
Predigt zum Ostermontag, 21.04.2025
Christuskirche Gladbeck
Lukas 24,13–35
Pfarrerin Melanie Hellmers, Superintendent Steffen Riesenberg
Predigt Teil 1 - Pilgern
Hinführung zur Erzählung:
Riesenberg: Wir feiern Ostern! Jesus ist am Kreuz gestorben – die Jüngerinnen und Jünger sind in alle Richtungen weggelaufen. Zwei Tage später, ganz früh am Morgen, kommen drei Frauen zum Grab, und sie entdecken, was eigentlich unmöglich scheint.
Erzählung nach BasisBibel Lukas 24,13-24
Lektor: Das Grab ist leer. Ganz unterschiedlich reagieren die Jüngerinnen und Jünger von Jesus darauf. Zwei von ihnen machen sich zu Fuß auf den Weg von Jerusalem in das Dorf Emmaus.
Ungefähr anderthalb Stunden braucht man für die Strecke. Beim Gehen reden sie miteinander über alles, was in den Tagen vorher geschehen ist. Und sie versuchen, irgendeinen Sinn darin zu finden. Während sie miteinander gehen und erzählen, nähert sich Jesus. Er gesellt sich zu ihnen und geht mit. Sie erkennen ihn aber nicht. Ihre Augen sind wie verblendet. Jesus fragt sie: „Worüber redet ihr denn? Was ist passiert?“ Da bleiben sie traurig stehen.
Kleopas - so heißt der eine der beiden – antwortet: „Bist du der Einzige, der nicht gehört hat, was in den letzten Tagen drüben in Jerusalem passiert ist?“ „Was denn?“, fragt Jesus. Da erzählen sie ihm alles: „Das mit Jesus von Nazareth“, sagen sie. „Der war ein großer und starker Prophet. Er hat große Wunder vollbracht – Menschen geheilt und viele satt gemacht. Am Ende wurde er gekreuzigt. Gerade er, der so viel Gutes getan hat. Und wir hatten gehofft, dass er unser Volk erlösen wird und von den römischen Gewaltherrschern befreit! Es ist genau drei Tage her, dass man ihn umgebracht hat.
Einige Frauen haben uns heute richtig erschreckt: Sie sind beim Grab gewesen, aber sie haben Jesu Leichnam nicht gefunden. Stattdessen haben sie Engel gesehen, die haben gesagt: Jesus lebt! Einige von unseren Freunden sind dann gleich zum Grab gegangen, und es war genauso, wie die Frauen erzählen.
Musik Bläser
Moderation:
Riesenberg: Die beiden Jünger sind zusammen unterwegs. Auch heute sind Leute zusammen unterwegs, beim Pilgern. Das kennen Margret Link und Barbi Mohr. Sie sind regelmäßig als Pilgerinnen unterwegs, kreuz und quer im Ruhrgebiet, aber auch anderswo. Pilgern kann man nämlich nicht nur auf den traditionellen Jakobswegen in Spanien oder Norwegen oder so, sondern auch direkt vor der eigenen Haustür. Beim "Pilgern im Pott" treffen sich regelmäßig gut 30 Leute in Bottrop um bei einer Tageswanderung zusammen zu pilgern.
Statements Pilgerinnen „Pilgern im Pott“:
Margret Link: Wir wissen ja nicht, was die Jünger dabeihatten für ihren schweren Weg nach Emmaus. Wir haben jedenfalls für einen Wandertag gepackt. Barbi, was hast du denn im Rucksack?
Barbi Mohr: (zeigt dabei auf die Ausrüstungsgegenstände) Hältst du mal eben meinen Wanderstab? Also, ohne Regenjacke geht bei uns erstmal gar nichts! Dann natürlich die Wasserflasche. Dann hier was zu Essen, in der Brotdose. Und ganz wichtig: Blasenpflaster!
Margret Link: Dann kann es ja losgehen!
Barbi Mohr: Wenn ich laufe, kommt nicht nur mein Körper in Bewegung, sondern auch mein Geist und meine Seele. Manchmal kommen Gefühle hoch, die ich vielleicht nicht zugelassen habe. Ich habe oft gute Ideen oder ich finde die Lösung für ein Problem. Da ist schon eine tolle Erfahrung.
