Hungertuch Fastenzeit 2020 - 2. Fastensonntag

# Spirituelle Impulse - St. Cäcilia

Hungertuch Fastenzeit 2020 - 2. Fastensonntag

Miriam und der Aufbruch der Frauen

„Wenn das Rote Meer grüne Welle hat, dann ziehen wir frei, dann ziehen wir frei, heim aus dem Land der Sklaverei.

Wenn der Stacheldraht rote Rosen trägt, dann bleiben wir hier, dann bleiben wir hier, weil sich das Land gewandelt hat…“  

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Diese Strophe eines Liedtextes von Wilhelm Willms sind dem Künstler durch den Kopf gegangen, als er das zweite Teilbild links über dem ersten gestaltete. Die Darstellung bezieht sich auf die biblische Erzählung von der Rettung Israels vor den ägyptischen Truppen, am Schilfmeer. Diese wollten die Israeliten am Auszug  hindern und in die Sklaverei zurückbringen. Nach der wunderbaren Errettung durch Gott schlägt eine Frau auf die Pauke und singt Gott ein Dankeslied. Jedes Jahr in der Osternacht hören wir diese Lesung und Miriams Siegeslied. Sie wird uns als Miriam, die Schwester von Mose und Aaron vorgestellt.  

Was uns zuerst auffallen muss: Entgegen der übermächtigen Tradition der Bibel und der Kunst macht das Hungertuch nicht Mose mit seinem Stab, sondern eine Frau, die Prophetin Miriam, zur Kronzeugin der Rettungstat. Sie ist nicht der staunende Zuschauer des Wunders, sondern sie ist vom Jubel überwältigt. Ihr ganzer Leib ist Bewegung, sie tanzt, sie singt und schlägt die Pauke. Ihre Haare flattern um ihr Gesicht, mit dem sie uns aus dem Bild heraus anschaut.  

Vielleicht entdecken wir jetzt, dass das schöne Kleid der Miriam die Farben des Regenbogens hat. Im Gesamtarrangement scheint es so, als ob sie auf dem Regenbogen über der Arche zu tanzen scheint. Die Lebenszusage des Schöpfergottes ist einmal mehr wahr geworden.

Außerdem sehen wir um Miriam keine aufgestauten Wasser, sondern zwei rote Wellenberge. In der Mitte tanzt Miriam auf der grünen Welle in die Freiheit.  

Auch das Bildmotiv des Stacheldrahtes, der nun zerschnitten ist und rote Rosen trägt, geht auf den Text von Willms zurück. Wer genau hinschaut kann links und rechts neben dem Stacheldraht Mauerreste entdecken. Wer von uns Deutschen denkt bei Mauer und Stacheldraht nicht zurück an die Teilung unseres Landes, die äußerlich überwunden ist, aber in den Köpfen vieler Menschen noch besteht. Mauern sind aber auch als Zeichen in der realen Welt zu deuten; als Grenzen, als Abschottung, Absperrung und Aussperrung.  

Wenn der Stacheldraht rote Rosen trägt, dann bleiben wir hier, weil sich das Land gewandelt hat. Könnten so nicht jüdische Familien denken, die 75 Jahre nach dem Holocaust wieder Angst haben ihren Lebensmittelpunkt zu verlieren, bei den beängstigenden Entwicklungen in Deutschland.  

Das Bild der tanzenden Miriam wirft zwei Fragen auf: Die Erste nach der Würde und Rolle der Frau in der heutigen von Männern bestimmten Gesellschaft und auch in unsere vom männlichen Klerus geprägten Kirche. Es gibt kein theologisch überzeugendes Argument, das einen Ausschluss der Frauen vom Amt rechtfertigen würde. Das Hungertuch, mit der prophetischen Gestalt der Miriam, will uns auch an dieses unbewältigte Kapitel in unserer Kirche erinnern.  

Die zweite Frage, mit der uns das Hungertuch konfrontiert, ist weit grundsätzlicher. Erleben wir diese von Gott her eröffnete Freiheit überhaupt als erfahrbare, reale Befreiung, die uns durch unseren Alltag tanzen lässt?

Oder sind Freiheit und Befreiung nur innerlich, geistliche, geglaubte Wirklichkeiten ohne Auswirkung in unserem realen Leben.    

Vielleicht sollten wir froh und siegesgewiss wie Miriam in die zweite Fastenwoche gehen. Sozusagen auf der grünen Welle. Wie froh macht uns die grüne Welle der Ampeln beim Autofahren. Warum nicht auch Gott als den Befreier in unserem Leben zulassen.


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