
Die Steuerungsgruppe zum Gebäudestrategieprozess im Kirchenkreis hat ihre Arbeit aufgenommen. Das Thema bewegt Kirchenvorstände und Gemeindemitglieder gleichermaßen, denn alle kirchlichen Gebäude stehen auf dem Prüfstand – können Sie weiter gehalten werden oder ist es besser, sie aufzugeben?
Fakt ist, wegen der knapper werdenden Mittel wird die Landeskirche die Gebäudezuschüsse bis etwa 2035 halbieren.
Hier ein Interview mit der Dekanin des Kirchenkreises Twiste-Eisenberg, Eva Brinke-Kriebel, und dem Leiter des Kirchenkreisamtes Waldeck-Frankenberg, Philipp Immel.
Anfang Juli hat sich die Steuerungsgruppe zum Gebäudestrategieprozess im Kirchenkreis Twiste-Eisenberg zum ersten Mal getroffen. Frau Brinke-Kriebel, was soll dort erarbeitet werden?
Brinke-Kriebel: Da muss ich kurz ausholen: Durch den Rückgang der Mitgliederzahlen, den wir in unserer Landeskirche leider haben, und den damit ganz deutlich werdenden Mittelrückgang, müssen wir uns neu aufstellen und mit den knapper werdenden Mitteln zurechtkommen. Ein großer Teil unseres Geldes fließt in die kirchlichen Gebäude. Und wir haben ziemlich viele davon. Deshalb startet jetzt ein Gebäudestrategieprozess in allen Kirchenkreisen, angestoßen von der Landeskirche.
Die Prognose ist, dass wir Mitte der 30er Jahre nur noch die Hälfte des zur Verfügung stehenden Geldes haben und dass dadurch nur noch etwa 30 Prozent der kircheneigenen Gebäude bezuschusst werden können. Und selbst diese 30 Prozent können nur mit Drittmitteln erhalten werden, also mit Spenden, Fördergeldern u.s.w.
Es bleibt die Frage, was passiert mit den anderen 70 Prozent unserer Gebäude?
Deshalb haben wir nun die Steuerungsgruppe ins Leben gerufen. Das sind zwölf Personen, vier Ehrenamtliche aus den Kooperationsräumen, auch hauptamtliche Pfarrerinnen und Pfarrer, zum Beispiel der Vorsitzende des Bauausschusses, Pfarrer Steffen Blum und natürlich auch Philipp Immel als Kirchenkreisamtsleiter. Philipp Immel hat in seiner Funktion eine wichtige Scharnierfunktion, weil er auch für den Kirchenkreis Eder zuständig ist und dort seit Mai 2023 den Prozess als Pilotprojekt betreut.
Philipp Immel: Und um zusätzliche Perspektiven in die Lenkungsgruppe hineinzubekommen, sind auch inhaltliche Schwerpunkte wichtig. Dafür haben wir Jugendreferentin Petra Ullrich dabei.
Wieviel Zeit hat sich die Steuerungsgruppe gegeben, bis ein Ergebnis vorliegen soll?
Brinke-Kriebel: Auch da gibt es die Vorgabe der Landessynode, die besagt, dass alle Kirchenkreise zum 1. Januar 2026 einen Gebäudeplan erstellt haben müssen.
Wir haben jetzt bei unserem ersten Treffen unseren Zeitplan so gestrickt, dass wir in der Herbstsynode 2025 den Beschluss über den Gebäudeplan treffen wollen.
Immel: Die Prozessarchitektur sieht verschiedene zeitliche Abschnitte vor, die sowohl interne Arbeitsphasen in der Arbeitsgruppe bedeuten, als auch Teilhabefunktionen und Bearbeitungsphasen in den Kirchengemeinden. Es gibt also auch vor Ort genügend Zeit, sich
mit diesem Prozess zu beschäftigen. Jetzt schicken wir aber zunächst Nutzungsabfragen an die einzelnen Gemeinden.
Wenn ich es recht verstehe, gibt es noch keine Kriterien, welche Gebäude gehalten werden können, welche nicht – diese Kriterien sollen jetzt in der Steuerungsgruppe erarbeitet werden?