Je mehr ich gelaufen bin, um so aufmerksamer sehe ich die Natur: das erste Buschwindröschen, der Turmfalke, der hoch über mir kreist… Da habe ich ein Gefühl von Eins-Sein mit der ganzen Schöpfung und mit Gott. Für mich ist Pilgern „Gottesdienst in der Natur feiern“, so dass man mich bei schönem Wetter auch eher in Wald und Flur als in der Kirche findet.
Margret Link: Wenn ich draußen unterwegs bin, fühle ich mich als Teil der Schöpfung. Ich werde langsamer. Mein Mann sagt dann immer: negative Tempoverschärfung, wenn ich mir die Pflanzen ansehe oder ein Mauseloch. Beim Pilgern kann ich aber auch den anderen beobachten und zuhören, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Beim Laufen fällt es mir viel leichter als sonst im Alltag, auf die Zwischentöne zu hören und mich einzufühlen in den anderen. Gerade wenn man bei sich ist, kann man wirklich beieinander sein.
Barbi Mohr: Ja, genau, das erlebe ich auch. Es gibt Tage, da tauche ich richtig in mich selber ab und komme an Punkte, zu denen ich nichts hätte sagen können, wenn man mich vorher dazu befragt hätte. Es taucht etwas auf – als ob ich mich selbst finden könnte.
Beim Pilgern in der Gruppe kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen, die aber die Liebe zur Natur und den Glauben teilen. Beim Laufen entstehen wunderbare Gespräche. Und das Erstaunliche ist, diese Gespräche sind oft sehr tiefgründig und würden in anderen Zusammenhängen mit fremden Menschen nie entstehen.
Margret Link: Gerade, wenn es um tiefe Gefühle geht. Ich finde, das ist es, was mich anspringt aus der Geschichte von den Jüngern, die unterwegs nach Emmaus sind: diese völlige Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, die Trauer und die ganzen enttäuschten Hoffnungen. Da bricht das ganze Leben zusammen. Das ist ja so die tiefste Emotion / das tiefste Gefühl, das), die man sich vorstellen kann. Und dann reden die. Selbst, wenn es dem anderen nicht besser geht. Da tun sich zwei zusammen, die etwas Schweres zu tragen haben. Und manchmal gibt Minus und Minus ja Plus, und dann geht es doch irgendwie weiter.
Barbi Mohr: Beim Pilgern sind auch schon echte Freundschaften entstanden. Auf meiner allerersten Tour war ich noch mit meiner schweren Spiegelreflexkamera unterwegs. Und wer sprach mich da an? Der heutige Chefredakteur unserer Kirchenzeitung, der auch fotografiert. Wir sind ein langes Wegstück zusammen gegangen, und daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt. Auch wenn wir uns nicht oft sehen, fühlen wir uns sehr verbunden und telefonieren regelmäßig und lange miteinander.
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Predigt Teil 2 - Ökumenische Notfallseelsorge
Erzählung nach BasisBibel Lukas 24,25-29:
Lektor: Zwei Jünger von Jesus sind unterwegs nach Emmaus. Sie erzählen sich von den letzten Tagen in Jerusalem. Der Schreck über den gewaltsamen Tod von Jesus sitzt ihnen in den Knochen. Ein Fremder schließt sich ihnen an. Es ist Jesus, doch sie erkennen ihn nicht. Er fragt nach, und sie erzählen ihm: „Unser Freund Jesus ist am Kreuz gestorben.“ Sie sind enttäuscht und ratlos und sagen: „Einige Frauen haben uns erzählt: Das Grab Jesu ist leer.“
Jesus entgegnet den beiden Jüngern: „Warum versteht ihr das denn nicht? Warum begreift ihr immer noch nicht, was die Propheten in den alten Schriften schon angekündigt haben? Es musste doch so kommen für den Retter der Welt, damit er in seine Herrlichkeit kommen kann.“ Und dann holt Jesus aus und erklärt ihnen die Bibel: Was da über den Retter der Welt, den Sohn Gottes steht - von Mose angefangen über die Propheten.
