
Predigt Jubiläum 111 Jahre Posaunenchor Riede
Gott, gib mir ein Wort für mein Herz und ein Herz für dein Wort. AMEN
„Lobet ihn mit Posaunen … alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“ – so endet der kurze Psalm 150, dieser letzte Psalm in dem Buch der Psalmen. 150 alte Lieder und Gebet wurden darin gesammelt und kategorisiert, neben Klagepsalmen gibt es auch Lobpsalmen und der letzte der 150 gehört eindeutig zu ihnen. Oft wurde er schon zitiert in Gottesdiensten, gerade im Zusammenhang mit Musik, ob Orgelmusik, Gesang oder Posaunenchormusik, die ein echtes Wahrzeichen des deutschen Protestantismus ist.
Wer Musik macht, besonders im Posaunenchor, der weiß: Dieser Psalm 150 ist wie eine himmlische Setliste. Keine trockene Theorie über den Glauben – sondern Lob Gottes in vollen Tönen. Mit Harfen, Zimbeln, Pauken – und, ja, natürlich: mit Posaunen (so hat zumindest Luther das hebräische Wort Schofar übersetzt.- eigentlich ein Widderhorn)- egal- wir denken eben heutzutage an Posaunen, oder Trompeten, Tuba und Hörner….Wir hören diesen Psalm einmal:
1Halleluja!
Lobet Gott in seinem Heiligtum,
lobet ihn in der Feste seiner Macht!
2Lobet ihn für seine Taten,
lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit!
3Lobet ihn mit Posaunen,
lobet ihn mit Psalter und Harfen!
4Lobet ihn mit Pauken und Reigen,
lobet ihn mit Saiten und Pfeifen!
5Lobet ihn mit hellen Zimbeln,
lobet ihn mit klingenden Zimbeln!
6Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!
Halleluja!
Und heute – nach 111 Jahren! – dürfen wir sagen: Riede hat’s gemacht. Seit 1913. Mit Odem, mit Atem, mit Herz und mit Posaunen Gott gelobt.
Was wäre unsere Kirche, was wäre unser Dorf, was wäre unser Glaube ohne den Klang solcher Instrumente? Gerade der Instrumente des Rieder Posaunenchors?
111 Jahre- da braucht man einen langen Atem. Nach der Predigt singen wir das Lied von Fritz Baltruweit „Gott gab uns Atem.“
In diesem Lied steckt viel, was uns heute bewegt und viel, was Bläserinnen und Bläser als Posaunenchor durch 111 Jahre getragen hat. Atem. Leben. Klang. Gemeinschaft.
Der erste Ton- der erste Atem durch Blasinstrumente vereint in einem Chor hörte man im Winter 1913/14. Es war Bürgermeister Adam Reitze, der den Chor gründete. Ein Bürgermeister mit musikalischem Weitblick! Und damals – Männer unter sich. Wer hätte damals geahnt, dass irgendwann auch Frauen mit blasen würden? Ein Glück!
Doch erst mal wurde improvisiert. Ohne Noten. Nur nach Gehör. Erst 1928 gab’s dann einen Lehrgang in Hephata. Vielleicht konnte man damals nicht alles perfekt spielen – aber es klang nach Herz und Hoffnung.
Doch nicht alles war festlich. Und nicht immer schallte die Musik ein Lob. Im Ersten Weltkrieg kamen drei Bläser nicht zurück. Im Zweiten Weltkrieg: wieder zwei. Die Musik verstummte, der Chor musste pausieren- die Bläser wurden eingezogen in die Armee.
Und doch: Die Posaune blieb nicht still für immer. Sie wartete. Auf den nächsten Ton. Auf den neuen Anfang.
Was für ein Wiedersehen das gewesen sein musste. Was für Erfahrungen und Belastungen die Bläser gehabt haben müssen. Ob sie darüber sprechen konnten? Zumindest konnten sie wieder spielen und sich von der Gemeinschaft tragen lassen.