Immel: Genau! Es ist ein Prozess in den wir verschiedene Schwerpunkte in die Kriterienfindung mit einbeziehen. Dabei handelt es sich nicht nur um harte Fakten, wie Gebäudezustand und Kosten, sondern auch um Nutzungsabfragen, was in unseren Gebäuden passiert. Zudem ziehen wir regionale Faktoren hinzu, wie die Standortfrage, die regionale Verteilung, und eben vermutlich auch inhaltliche Arbeitsschwerpunkte, um so eine breitgefächerte Entscheidungsgrundlage zu bekommen. Wie genau das aussieht, wird die Steuerungsgruppe noch beraten.
Wenn wir über die Gebäude sprechen, Frau Brinke-Kriebel, sind es nicht nur Gemeinde- und Pfarrhäuser, sondern ebenfalls Kirchen?

Brinke-Kriebel: Gemeindehäuser beispielsweise haben wir schon länger im Blick, hier werden längst schon nicht mehr alle finanziell unterstützt. Das wirklich Neue an diesem aktuellem Prozess ist, dass wir alle Gebäude in den Blick nehmen, auch die Kirchen. Das wird sicherlich noch einmal emotionaler. Weil wir auch noch nicht wirklich Ideen haben, wie man Kirchen anders nutzen soll.
Aber auch bei den Kirchen hatten wir in der Vergangenheit schon einen Prozess, in dem wir sie kategorisiert haben, um dort besser die Zuweisungen zu steuern. Dieses Papier werden wir uns sicher noch einmal anschauen.
Kann man denn einfach Kirchen stilllegen und sich nicht mehr darum kümmern?
Immel: Nein natürlich nicht. So lange die Kirchen im Besitz der Gemeinde sind, besteht u.a. eine Verkehrssicherungspflicht. Man kann das Gebäude nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Aber man kann natürlich die Nutzung und die Ausstattung deutlich herunterfahren.
Das Thema Umnutzung wird ein elementarer Bestandteil des Gebäudeprozesses sein. Das können wir aber auch nicht nur innerkirchlich entscheiden. Wir werden weitere Akteure mit einbeziehen, um zu einer guten Entscheidung zu kommen – sowohl kommunale Vertreter als auch örtliche Vereinsstrukturen spielen dabei eine Rolle.
Schmerzt das als Dekanin, wenn man sich damit auseinandersetzen muss, Kirchengebäude aufzugeben?
Brinke-Kriebel: Das schmerzt mich als Dekanin genauso wie die Menschen vor Ort. Aber ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, bei allen Emotionen, zu den bestmöglichen Lösungen zu kommen. Wichtig ist, dass wir uns nicht emotional verkämpfen bei der Entscheidungsfindung.
Ja, und natürlich würden wir am liebsten alles so beibehalten, wie es ist, unsere Gebäude obendrein auch energietechnisch auf den neuesten Stand bringen und so weiter…..
Die Zeichen der Zeit sind aber andere. Darauf müssen wir uns einstellen. Da nutzt es nichts, Fakten beiseite zu schieben. Wir können nur versuchen, das Beste daraus zu machen, denn letztlich misst sich unser Glauben und unsere Stärke nicht an der Anzahl der Gebäude, die wir haben.
Wir müssen diesen schmerzlichen Prozess auch mit einer gewissen Haltung und mit gegenseitigem Respekt gut gestalten.
Es wäre natürlich großartig, und ich könnte es mir auch tatsächlich gut vorstellen, dass sich an manchen Orten vermögende Menschen finden, denen ihre Kirche am Ort so am Herzen liegt, dass sie zum Erhalt des Gebäudes eine Stiftung gründen oder auch Fördervereine unterstützen.
Immel: Bei Gemeindehäusern ist es wichtig, den Blick darauf zu richten, wo funktionieren schon andere Konzepte, wo funktioniert eine Umnutzung von Gebäuden, so wie zum Beispiel in Goddelsheim.
