Suchet der Stadt Bestes

# Geschichte EGZ

Suchet der Stadt Bestes

50 Jahre Evangelisches Gemeindezentrum / EGZ an der Berliner Straße in Dörnigheim 

 Zusammengestellt von Jan Fricke, Geschichtsverein Dörnigheim e.V. 

 Das EGZ entsteht 

Das Evangelische Gemeindezentrum / EGZ an der Berliner Straße der Gemeinde Dörnigheim wurde im Mai 1974 eröffnet und damit ganz kurz vor dem Zusammenschluss der Stadt Dörnigheim und den Gemeinden Bischofsheim, Hochstadt und Wachenbuchen zur Stadt Maintal 

Der Bau des Gemeindezentrums fällt für Dörnigheim in eine Zeit der Veränderung, aber auch des Umbruchs und der verändernden Lebensbedingungen in Dörnigheim. 

Die Einwohnerzahl hatte zu Beginn der 1970er Jahre einen Höhepunkt erreicht. Die Einwohnerzahl überschritt 1964 die 10.000 Marke. Damit wurde Dörnigheim auch aufgrund seiner Größe zu Stadt erhoben 

Hier ein Überblick über die Entwicklung der Einwohnerzahl Dörnigheims: 

1940 3.000 

1950 4.300 

1960 7.000 

1964 11.100 

1970 17.000 

Das ist ein gewaltiges Wachstum, an vielen Stellen wurden neue Baugebiete ausgewiesen und das bedeutet auch ein großer Zuzug von Neubürgern und neuen Gemeindemitgliedern der Kirchengemeinde. Im Jahr 1966 waren über 9.000 evangelische Christen Mitglieder der Gemeinde Dörnigheim. Von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus Schlesien und dem Sudetenland wurde der katholische Glaube in das evangelisch geprägte Dörnigheim gebracht. In Dörnigheim gab es keine historische katholische Kirche. Mit dem Bau der katholischen Pfarrkirche Maria Königin wurde 1956 begonnen, im Mai 1957 wurde sie geweiht. Die Zeiten waren geprägt vom stetigen Wachstum und Expansion. Das diese Entwicklung ein strukturelles Ende nehmen musste, sah keiner. Zehn Jahre später entschied man sich daher, in der Waldsiedlung eine zweite katholische Kirche, die Pfarrkirche Allerheiligen zu errichten. Sie wurde 1968 geweiht. Aus der heutigen Sicht muss man aber erkennen, dass diese Kirche nie die Mitgliederzahlen erreichte, von denen die Planung ausgegangen war. Inzwischen sind beide Pfarreien zur Pfarrei Heilige Edith Stein vereint, die Pfarrkirche Allerheiligen wird aktuell vor allem von der katholischen polnischen Mission genutzt.  

In der Evangelischen Gemeinde war die Ausgangslage eine andere. Die Evangelische Kirchengemeinde Dörnigheim verfügte mit der Alten Kirche am Main über das traditionelle Gotteshaus Dörnigheims, das so alt wie der Ort selbst ist. Darüber hinaus hatte die Gemeinde ein Pfarrhaus in der Kirchgasse 8 und ein Jugendhaus von 1949 im Garten des Pfarrhauses in der heutigen Karl-Leis-Straße. Durch den Zuzug von evangelischen Menschen aus den zerstörten Großstädten der Region, von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten und der böhmischen Stadt Asch war die Kirchengemeinde angewachsen, so dass zum Beispiel bei Konfirmationen die Alte Kirche viel zu klein war. Diese hatte Ihre letzte Erweiterung 1705 bekommen und war seitdem und bis heute, abgesehen vom Anbau der Sakristei, die aber wiederum auf die Kapazität in der Kirche keinen Einfluss hat, unverändert. Bereits zu Beginn der sechziger Sache setzte sich in der Kirchengemeinde die Erkenntnis durch, dass sich das Leben der Kirchengemeinde im Ballungsgebiet zwischen den großen Städten Frankfurt, Offenbach und Hanau veränderte. Zum Gemeindepfarrer kamen zwei weitere Pfarrstellen hinzu, drei neue Pfarrhäuser wurden erbaut und das bisherige verkauft. Auch auf die Arbeit in der Gemeinde hat die Stadtnähe direkten Einfluss. Bereits in den 1960er Jahren mussten Wege gefunden werden, die Gemeindemitglieder, die nicht regelmäßig zum Gottesdienst kommen, zu erreichen.  