Und irgendwann erklang sie wieder – bei Gottesdiensten, Festumzügen, Turmblasen, Altennachmittagen, Beerdigungen. In Riede. In Kirchberg. In Fritzlar und anderen umliegenden Ortschaften. Sogar auf dem Kirchentag in Köln 1965. Da wurde’s plötzlich richtig „großes Kino“ – oder besser: großer Klang für den großen Gott.
Im Lied heißt es weiter: „Gott gab uns Hände, damit wir handeln“
Ja, Gemeinschaft im Posaunenchor ist nicht nur Musik. Es ist auch: Möbel rücken. Denn in den 50ern, als man noch in Wohnstuben übte, mussten Sofas raus – damit Posaunen und Trompeten reinpassten. Wer braucht schon eine Couch, wenn man einen Choral hat?
Auch an anderen Veranstaltungen half und hilft der Posaunenchor immer tatkräftig mit. Handelt zum Wohle des Dorfes. Viele Menschen hier aus Riede waren schon Teil des Chores und haben in dieser Gemeinschaft mitgewirkt. An viele, die schon verstorben sind und an die wir uns erinnern, denken wir heute.
Ein Höhepunkt war sicherlich in 1994: als der Chor 32 aktive Bläser:innen zählte – ein echter „Brass-Gipfel“! Oftmals gab es auch 2 Chöre, der große Chor und ein Auswahlchor, der sich Sonntagmorgens zur Übungsstunde traf. An dem Treffen am Montagabend hat sich aber all die Jahrzehnte nichts geändert.
Doch- 2020. Corona. Eine Zeit, die vieles in unserem Leben lahm legte. So auch die Arbeit im Posaunenchor, der kurz vor dem Aus stand wegen mangelnden Mitgliedern und fehlender Möglichkeit zum gemeinsamen Üben und Auftreten. Aber dann – ganz leise, wie ein zarter Anfangston – kam etwas Neues: neue Mitglieder. Neue Leitung. Ein kleines Wunder. Gottes Fügung?
Gott gab uns Atem, damit wir Leben. …Auch diesem Posaunenchor…
Und so können wir auch heute dieses Jubiläum mit den 9 aktiven Bläser:innen feiern- ich bitte alle mal einzeln aufzustehen, das Instrument hochzuhalten und Ihren Namen laut zu sagen.
Applaus
Heute feiern wir nicht nur die Geschichte des Chores und blicken zurück, sondern feiern auch die aktuelle Besetzung, freuen uns mit ihnen und sind dankbar über die wunderbare Musik.
Mit Musik haben die Bläser:innen etwas sagen können, wo Worte fehlen. Diese Klänge haben Trost gebracht bei Beerdigungen, Hoffnung und Freude bei Gottesdiensten, Jubiläen und Familienfeiern. Und manchmal – auch das gehört dazu – haben sie uns einfach zum Schmunzeln gebracht.
Zum Schluss habe ich 3 kleine Töne- verbunden mit einem symbolischen Geschenk an die 9 aktiven Bläser:innen in Form eines Notenschlüsselanhängers.
Macht weiter! Auch mit nur neun Bläser:innen, auch wenn mal keiner oder nur sehr wenige Zeit haben. Habt Mut und Vertrauen, dass andere sich begeistern lassen von dieser Musik, von eurer Gemeinschaft oder auch mal wieder ihre verstaubten, in der Jugend gesammelten Bläserkompetenzen wieder aufleben lassen wollen. Denen sage ich: der erste Ton ist oft der schwerste – aber er lohnt sich. Einfach mutig sein.
So wie der Posaunenchor auch mutig war, ein solch tolles Jubiläum auf die Beine zu stellen.
Und so singen wir gleich nach der Predigt das Lied, das ich hier mit eingebunden habe.
„Gott gab uns Atem, damit wir leben, er gab uns Augen, dass wir uns sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.“
111 Jahre Posaunenchor Riede – und jeder Ton war ein Atemzug Leben. Ein Lob Gottes. Und ein Segen für uns alle, dass wir mit dieser Musik die Zeit bestehn.
Amen.