So erreichen sie das Dorf, zu dem sie unterwegs sind: Emmaus. Jesus tut so, als ob er weitergehen will. Sie versuchen, ihn aufzuhalten. Noch immer haben sie nicht erkannt, dass der Fremde, der mit ihnen geht, Jesus ist. Sie bitten ihn: Bleib bei uns! Der Abend kommt und langsam wird es schon dunkel.
Also geht Jesus mit ihnen ins Dorf und in ihr Haus, um bei ihnen zu bleiben.
Da passiert es: Während sie am Tisch sind, nimmt Jesus das Brot und spricht ein Tischgebet. Er bricht das Brot durch und gibt jedem ein Stück. Da endlich geht ihnen ein Licht auf und sie erkennen Jesus. Doch plötzlich ist er verschwunden.
Musik Orgel
Moderation:
Hellmers: Zwei traurige Freunde gehen mit hängenden Köpfen eine Landstraße entlang. Ein dritter kommt dazu, fremd, unerkannt. Sie reden miteinander. Petra Bremer und Markus Kemper kennen das. Sie sind ehrenamtlich in der Notfallseelsorge aktiv. Sie kommen, wenn die Leitstelle der Feuerwehr anruft. Bei Tag und bei Nacht.
Egal ob bei Unfällen, Bränden, Todesfällen oder Katastrophen, ob auf der Autobahn oder Zuhause. Wenn sie gerufen werden, stehen sie Menschen in schlimmen Krisen bei. Erste Hilfe für die Seele.
Statements Notfallseelsorger*innen:
Petra Bremer: Wenn ich im Einsatz für die Notfallseelsorge bin, ist es wichtig, dass ich mich ganz auf den zu betreuenden Menschen einlasse. Das bedeutet:
Für eine Zeit in seine Schuhe zu schlüpfen; Versuchen, zu erspüren, was dieser andere Mensch jetzt braucht. Ihn abschirmen vor zusätzlicher Belastung und zeigen, dass ich sein Leid mittrage. Mit Worten, aber häufig auch ohne. Mit Berührung, manchmal auch ohne.
In Stille versuchen, das Unbegreifliche greifbar zu machen oder erzählen zu lassen von Leid und Trauer. Für den anderen da sein, mich selbst zurücknehmen, jedoch ohne mich zu vergessen. Von Mensch zu Mensch – daher tragen wir unsere Westen auch nicht, wenn wir zu den Menschen nach Hause fahren. Die Westen ziehen wir in Einsätzen an, bei denen es wichtig ist, dass man uns als Helfende erkennt; zum Beispiel an Unfallstellen oder bei großen Einsätzen.
Markus Kemper: Und dabei braucht es nicht viele Worte. Da bricht für jemanden vielleicht die Welt zusammen, weil die Partnerin oder der Partner oder ein Freund gestorben ist. Diesen Menschen will ich nicht allein lassen. Da möchte ich ganz da sein. Meistens gelingt das. Manchmal fährt man auch nach Hause und denkt: Du hast es vergeigt. Und dann kommt ein paar Wochen ein überschwänglicher Dankesbrief. Dabei habe ich nichts gemacht, sondern nur geschwiegen. Aber ich war da.
Musik E-Piano
Petra Bremer: Ich glaube, dass Gott mich in meinem Dienst begleitet. Manchmal denke ich, wir Notfallseelsorger sind so ein bisschen wie der verlängerte Arm Gottes.
Vielleicht ist es so: Weil ich mich mit Gott verbunden fühle und mein Handeln durch meinen Glauben gelenkt ist, kann ich ganz für den Anderen da sein. Mit ihm in Resonanz gehen.
Und das spüren die Hilfesuchenden – auch, wenn sie keinen Glauben haben.
Markus Kemper: Manche Menschen nehmen vielleicht nicht wahr, was ihnen gutgetan hat. Aber wir wissen das, und vielleicht spüren sie es später auch: Dass wir das, was wir tun, aus dem christlichen Glauben heraus tun.