Bereits 1963 wurde entschieden, dass in der Berliner Straße eine neue Kirche und ein Pfarrhaus errichtet werden sollte. Gleichzeitig sollte in der Waldsiedlung ein Gemeindehaus gebaut werden. Damit sollte die Evangelische Gemeinde über drei Standorte bei drei Pfarrstellen verfügen.  

Zuerst sollte das Gemeindehaus in der Waldsiedlung realisiert werden. Das Haus in der Hermann-Löns-Straße wurde von 1966 bis 1968 erbaut und erfuhr noch vor der Eröffnung der Gemeinderäume eine Nutzungsänderung. Auf Initiative von Pfarrer Späth wurde ein Jugendzentrum als Haus der offenen Tür eröffnet.  

Die Planung für die neue Kirche in der Berliner Straße änderte sich dann auch. 1969 entscheidet der Kirchenvorstand und die drei Pfarrer, anstatt einer Kirche ein Gemeindezentrum mit Kindergarten und Pfarrhaus zu errichten. Ein ursprünglich vorgesehener Kirchturm wird aus Kostengründen gestrichen. Ähnlich wie das Haus in der Waldsiedlung, das sich an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe richtet, das dafür in der gesamten Breite, sollte das neue Gemeindezentrum ebenfalls ein Haus der offenen Tür werden, in dem viele Gruppen, Vereine, aber auch Bürger eine Anlaufstelle haben. Das Gemeindezentrum an der Berliner Straße entstand als Teil eines geplanten, neuen Stadtzentrums mit der Post und dem projektierten neuen Rathaus unter dem Grundsatz: Offenheit für alle, Toleranz und Fairness im Geiste Jesu. Die Bauarbeiten beginnen im Herbst 1971. Das Richtfest wird am 08. Juli 1972 gefeiert. Allerdings kommt es durch komplizierte Bauelemente im Herbst 1972 zu einer Bauverzögerung von einem guten Jahr, so dass die Einweihung am 26.05.1974 mit einer Konfirmation stattfindet. Die Baukosten ohne Kindergarten und Pfarrhaus belaufen sich am Ende auf 2,65 Mio DM. 

Auszug aus den „Gedanken der Architekten. Von Rolf Romero“ 

 „Während der Bauarbeiten am Rohbau des Gemeindezentrums sagte ein alter Maurer zu mir: „hier habt Ihr Architekten euch ja einmal richtig ausgetobt. Keine Ecke ist im rechten Winkel, alle Wände stehen schief. Muss denn unbedingt alles anders sein, als es früher war“ Im folgenden Text beantwortet der Architekt diese Frage selbst. Veränderung bedeutet für ihn Entwicklung und Fortschritt. Er sagt, die Kirche, als Institution wie auch als Bauwerk, sollte keine „feste Burg“ sein. Alternativ sieht er die Errichtung einer neutralen Halle, gleichsam einer Maschinenhalle, die alle späteren Möglichkeiten offen lässt: alle Einbauten, alle Veränderungen von Wänden und Decken. Dies sei nicht sein Ziel. 

Zu seinen Zielen sagt Romero: „Wir haben den Versuch gemacht, Räume zu bauen, die wohl viele Möglichkeiten offen lassen. Die aber nicht neutrale Räume sind, sondern etwas aussagen, die die Phantasie anregen, die die Atmosphäre des Sich-Begegnens, der lebendigen, spontanen Kommunikation fördern. In diesem Hause sollen Versuche zur Erneuerung des kirchlichen Lebens praktiziert werden. 

