenig göttlich. Dass der Mensch lieben kann – ist das nicht eine Selbstverständlichkeit, erfahren wir nicht immer wieder, dass wir lieben können und geliebt werden? Nichts wird so häufig besungen oder beschrieben, von nichts so viel geredet wie von der Liebe, manchmal wirkt sie fast banal.
Doch die Liebe ist niemals banal, sie ist das Besondere, das Licht in der Dunkelheit. Dass wir Menschen lieben können, ist ein ganz besonderes Geschenk Gottes an uns. Gott hält nichts von sich zurück, er lässt uns Menschen Anteil haben an seinem Wesen, an der Liebe. Deshalb ist uns möglich, was der heilige Augustinus gesagt hat: „Schweigst du, so schweige aus Liebe: sprichst du, so sprich aus Liebe; tadelst du, so tadle aus Liebe; schonst du, so schone aus Liebe! Lass die Liebe in deinem Herzen wurzeln, und es kann nur Gutes daraus hervorgehen!“