Petra Bremer: Häufig ist es so, dass Menschen in einer akuten Krisensituation gar nicht mehr wissen, wie es weiter gehen soll. Wir helfen ihnen, sich wieder zu sortieren. Ganz oft ist es so, dass Menschen in der Krise das Essen und das Trinken vergessen. Dann erinnern wir sie daran. Da kann schon ein Schluck Leitungswasser Wunder bewirken, weil die Leute für einen Moment innehalten und sich neu wahrnehmen. Das kann sein, wie wenn ein Schalter umgelegt wird.
Man weiß heute, dass frühe Hilfe in Krisen heilsam wirken kann!
Außerdem helfen wir den Betroffenen, das Netzwerk an Freunden und Verwandten zu aktivieren. Zu spüren: Es geht weiter und ich bin nicht allein.
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Predigt Teil 3 - Auslegung und Weiterführung
Erzählung nach BasisBibel Lukas 24,30-35 Lektor: Da sind welche unterwegs, von Jerusalem nach Emmaus. Zwei Freunde, die sind traurig und entsetzt: Erst stirbt ihr Freund Jesus, und jetzt sagen einige: Das Grab ist leer! Bald sind sie zu dritt: Jesus ist zu ihnen gestoßen, ohne, dass sie ihn erkennen. Gespräche entstehen: Über die Ereignisse der letzten Tage. Über Glauben und Hoffnungen, über enttäuschte Erwartungen. Und dann, am Tisch, beim Brotbrechen geht den beiden Freunden ein Licht auf: Der, der sich da zu ihnen gesellt hat, das ist Jesus! Und plötzlich ist er verschwunden
Die Geschichte geht noch weiter: Die beiden Freunde begreifen jetzt, dass es die ganze Zeit Jesus war. “Unser Herz brannte doch in uns, als er mit uns gegangen ist und uns die ganze Sache mit der Bibel erklärt hat.” Und im gleichen Augenblick, obwohl es schon abends ist, brechen sie wieder auf und gehen nach Jerusalem zurück. Ihre Schritte sind leicht. Die Herzen froh. Direkt gehen sie zu den anderen Freunden von Jesus. Und dann erzählen sie, was sie unterwegs erlebt haben und wie sie Jesus erkannt haben, als er das Brot gebrochen und mit ihnen geteilt hat.
Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Botschaft. Jesus lebt! Und diese beiden, die sind ihm wirklich begegnet!
Erfahrung 1:
Riesenberg: Ich weiß noch, als mein Glaube mich zum ersten Mal richtig gehalten hat. Ich bin als junger Pfarrer mit einer Gruppe von Jugendlichen in Schweden unterwegs: Sommerfreizeit mit Konfis. Meine Mutter ruft an: Opa ist gestorben. Mein geliebter Opa Fritz, ein sperriger Typ, Gärtnermeister, der Patriarch unserer Familie. Die Beerdigung, gleich am Freitag. Also packe ich meine Tasche, fahre zum Flughafen und fliege nach Hause. Ich habe, Gott sei Dank, einen Kollegen dabei. Der bleibt mit den Jugendlichen vor Ort.
Wir besuchen Opa noch einmal am offenen Sarg. Ganz friedlich liegt er da. Ich sehe ihn, und doch habe ich das Gefühl: Er ist gar nicht mehr hier. Er ist jetzt woanders.
Ein paar Tage später hält die Pfarrerin meiner Heimatgemeinde eine ganz wunderbare Trauerfeier für meinen Opa. Sie erzählt von einem großen alten Baum, der für viele Menschen Schatten spendet. Die kleine Kapelle ist voller Blumen. So war mein Opa. Natürlich weinen wir. Und wir trösten uns gegenseitig.
Und die Gebete, die Worte der Bibel, die Lieder – das alles tröstet mich auch. Es nimmt die Traurigkeit nicht weg, aber sie bekommt einen neuen Klang. Gott ist mit dabei in der Traurigkeit.
Zwei Tage danach bin ich wieder nach Schweden gefahren, zu der Freizeit. Erst da wurde mir klar, wie getröstet ich diese Zeit erlebt habe. Voller Trauer und Tränen, ja. Und doch getröstet. Als kleiner Junge habe ich die Geschichte von Jesus gehört. Als Schulkind habe ich sie in der Kinderbibel nachgelesen. Irgendwann habe ich entschieden: Das will ich glauben. Auf der anderen Seite des Todes geht das Leben weiter.
