
Endlich kommt die Fortsetzung von unserem Familieninterview mit Sarah.
Teil 1 könnt Ihr hier nachlesen. Und hier kommt Teil 2:
I: Gibt es einen Lieblingsort für Euch?
S: Ich glaube tatsächlich, unser Lieblingsort ist zu Hause. Wir sind alle sehr gerne zu Hause. Auch Mattis pröddelt am liebsten im Garten oder hilft im Haushalt. Für ihn war auch die ganze Corona und Lockdown-Geschichte nicht so schlimm. Er hat es genossen, endlich genug Zeit zu haben. Man kann gerne mal in Urlaub fahren, aber es ist dann auch sehr schön, wieder nach Hause zu kommen.
I: Das ist ja schön, dass Mattis so gerne zu Hause ist. Viele Kinder drehen ja am Rad, weil Corona ist, aber für Mattis ist das ja offensichtlich in Ordnung. Sehr gut.
S: Im Frühjahr 2020 war Mattis 101 Tage zu Hause. Jan hat tatsächlich die Tage gezählt. (lacht) Nach der Zeit war Mattis einen Tag in der Kita. Und ich frag danach: „Wie war es?“ Da meinte er: „Och Mama, war toll. Aber nun reicht es auch erstmal wieder.“
I: Welche Fernsehsendung oder Netflix-Sendung guckt ihr gerne?
S: Vor Corona hat Mattis ganz gerne Paw Patrol, die Helfer auf vier Pfoten geschaut. Wahrscheinlich wie viele andere Jungs auch. Im Lockdown war dann absehbar, dass er ein wenig häufiger Videos schauen wird. Mit Homeoffice und geschlossener Kita ging das oft einfach nicht anders. Wir haben dann versucht, das, was er guckt, in ne etwas wertvollere Richtung zu lenken. Das hat zum Glück geklappt. Seine absolute Lieblingsserie ist jetzt die Sendung mit der Maus. Er schaut jetzt, wie das Sonnensystem funktioniert oder wie Spülschwämme hergestellt werden. Seitdem haben wir ein etwas weniger schlechtes Gewissen, wenn wir ihn vor dem Tablet parken müssen. Die Kehrseite ist jedoch, dass die „Warum“-Fragen sehr viel komplexer geworden sind.
Manchmal machen wir auch einen Filmabend zusammen. Da machen wir Popcorn, kuscheln uns gemeinsam in eine Decke und schauen einen Kinderfilm zusammen. Das ist für ihn das Allergrößte. Und für uns ehrlich gesagt auch, wenn die Augen so strahlen. (lacht)
I: Cool. Und was würdest du einem Menschen erzählen, der Medienkonsum ablehnt, warum Euch das gefällt, auch mal zusammen einen Film zu gucken?
S: Ich denke, das muss jeder für sich bzw. für sein Kind entscheiden. Ich habe den größten Respekt davor, wenn man es schafft, seine Kinder ohne Medien aufzuziehen. Ich finde es allerdings auch nicht schlimm, wenn Kinder hin und wieder Serien oder Filme schauen, solange sie altersgerecht sind und keine Dauerlösung. Die Kinder sprechen ja auch in der Kita darüber. Und ich finde es sehr schade, wenn ein Kind sich da ausgeschlossen fühlt, weil es nicht mitreden kann. Mattis kam zum Beispiel mal nach Hause und wollte Feuerwehrmann Sam sehen, weil sein Kumpel davon erzählt hat. Die Feuerwehrmann-Sam-Phase war dann aber nach 4 Folgen (zum Glück) auch wieder vorbei.
I: Worüber streitet ihr? Und wie läuft das ab? Wie versöhnt ihr euch wieder? Streitet ihr überhaupt?
S: Wir streiten nicht, wir diskutieren. (Lacht) Mit Mattis diskutieren wir, warum es kein zweites Eis zum Nachtisch gibt, ob er zur Kita eine Hose anziehen muss und ob es sinnvoll ist, mit dem Laufrad auf dem Trampolin zu springen. Da muss man dann manchmal die Aufsichtsperson raushängen lassen. Als Paar streiten wir eher über die üblichen Sachen: „Du räumst nie den Geschirrspüler aus.“ „Warum liegen deine Socken hier?“ „Natürlich ist die Küchenarbeitsplatte der richtige Ort, um wichtige Briefe zu lagern.“ Wenn man ehrlich ist, hat der andere in der Regel recht. Aber wir sind seit 19 Jahren zusammen… Wir wissen wir beide, dass der andere sich nicht ändern wird. Und das ist gut so. J
I: Was hast du immer bei dir, wenn du aus dem Haus gehst?
S: Schlüssel, Handy, …. meistens Mattis (beide lachen), ne Wasserflasche, ja, und mittlerweile ne Maske. (Lacht)
I: Was macht für dich einen Tag zu einem guten Tag und wann bist du mit dir als Mama zufrieden?