Nach dem Zusammenschluss der Stadt Dörnigheim zur Stadt Maintal wurde entschieden, in Bischofsheim ein großes Bürgerhaus mit Bühne für Theater, Chor und Orchesteraufführungen zu bauen und in Dörnigheim eine Großsporthalle für sportliche Veranstaltungen. Sie wurde 1980 als Maintal-Halle eingeweiht. So nimmt das Gemeindezentrum für Dörnigheim die Funktion eines Bürgerhauses wahr, das in Dörnigheim von städtischer Seite nicht vorgehalten wird. Es wurde bei den Planungen leider übersehen, einen Ortsmittelpunkt um Maintal-Halle, Gemeindezentrum und Siemens-Schule zu schaffen. Während sich die Schule zur Siemensallee ausrichtet, ist die Maintal-Halle zur Berliner Straße orientiert und das Gemeindezentrum zum eigenen Innenhof. Es fehlt das verbindende Element. Die zubringende Wichernstraße verengt sich in eine Sackgasse mit einem dunklen Fußgängerweg. Von Seiten des Architekten war zwar vorgesehen, dass Gemeindezentrum in das Wegesystem insbesondere nach Süden einzubinden, was aber in der Umsetzung nur bedingt gelungen ist.  Ein eventueller zentraler (Markt)-Platz ist ein Parkplatz.   

Das EGZ wird genutzt und mit Leben gefüllt 

Das Gemeindezentrum wurde großzügig geplant, war weit, offen und groß. Drei Gebäude gruppieren sich um einen Innenhof. Das Haupthaus mit dem Saal, den Gemeinderäumen, einer Wohnung für den Leiter des Hauses und dem großen Foyer wird ergänzt um den Pfarrerbungalow und das Kindergartengebäude gruppieren sich um einen Innenhof mit Zugang von der Berliner Straße und von der Wichernstraße. Der große Saal kann als Kirchenraum genutzt werden ebenso wie für Ausstellungen und Veranstaltungen. Der Saal verfügt über einen Balkon oder über eine Empore und sogar eine Kanzel ist vorhanden Das Gebäude ist in mehrfacher Hinsicht auffällig. Der unverputzte Backstein ist ein Baumaterial, dass in Dörnigheim und unserer Gegend sehr selten verwendet wurde. Der Raum des großen Saals erhebt sich mit der dreieckigen Dachform und dem großen Fenster über dem restlichen Bau, es ist ein architektonisch wertvolles Gebäude. Das ist sehr bewusst so angeordnet.  

Die Planung lag bei der Architektengemeinschaft Rolf Romero und Lothar Willius, Darmstadt. Der Entwurf berücksichtigt die Lage des Evangelischen Gemeindezentrums am Rande der neuen Ortsmitte, inmitten eines Wohngebiets. Das Evangelische Gemeindezentrum soll zu einer Atmosphäre beitragen, die sich deutlich von den noch inhaltslosen und leeren Straßenbildern der Umgebung abhebt“, so Rolf Romero. Die Gebäude sollten zum großen Saal hin ansteigend in der Bauhöhe sein und damit auch optisch die neue Ortsmitte Dörnigheims nach Norden markant abschließen. Das Haupthaus und das Kindergartengebäude gliedern sich in mehrere einzelne Räume, die sich einzeln als Form im Gebäude ablesen lassen. Die Wände haben innen und außen mehrfach Rücksprünge oder Ecken. Aber auch im Haupthaus gliedert sich das Gebäude in mehrere Ebenen. Das verleiht dem Haus Spannung, ist aber auch nicht immer praktisch. Nach Willius soll der Kirchenraum dem Menschen vor allem Geborgenheit geben. Das ist ein anderer Schwerpunkt als viele im Stile des Brutalismus entstandene Kirchen Neubauten der Nachkriegszeit. Allerdings konnte nicht die gesamte Planung realisiert werden. Die ursprünglich sich an das Kindergartengebäude anschließende Schwesternstation wurde nicht realisiert und auch das Pfarrhaus war ursprünglich größer vorgesehen und sollte Verwaltungsräume beherbergen. 

Nach Inbetriebnahme wurde deutlich, dass das Gemeindezentrum als Haus der offenen Tür für die Bevölkerung im Unterhalt und Nebenkosten für die Kirchengemeinde zu teuer wurde. Auch einige bauliche Schwächen wurden offensichtlich. Die Küche war zu klein für große Veranstaltungen. Die Toiletten befanden sich im Keller, waren nur über lange Wege und nicht barrierefrei erreichbar. Auch die vier Stufen hinter der Bar in das obere Parterre erschwerten Betrieb und Nutzung. 

