Ungewöhnlicher Ort und weitreichende Beschlüsse

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Ungewöhnlicher Ort und weitreichende Beschlüsse

An einem ungewöhnlichen Ort trat vom 18. bis 20. April 2024 die Landessynode der EKBO zusammen: in der Synagoge der Stadt Görlitz, die 1911 geweiht wurde und wie durch ein Wunder die Pogromnacht im November 1938 fast unbeschädigt überstand.

Gott stets vor Augen - in der Görlitzer Synagoge

Freilich wurde die florierende jüdische Gemeinde, die dieses Gebäude unter freundlicher Anteilnahme der Stadt errichten ließ – an ihren Gottesdiensten waren sogar evangelische Kirchenmusiker beteiligt – im Zuge der Judenvernichtung der Nazizeit vernichtet. Nach dem Krieg ging das Gebäude in städtischen Besitz über, doch während der DDR-Zeit verfiel das Gebäude. Görlitzer Christen reparierten die gröbsten Schäden am Dach. Von 2012 bis 2021 wurde das Gotteshaus mit Bundesmitteln saniert und als Kulturforum Görlitzer Synagoge mit Museum und einer Ausstellung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde und Veranstaltungsort eröffnet. Über dem heute leeren Thora-Schrein steht auf hebräisch und deutsch: „Ich habe Gott stets vor Augen.“ 

Dass die Landessynode hier tagte, war dem Wunsch geschuldet, das 20-jährige Jubiläum der Vereinigung der Landeskirchen von Berlin-Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz hier zu begehen. Nicht nur die eindrucksvoll gestaltete Synagoge, deren Kuppel innen mit Reliefs des Löwen von Juda und der Menora geschmückt ist, verlieh der Tagung eine besondere Aura.

Gemälde: Kirchenruine ohne Dach, durch die Spitzbogenfenster scheint das Abendlicht

Mittelalter, Mystik und Romantik

Die Grenzstadt Görlitz ist voller eindrucksvoller spiritueller Orte, wie dem Heiligen Grab, einer detailgetreuen Nachbildung der Jerusalemer Grabeskirche aus dem späten Mittelalter, der nach dem Ersten Weltkrieg expressionistisch umgestalteten Nikolaikirche, auf deren Friedhof der Mystiker Jakob Böhme begraben liegt, der Stadtkirche St. Peter und Paul mit ihrer mächtigen Orgel, die selbst Johann Sebastian Bach bewundert hatte, der Frauenkirche, in welcher Altbischof Huber zum dreisprachig – deutsch, sorbisch und polnisch – gehaltenen Eröffnungsgottesdienst predigte, und der katholischen Heilig-Kreuz-Kirche.

Dort rief am Morgen des zweiten Synodentages Superintendent Kunz mit einer Betrachtung zu einem Bild Caspar David Friedrichs in Erinnerung, dass Tod und Auferstehung Christi auch der Kirche als seinem geistlichen Leib innewohnen und dass in Friedrichs Bild einer ganz in der Nähe von Görlitz liegenden Klosterruine deshalb nicht nur die Zeichen des Niedergangs, sondern auch des Neubeginns des Lebens zu finden sind. (Link zur Andacht)

Verantwortung spüren und übernehmen

Auf diese Spur setzte auch der katholische Bischof von Görlitz Wolfgang Ipolt die Synodalen, indem er daran erinnerte, daß Synode wörtlich eigentlich „Mit-Weg“ heißt und dass die Christen in der Apostelgeschichte als „Anhänger des neuen Weges“ bezeichnet werden. Auch der Oberbürgermeister von Görlitz, der aus Rumänien stammende Octavian Ursu, sprach ein sehr persönlich gehaltenes Grußwort, in dem er bekannte, dass er jeden Tag darum bete, dass Gott ihm den richtigen Weg weist. Gott gebe uns in einer vielfältigen Gesellschaft die Kraft, die Werte hochzuhalten, die uns wichtig sind, Verantwortung für die Schöpfung und die Gesellschaft zu spüren und sie zu übernehmen. Auch der Bischof der Diözese Breslau der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Waldemar Pytel, hob in seinem Grußwort hervor, die Welt werde sich immer wieder fürchten; aber die gemeinsam gesäten Samen der Zusammenarbeit, Versöhnung, Einheit, Freundschaft und Liebe werden immer wieder aufgehen.

Bischof Stäblein: Kirche ist Ausgangspunkt für den Schutz menschlicher Würde

Der Bericht unseres Bischofs Christian Stäblein begann in nachösterlichem Duktus. Schöpfung und Neuschöpfung lebten an den dunklen Orten der Geschichte. Das Vertrauen in die Auferstehung trage uns durch die Zeiten. Die Kirche sei kein Bildungszentrum für Demokratie, wohl aber Ausgangspunkt für den Schutz der menschlichen Würde. Christliche Räume seien nicht ideologisch gefüllt, sondern durch die Freiheit, die uns Gott zuspricht. Kirchenämter seien deshalb mit der Mitgliedschaft in menschenfeindlichen Vereinigungen nicht vereinbar.

Bischof Stäblein sprach auch die ForuM-Studie der EKD zur sexualisierten Gewalt an. Die Kirche habe sich schuldig gemacht. Nun müssten sich die Strukturen und die Wahrnehmung von Verantwortung verändern. Pröpstin Christina-Maria Bammel stellte einen Zwischenbericht zu den Konsequenzen nach dieser Studie vor. Eine EKD-Steuerungsgruppe bereitet die notwendigen Reformen auf struktureller Ebene vor. Im Juni würden Foren des Austauschs öffentlich angeboten. Betroffenen – sie verwendet bewusst nicht das Wort „Opfer“ – würden gebeten, sich zu melden. Auch am Professionsverständnis des Pfarrdienstes müsse gearbeitet werden. 