Und diese Woche, in der wir meinen Opa beerdigt haben, hat mir gezeigt: Dieser Glaube hält mich. Jesus lebt, mit ihm auch ich. Und mein Opa. Das glaube ich. Vor dieser Trauerzeit mit meinem theologischen Wissen und meinem Verstand. Jetzt so richtig mit Kopf, Herz und Seele.
Auf diesem Weg des Abschieds bin ich nicht allein gewesen: Da sind Konfis auf der Freizeit, eine Familie, eine Gemeinde. Und Gott ist dabei gewesen, in unserer Traurigkeit.
Mein damaliger Bischof sagt über die Auferstehung von Jesus: “Einerseits habe ich darauf mein Leben gebaut, und es zu meinem Beruf gemacht, davon zu erzählen. Und andererseits: Stell dir vor, wenn das wirklich stimmt!”
Um einen anderen Bischof trauern wir heute Morgen. Papst Franziskus ist verstorben, er hat das zu seinem Beruf gemacht, zu seinem Leben gemacht - von dieser Hoffnung zu berichten, die uns Christinnen und Christen trägt. Er hat Straffälligen im Gefängnis die Füße gewaschen, Kinder zu seinen Audienzen eingeladen und sie um sich gesammelt. Er hat uns eingeladen, uns vorzustellen: Wenn das wirklich stimmt: Jesus ist auferstanden. Wenn das stimmt, dann wäre jede Angst überwunden. Und vielleicht sind in dieser österlichen Freudenzeit, die jetzt für viele Christinnen und Christen auch zu einer traurigen Zeit wird, die Emmausjünger gute Wegbegleiter für uns: Ihre Traurigkeit, die ihnen für einen Moment den Blick verschwimmen lässt. Ihr Impuls, wegzulaufen aus dieser Zeit, von diesem Ort des Todes. Ihre Fragen, Ihre Unsicherheit, aber ihr brennendes Herz auch und die neu geweckte Hoffnung, das Staunen und die schnellen Schritte, mit denen sie zurück zu ihren Freunden laufen.
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Erfahrung 2:
Hellmers: Gott begegnen wie die Jünger von Emmaus. Das klingt groß und heilig, gewichtig eben! Dabei sind es ja oft eher kleine Momente, in denen mir Gott begegnet. Manchmal nur so im Vorbeigehen, manchmal in einer Erkenntnis im Nachhinein. Und, ehrlich gesagt, manchmal auch ganz anders, als ich es mir erhoffe.
Ich kann mich an eine Zeit in meinem Leben erinnern, die war nicht leicht. Von einem Tag auf den anderen ist ziemlich alles in Frage gestellt gewesen, was mir bisher wichtig und richtig zu sein schien.
Vielleicht kennen Sie das: Wenn Sie einen geliebten Menschen verlieren, durch eine Trennung oder den Tod. Oder wenn plötzlich die berufliche Perspektive wegbricht.
Wo vorher lose Fixpunkte gewesen sind, waren mit einem Mal ganz viele Leerstellen und Fragezeichen. Diese neue Offenheit hat in mir einiges hochgewirbelt: Ich war unsicher, traurig, voller Angst, wütend…In dieser Zeit fiel es mir nicht leicht, mit Gott in Kontakt zu sein. „Warum?“, diese Frage geisterte damals durch meinen Kopf. Ich wollte Antworten, Zeichen, Lichtblicke, Perspektiven, - und fragte mich, woher ich die Kraft für diesen Umbruch nehmen soll. Aber eine Weile war da nichts. Alles, was ich fand, waren neue Fragen. Neue Leerstellen.
Und dann kommt die Nachricht einer Freundin. Sie schreibt: „Ich kann mir vorstellen, dass du gerade keinen ganz guten Draht zu Gott hast. Weißt du was? Ich halte die Fahne für dich hoch. Ich bete für dich zu Gott und halte den Kontakt warm.“ Und das war alles, was ich in dieser Situation brauchte. In diesem Moment war ich meiner Freundin nah, und mit ihr im Glauben verbunden. Dass sie meinen Glauben mit-trägt, dass sie mir Zweifel erlaubt, sie nicht nur aushält, sondern für mich bei Gott einsteht - das war’s, was mich mit neuer Kraft erfüllt hat. Und: Das war der Moment, in dem mir Gott wieder nahegekommen ist.