In den Begegnungen vom September 1974 lesen wir:“ Sie erinnern sich an die Einweihung – wir hoffen, dass es Ihnen gefallen hat! Was uns allen weniger gefiel: dass es leider nicht ganz fertig war. Es fehlte der Fußboden, Schränke, Möbel usw. Wenn Sie gelästert haben, so ist es Ihnen auch verzeihen.“ 

Eine Sanierung steht an und wird realisiert 

Mit der Zeit wurden die Flachdächer undicht, die Fenster- und Dachflächen waren nicht ausreichend isoliert. Das Gebäude musste saniert werden. Dazu wurde die Nutzung neu konzipiert. Das Kindergartengebäude wurde abgerissen und das Grundstück für die Schaffung von Wohnraum verkauft. Mit dem Erlös wurde die Sanierung des Haupthauses teilweise finanziert. Der Kindergarten nutzt jetzt die Räume des ehemaligen oberen Parterre mit separatem, barrierefreien Zugang von der Berliner Straße. Die Küche befindet sich jetzt im ehemaligen kleinen Saal und die Toiletten im ehemaligen Gemeindebüro neben dem Haupteingang. Damit ist das Gemeindezentrum heute heller, aber auch kleiner. Damit ist das Gemeindezentrum in seinem Jubiläumsjahr dem kleiner gewordenen Bedarf der Kirchengemeinde Dörnigheim angepasster. In diesem Zusammenhang wurden die „Thesen zur Bedeutung unseres Evangelischen Gemeindezentrums“ im Juni 2023 neu gefasst. Für die Evangelische Gemeinde wurden hier die Ziele „Verantwortliche Vermittlung des Evangeliums in Wort und Tat, offene Begegnungsmöglichkeiten für alle Menschen Dörnigheims, soziale Hilfe, die Schwache und Benachteiligte aktiviert und Bildungsarbeit, die Menschen angstfreier machen soll“ definiert. Dies ist unter den drei Leitbegriffen „Familien und Erwachsenenbildung, Interreligiöse/-kulturelle Begegnung und Sozialdiakonische Kinder- und Jugendarbeit zusammengefasst. Das Evangelische Gemeindezentrum gibt der Kirchengemeinde die Möglichkeit für Begegnungen mit Menschen aller Glaubensrichtungen, sozialer Schichten  und Herkunftsgeschichten, da es als kirchliche Einrichtung sich offen mit Angeboten und Veranstaltungen zu Gemeindeangelegenheiten, Begegnungsmöglichkeiten und auch Vermietungen an alle wendet. Konzeptionell soll das neue Evangelische Gemeindezentrum ein Ort der Begegnung sein, der offen für alle ist, finanzierbar ist und dessen Räume möglichst selten leer stehen.  

Mein sehr persönlicher Bezug zum Gemeindezentrum beginnt früh. Mein Bruder gehört zu den Menschen, die Ihre Taufe im Gemeindezentrum feiern durften. Er besuchte dann auch den Miniclub im Kindergartengebäude, wo ich auch oft zu Gast war. Die Eltern der Kinder gestalteten dann das Außengelände neu und mein Vater monierte die rote Rutsche, die bis zum Verkauf des Grundstücks dort stand. 1993 fand die große Ausstellung zum 1200-jährigen Jubiläum Dörnigheims im großen Saal statt. 1997 feierten meine Eltern Ihre Silberhochzeit im großen Saal. Es war das größte Fest, das wir als Familie feierten. Mein Bruder absolvierte seinen Zivildienst im Gemeindezentrum und in der Evangelischen Kirchengemeinde, vor Ihm ein guter Freund von mir. 

Quellen: 

Archiv Geschichtsverein Dörnigheim e.V. 

Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Dörnigheim 

Dörnigheim nach 1200 Jahren, Schall 1992 

Dörnigheim Chronik bis 1974. Schall 2010 


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