Die Synode mahnte in diesem Zusammenhang an, die Aufarbeitung sämtlicher Personakten der Pfarrerschaft sei nötig. Die EKBO-Jugendkammer verlangte, in allen Kirchenkreisen halbe Stellen für die Präventionsarbeit einzurichten.  Dieser Forderung wurde mit Blick auf die sehr unterschiedliche Ausstattung der Kirchenkreise und die sehr unterschiedliche Organisation der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen widersprochen; sie soll auf der nächsten Synode erneut beraten werden.

Rechts- und Verfahrensfragen

Eine Reihe wichtiger Beschlüsse betraf innerkirchliche Rechts- und Verfahrensfragen.

So soll die Amtszeit des Berliner Generalsuperintendenten nach dem Ausscheiden von Frau Trautwein Ende 2024 auf sieben Jahre begrenzt werden, damit die Amtszeit aller Generalsuperintendenten in der EKBO ungefähr gleichzeitig endet und damit mögliche neue Strukturentscheidungen getroffen werden können. Die Landessynode soll in den nächsten zwei Jahren dazu ein Konzept entwickeln.

Auf Antrag der Kirchenleitung wurde beschlossen, das Rechnungslegungssystem in fünf bis zehn Jahren von der bisherigen Kameralistik zu doppelter Haushaltsführung (Doppik) umzustellen. Details sollen später festgelegt werden. Sowohl die Umstellung als auch die Umsetzung werden sehr aufwendig und mit hohem Arbeitsaufwand verbunden sein. Doch das bisherige Kirchliche Finanzmanagement (KFM) ist nicht zertifizierbar und kann über kurz oder lang nicht weitergeführt werden.

Auf Wunsch der ländlichen Kirchenkreise wurde beschlossen, bei Bildung von Gesamtkirchengemeinden zu erlauben, neben Veräußerung und Belastung von Kirchenvermögen auch dessen Verpachtung von der Zustimmung des Ortskirchenrates abhängig zu machen.

Heftigen Streit gab es um die Forderung, Kirchenbeamten – also Pfarrern und Konsistorialbeamten – einen Inflationsausgleich zu zahlen. Die Kirchenleitung und letztlich auch die Synode lehnten dies ab. Die Beamten erhalten seit März 2024 bereits 9 % mehr Gehalt, die privatrechtlich Beschäftigten erst ab 2025. Für die Kirchenleitung ist dies bereits hinreichender Ausgleich. Die Synode beschloss jedoch, die Kirchenleitung solle zum 1.1.2025 die Anhebung des Bemessungssatzes regeln, der heute bei lediglich 92 % der Bundesbeamtenbesoldung liegt, womit die EKBO bundesweit auf dem vorletzten Platz unter den Landeskirchen liegt.

Unvereinbarkeit von AfD-Mitgliedschaft und Kirchenamt

Während ein Antrag zur alternativlosen Ächtung von Atomwaffen unter Verweis auf laufende Beratungsprozesse in der EKD-Synode vertagt wurde und ein Antrag, hauptamtliche Beauftragte für Friedensarbeit und Demokratiebildung einzurichten, abgelehnt wurde, verabschiedete die Synode eine Stellungnahme, in der sie sich entsetzt über die Haltung der russischen orthodoxen Kirche zur Rechtfertigung des Kriegs der Ukraine äußerte. Die böhmische Partnerkirche hatte diese gegenüber dem Ökumenischen Rat der Kirchen als Blasphemie kritisiert.

Zwei weitere Beschlüsse der Synode berührten schließlich die Berliner und die deutsche Politik. Das vorgelegte neue Berliner Schulgesetz wird hinsichtlich der von der schwarz-roten Koalition angekündigten Einführung des Wahlpflichtfaches Religion als enttäuschend angesehen. Die Synode verabschiedet hierzu einstimmig eine Stellungnahme, die mit dem katholischen Diözesanrat erarbeitet worden war.

Große Mehrheit fand auch der Beschluss, dass Verkündigung und Wahlämter in der Kirche mit der Mitgliedschaft und tätigen Unterstützung der AfD und anderer menschenfeindlicher Parteien unvereinbar seien. Dies wird Konsequenzen für die anstehenden Kommunalwahlen und die kommenden GKR-Wahlen haben. In vielen Stellungnahmen wurde deutlich, dass die AfD auf vielen Ebenen versucht, die Arbeit der Kirchengemeinden zu unterwandern. Doch die menschenfeindliche Politik der AfD verlangt, wie die Synode festgestellt hat, den „entschiedenen Widerspruch“ der Christinnen und Christen und ein klares Bekenntnis zur Demokratie.

Prof. Dr. Reinhard Zöllner, Landessynodaler des Kirchenkreises Spandau

Weitere Infos zur Landessynode der EKBO unter
www.ekbo.de/wir/landessynode

Beschluss der Landessynode „Für Demokratie entschlossen einstehen und Dialog fördern“ vom 20. April 2024: www.ekbo.de/themen/detail/nachricht/ekbo-beschliesst-unvereinbarkeit-christlicher-verkuendigungsarbeit-mit-rechtsextremen-menschenbild

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