S: (Seufzt) Ich glaube so richtig zufrieden mit mir als Mama bin ich nie. Dafür sind die Erwartungen von außen zu groß. Als Mama gibt es immer Punkte, die man vernachlässigen muss – sei es die Arbeit, den Chef, das Kind, sich selbst… Ein ziemlich guter Tag war es, wenn wir zusammen entspannt waren und Spaß hatten. Wenn wir Quatsch gemacht haben und Mattis beim Einschlafen abends nochmal davon erzählt.
I: Was erlebst du, wenn du gemütlich auf der Couch liegst?
S: Nix. (lacht) Dann sitz ich da und mach den Fernseher an oder scrolle durchs Handy. Wenn ich nach einem Tag mit Arbeit, Kind und Haushalt auf der Couch sitze, dann bin ich so fertig, da erleb ich nix mehr.
I: Welchen kleinen Luxus gönnst du dir manchmal und wie verteidigt du ihn gegen feindliche Attacken?
S: Wir haben die Regel, dass am Wochenende einer mit Mattis aufsteht. Der andere darf dann ausschlafen, bekommt `nen Kaffee ans Bett und darf langsam wach werden und hat so Zeit für sich. Das ist tatsächlich purer Luxus.
I: Hast du ein Erholungskonzept für zwischendurch?
S: Rausgehen … egal, wie das Wetter ist. Gummistiefel an, Regenhose an und ab an die Luft. Danach sind alle besser drauf.
I: Was lernst du von Deinem Kind?
S: Ich lerne von Mattis Grenzen und Bedürfnisse zu äußern und zu verteidigen. Er weiß ganz genau, was er braucht und was er will und das ist nicht verhandelbar. Ich glaube, das ist eine ganz große Fähigkeit, die wir als Erwachsene verloren haben. Wir stellen zu oft unsere eigenen Bedürfnisse zurück und übertreten unsere eigenen Grenzen, um es anderen recht zu machen, weil es von uns erwartet wird oder weil es sich so gehört. Mattis umarmt niemanden, wenn er nicht will, gibt keiner Oma ein Küsschen und sagt dir ganz deutlich, wenn er andere Pläne hat.
Als Erziehungsberechtigte ist das manchmal echt schwierig, weil man weiß, was andere von einem „gut erzogenen“ Kind erwarten. Für ihn hoffe ich allerdings, dass er sich das lange bewahren kann, denn ich glaube, das ist die Grundlage dafür, dass er irgendwann selbstbewusst seinen eigenen Weg gehen kann.
I: Und das ist auch etwas, was ihr von ihm auch übernehmen könnt?
S: Früher konnte ich nie nein sagen. Es musste immer alles gehen, ich musste alles schaffen, alles möglich machen. Mittlerweile kann ich mir eingestehen, wenn etwas zu viel ist, mir Raum erlauben und nein sagen, wenn etwas nicht geht. Wenn ich Mattis frage „Kannst du das bitte in die Küche bringen?“ antwortet er mit einem Schulterzucken und einem bedauernden Schmollmund „Leider nein“, und geht weg. Das wirkt Wunder - nicht nur im Elternkreis, auch unter Kollegen oder bei der Schwiegermutter.
I: Was bewunderst du an anderen Eltern?
Es gibt Eltern, die haben das alles im Griff. Da geht das Kind jeden Abend baden, alles wird auf Augenhöhe ausdiskutiert und es gibt täglich 5 Mahlzeiten zu immer selben Uhrzeiten. Das Kind ist mit pädagogisch wertvollem Holzspielzeug glücklich und mit 2 Jahren trocken. Das ist ein Level, das bewundere ich, aber da werde ich niemals hinkommen. (lacht) Und das ist auch völlig ok. Das ist Bewunderung ohne Neid.
V: Wenn du anderen Eltern einen Tipp geben dürftest, was wäre das?
I: Öfter mal lockerlassen und nachgeben. Es gibt immer einen Grund, aus dem Kinder handeln. Und in der Regel ist der erstaunlich nachvollziehbar, wenn man mal genau hinschaut. Spätestens in der Trotzphase wird klar: Die Kinder sitzen am längeren Hebel. Entweder es geht mit ihnen oder es geht gar nicht. Da lohnt es sich manchmal, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Dann zieht man beim Rausgehen eben Regenhose und Jacke über den Schlafanzug, der nicht ausgezogen werden darf. Dann gilt Milchreis mit Ketchup heute halt mal als Mahlzeit und dann zieh ich den großen Jungen heute halt an, wenn es sein muss.
Das verwächst sich alles bis sie erwachsen sind und morgen ist ein neuer Tag.
I: Danke für Deine Zeit und Deine Offenheit.
Das Interview hat Delfi_leiterin Valeria Lippert Velarde geführt. Vielen Dank auch Dir!