Inklusives Musicalprojekt vom jungen Goethe

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Inklusives Musicalprojekt vom jungen Goethe

Menschen mit und ohne Behinderung zeigen in der Andreaskirche Schildgen bemerkenswertes Ensembletheater

Sein Vater zwang Johann Wolfgang Goethe in eine Juristenkarriere, die ihm verhasst war. Die angebetete Lotte entschied sich für einen anderen Mann. Von den Kämpfen des jungen Mannes handelt das Musical „Der junge Goethe. Es lebe das Leben“, das in der Andreaskirche  zu sehen war. Der Musicalchor der Evangelischen Kirchengemeinde hat die Produktion mit Texten, Gesang und Tanz auf die Bühne gebracht. In der Regie von Birte Lefherz standen Laiendarsteller mit und ohne Behinderung auf der Bühne. In dem inklusiven Projekt zeichneten sie ein komplexes Bild des großen Dichters.

„Die Spielerinnen und Spieler nach ihren Talenten einzusetzen und zu fördern“, das stand für die Regisseurin im Vordergrund. Mit starken Choreografien forderte Sabrina Wöhler nicht nur die jungen Darsteller mit Behinderung heraus. In der Gemeinschaft, die an oberster Stelle stand, entwickelten sie eindrückliche Theaterbilder, die Goethes inneres Gefängnis griffig zeigten. Was es für den genialen Dichter bedeutete, im 18. Jahrhundert seinen Traum von der Liebe zu verlieren, zeigte das Ensemble in einer starken Darstellung. Produktionsleiterin Sabine Gresser-Ritter hat das inklusive Theaterprojekt mit Fördergeldern der Aktion Mensch, der Kleeblatt-Stiftung und der Johanniter-Hilfsgemeinschaft Köln möglich gemacht: „Wir haben mit erfahrenen Theater-, Musik- und Tanzpädagogen gearbeitet, um die jungen Leute mit und ohne Behinderung auch künstlerisch herauszufordern und eine gute Gemeinschaft entstehen zu lassen.“

Seine eigene Gedankenwelt hat Goethe in dem Sturm-und-Drang-Kultbuch „Die Leiden des jungen Werther“ verarbeitet. Der Stoff ist auch heute noch an vielen Schulen Pflichtlektüre. Als Vorlage hat sich die Gruppe für das deutschsprachige Musical „Goethe!“ des Autors Gil Mehmert mit Frank Ramonds Liedtexten entschieden. Die Musik stammt von Martin Lignau. Mit feinem Gespür für die Zwischentöne hat Kornelia Kupski die Songs mit den Sängerinnen und Sängern einstudiert. Dabei hat das Regieteam die Rollen getrennt. Sie wurden von unterschiedlichen Personen gespielt und gesungen. „Das fordert viel Übung und Durchhaltevermögen“, berichtet Regisseurin Lefherz von den herausfordernden Proben. In der schnellen, bilderreichen Inszenierung klappte der Dialog zwischen Text und Musik fließend.

Marla Kemp wuchs in der Rolle des jungen Goethes über sich hinaus. Auf den Spagat zwischen Leidenschaft und Verzweiflung ließ sich die junge Frau großartig ein. Eine junge Frau, die dem Diktat ihres Vaters nicht entfliehen kann, ist Annika Zieglers Lotte. Den wohlhabenden Gerichtsrat Albert Kestner befreite Annkathrin Scheiner vom Klischee des trockenen Juristen. Im Kampf um Lottes Hand hat die Figur am Ende die Nase vorn. Die Liebe der jungen Frau gehörte jedoch immer dem Dichter. Wilhelm, der Freund des Dichters, nimmt sich aus Verzweiflung das Leben. Finn Kallies erfasste die Tragik der Figur eindrücklich, die für eine verlorene Generation im 18. Jahrhundert steht.

Klug schlug das Regieteam Brücken zu Goethes Werk. Die Kostüme, selbst entworfen und genäht von Mitgliedern der Gruppe, spiegelten modische Konventionen der Jugendzeit des großen Dichters und Naturforschers. Mit einer kunstvoll gestalteten Maske verkörperte Tobias Pfennig den Mephisto, der in Goethes Werk für die Zerrissenheit des Künstlers steht. Gerade in den Passagen jenseits der Sprache kommt die Qualität des inklusiven Theaterprojekts besonders schön zum Tragen. Gemeinsam finden die Spielerinnen und Spieler zu einer Sprache, die jenseits der Worte liegt.

Elisabeth Maier

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