Sich getragen wissen: Von Gott, und auch vom Glauben anderer Menschen. Mit dieser Erfahrung bin ich nicht allein. Andere haben mir ähnliches erzählt: Ich muss an eine Witwe aus der Gemeinde denken, die an dem Tod ihres Mannes beinahe zerbrochen ist. Nach so vielen gemeinsamen Jahrzehnten ist es ein gewaltiger Kraftakt, in einen neuen Alltag zu finden. Die leere Wohnung auszuhalten, in der jede Ecke voller Erinnerungen steckt. Etwas mit sich anzufangen, so ganz alleine. Die viele Zeit zu füllen und darin Freude zu finden. Oder zumindest Frieden. Am Anfang denkt sie: Das schaffe ich nicht. Immer dunkler werden ihre Gedanken. Doch dann fängt sie an, in die Gottesdienste zu gehen. Woher genau ihr der Gedanke gekommen ist, kann sie gar nicht so ganz sagen. Vorher ist sie nie im Gottesdienst gewesen!
Doch jetzt, schon beim ersten Mal, hat sie dort etwas gefunden: In der Gemeinschaft. Im Gebet. In den Liedern. Sie kommt wieder. Und erlebt, dass es ihr etwas gibt:
Von Gott zu hören. Und von der Hoffnung: Hoffnung darauf, dass Gott bei uns ist. Dass er uns Liebe schenkt. Und für unsere Verstorbenen ein neues Leben bereithält.
Es gibt ihr Kraft. Stück für Stück, Woche für Woche, wird es ein klitzekleines bisschen leichter, mit dem leeren Platz am Küchentisch zu leben. Und nun ist sie sich sicher: Die Idee, in einen Gottesdienst zu gehen, die kam von Gott.
Riesenberg: Es ist Ostern! Und wir feiern: Auferstehung. Neues Leben. Licht.
Gottes Sohn lebt. Und er begegnet uns. Da ist tatsächlich einer, der mitgeht. Der unsere Wege begleitet. Der sich sorgt und uns umsorgt. Der sich mit uns ins Leben wagt. Ganz unterschiedlich sehen unsere Begegnungen mit Gott aus: Manche spüren ihn beim Pilgern, in der Natur, in der Ruhe oder in der Gemeinschaft mit den Weggefährtinnen und Weggefährten. Andere tragen Gott im Herzen, wenn sie in der Notfallseelsorge Menschen in Krisen begegnen. Wieder andere treffen am Tisch auf Gott, oder in den Worten und im Leben eines Papstes, oder in der Nachricht einer Freundin.
Hellmers: Aber: Nicht immer so, wie wir es erwarten. Und trotzdem so, dass es uns neue Kraft schenkt. Dass wir Licht finden in unseren Dunkelheiten. Und spüren: Da ist einer, der mitgeht. Wir sind nicht allein. „Ich glaube,“, schreibt der Theologe Dietrich Bonhoeffer, „daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.”
Gehen wir los, in eine unbekannte Zukunft - mit ein bisschen weniger Angst. Mit österlicher Freude und Zuversicht. Mit Glauben. Wohin du auch gehst: Du gehst nicht allein. Amen.
Aus aktuellem Anlass eine Fürbitte für den verstorbenen Papst Franziskus:
Riesenberg: Gott, bestürzt und traurig hören wir vom Tod von Papst Franziskus, und wir danken Dir für diesen außergewöhnlichen Priester, Bischof und Papst. Danke für alle Impulse, die er seiner Kirche und uns als Kirche in der Welt gegeben hat. Lass ihn ruhen und durchatmen in deinem Frieden.
Wir bitten dich für unsere katholischen Geschwister in der ganzen Welt und für alle, die jetzt traurig sind. Leite und begleite deine Kirche in dieser Zeit, die gleichzeitig eine Zeit der Trauer und eine Zeit der österlichen Freude ist.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze