Konzert zum Gedenken an den Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt
am 07.12.1970
Der Lübecker Bach-Chor gestaltet am Ende dieses Jahres auf Einladung der „Stiftung zum 7. Dezember 1970“ wieder ein außergewöhnliches Konzert. Veranstaltungsort ist diesmal St. Aegidien zu Lübeck. Das Musikprogramm kann der aktuellen, weltpolitischen Lagen kaum angemessener sein – erklingen Werke von Komponisten mit jüdischen Wurzeln: Von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Alfred Schnittke.
Die „Stiftung zum 7. Dezember 1970“ und der Lübecker Bach-Chor gedenken auf diese Weise dem Kniefall des deutschen Bundeskanzlers Willy Brandts vor dem „Ehrenmal für die Helden des Aufstands im Warschauer Ghetto von 1943“ am 7. Dezember 1970. 25 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs und der NS-Diktatur bekannte sich Brandt mit dieser Demutsgeste zur deutschen Schuld an den Verbrechen in Polen.
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1807–47) lebte in Berlin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer Zeit, in der sich viele Menschen mit jüdischen Wurzeln ganz bewusst in die christlich geprägt Welt einbringen und einfügen wollten. Sie ließen sich taufen und lebten völlig assimiliert. So praktizierte es auch sein Vater, Abraham Mendelssohn, Teilhaber eines Bankhauses. Felix Mendelssohn hingegen hat sich als evangelischer Christ immer wieder seiner jüdischen Wurzeln erinnert und sie mit Selbstbewusstsein getragen. Die Vertonung des Psalms 115 begann er 1829 auf einer Reise durch England. Dort hörte er Oratorien von G. Fr. Händel und fertigte auf Bitten seines Lehrers C. Fr. Zelter persönlich eine Abschrift von Händels „Dixit dominus“ (Psalm 110) an. Die Anregungen durch Händel sind deutlich spürbar, legte er seine Psalm-Komposition sogar in derselben Tonart an. In vier Teilen vertont er den lateinischen Text, dem er eine eigene deutsche Textübertragung beifügt. Die zentrale Stellung Gottes im Leben seines Volkes wird als Gegensatz zum Leben der „Heiden“ benannt. Dies ist in jüdischer Tradition ein grundlegender Gedanke. Mendelssohn verbindet ihn mit der starken Betonung des segnenden Gottes.
Das Requiem von Alfred Schnittke (1934–98) aus dem Jahre 1975 gibt Zeugnis von einem sehr verschlungenen Lebenspfad. Der russische Komponist wuchs in einem kommunistischen Haus seiner wolgadeutschen Eltern auf. Jüdische und katholische Wurzeln der Familie waren verschüttet, die Suche nach einer religiösen wie auch einer nationalen Identität gestaltete sich für ihn sehr schwierig. Ein kurzer Lebensabschnitt in Wien 1946–49 eröffnete ihm erste musikalische Horizonte. Zurück in der Sowjetunion studierte er Chorleitung und Komposition in Moskau. Die Vorgabe des „sozialistischen Realismus“ aber legte der künstlerischen Entfaltung immer wieder Steine in den Weg. Er schrieb in der Sowjetunion zunächst sehr viele Filmmusiken, bevor er den Auftrag zu einer Bühnenmusik für Schillers „Don Carlos“ von einem Moskauer Theaterregisseur erhielt. Weil ein sakraler Hintergrund für das Schauspiel gewollt war, besorgte er die Unterlegung des lateinischen Requiem-Textes unter Musik seines Klavierquintettes, das er kurz zuvor im Gedenken an den Tod seiner Mutter geschrieben hatte. In den Jahren 1976-79 kam das Requiem als Bühnenmusik in Moskau zur Aufführung. Er hatte ein Werk von sehr großer Konzentration in vierzehn knappen Sätzen geschaffen, deren enge Melodieabläufe und expressive Harmonik den Text sehr gut ausleuchten. Die entlegene Instrumentierung mit viel Schlagwerk, Tasteninstrumenten sowie Trompete und Posaune tut das Ihre zur avantgardistischen Klanggestaltung, höchste Anforderungen an den Chor machen das Werk zu einer lohnenden Herausforderung.
Der Eintritt zum Konzert ist frei, ebenso die Platzwahl.
Veranstalterin des Konzerts ist die „Stiftung zum 7. Dezember 1970“, die für Ihre Spenden am Ausgang oder auf das Konto DE05 5206 0410 0106 4394 70 dankbar ist.
Mit dieser Spende tragen Sie dazu bei, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Diktatur auch in den Herzen nachfolgender Generationen am Leben zu erhalten. Herzlichen Dank!