Brinke-Kriebel: In Goddelsheim hat die Kirchengemeinde das Pfarrhaus und das anhängende Gemeindehaus aufgegeben, und kann es an die Kommune abgeben. Die Kirchengemeinde hat sich dann quasi in das neue Gebäude direkt neben der Kirche eingekauft. Es gehört der Kommune und wird als Gemeindezentrum von vielen anderen genutzt.
Immel: Damit dies alles auch vor Ort gelingen kann, sind die Gemeinden nicht auf sich alleine gestellt, sondern wir etablieren Strukturen, damit wir uns gemeinsam als Kirchenkreis auf den Weg begeben können
Inwieweit werden denn auch die Kirchenvorstände vor Ort gefragt?
Immel: Die Lenkungsgruppe ist nicht das Entscheidungsgremium, ob Gebäude verkauft werden. Das ist wichtig. Gebäude sind im Eigentum der Kirchengemeinden. Wir entscheiden nicht über Kirchenvorstände hinweg.
Heißt das, wenn eine Gemeinde ein Gebäude behalten will, geht das auch, sie müssen Sie es dann nur selbst finanzieren?
Brinke-Kriebel: Naja, ganz so einfach ist es nicht. Wenn eine Gemeinde mehrere Gebäude besitzt, muss es eine gemeinsame Prioritätenliste geben. Es kann nicht sein, dass eine Gemeinde all ihr finanzielles Engagement ins Gemeindehaus steckt und erwartet, dass der Kirchenkreis mit den landeskirchlichen Mitteln die Kirche finanziert. Und auch, wenn Mittel vom Kirchenkreis fließen, braucht es obendrein noch Drittmittel und Spenden. Anders ist es nicht zu stemmen. Die kirchlichen Mittel allein reichen nicht aus.
Wieviel Geld fließt derzeit von der Landeskirche in die Gebäude im Kirchenkreis?
Immel: Derzeit stehen rund 800.000 Euro pro Jahr an landeskirchlichen Baumitteln zur Verfügung, und das für 137 Gebäude. Jeder der mit gesundem Menschenverstand diese Zahl liest, weiß, dass es nicht funktionieren kann. Und diese Zuschüsse werden sich in etwa zehn Jahren halbieren.
Brinke-Kriebel: Die Landeskirche hat ja zudem in der Herbstsynode ein Klimaschutzkonzept beschlossen. Darin steht, dass wir bis 2045 unsere Gebäude, die wir dann noch haben, klimaneutral halten müssen.
Die Frage, die sich anschließt: Welchen Einfluss hat das alles letztlich auf das Gemeindeleben vor Ort, wenn es vielleicht kein Gotteshaus mehr gibt?
Brinke-Kriebel: Es ist ja nicht nur der Gebäudeprozess, der uns deutlich macht, dass sich Kirche verändern muss und dass sich die Gemeindearbeit verändern muss. Die Menschen kommen immer weniger zu Gruppen und Kreisen oder auch zum Gottesdienst. Auch da müssen wir ja umdenken und mit unseren Angeboten dahin gehen, wo die Menschen sind.
Immel: Deshalb ist der Gebäudeprozess auch nur ein Teil des landeskirchlichen Reformprozesses, der aber dringend notwendig ist. Kirche muss zukunftsfähig weiterentwickelt werden, auf dem finanziellen Sektor, aber auch im gemeindlichen Sektor.
Befürchten Sie dadurch weitere Kirchenaustritte?
Brinke-Kriebel: Leider ist es ja immer so, dass uns in bestimmten Veränderungsprozessen Menschen verloren gehen. Das tut uns um jeden und jede leid. Aber wir kommen ja genau daher, dass so viele ausgetreten sind und wir deshalb reagieren müssen. Wir haben gar keine andere Chance. Und an manchen Stellen wird das Abgeben von Gebäuden auch als deutliche Entlastung empfunden werden, die freier macht, um neue Ideen umzusetzen.
Immel: Kurzum: Wir müssen jetzt reagieren, dass wir in Zukunft auch wieder frei agieren können.
Herzlichen Dank Ihnen beiden für das offene Gespräch!